Was ist das Ziel von Achtsamkeits-Übungen?
Durch Achtsamkeit lernen wir wieder mehr im Jetzt zu sein. Es ist das bewusste Wahrnehmen des Momentes. Man versucht die eigene Gedanken, Emotionen, körperliche Reaktionen, die Umwelt, die Menschen - all das einfach wahrzunehmen, zu beobachten, da zu sein - aber nicht zu sehr zu bewerten. Wichtig ist, dass das nicht so mechanisch passiert. Dass man also nicht zu verkopft dran geht, sondern es mit dem Herzen macht. Damit man einen gewissen Spaß daran hat.
Wie kann ich denn im Alltag achtsamer sein oder werden?
Sie können im Alltag auf kleine Dinge achten. Zum Beispiel wenn sie einen Salat zubereiten: Sie können beim Tomatenschneiden auf die Farbe achten, auf das Schneidegeräusch, Sie können die Scheibe anschauen, die allmählich abgeschnitten wird. Beim Essen können Sie ebenfalls auf die Farbe achten. Sie können das Essen riechen. Sie können die Speise nicht gleich kauen und schlucken, sondern erst mit den Lippen berühren. Sie können den Geschmack prüfen mit der Zunge und erst dann weiter essen. Das Interessante bei Achtsamkeit ist, dass man einfach dadurch entschleunigt, das man im Einfachen, was normalerweise nicht berücksichtigt wird, wieder die kleine Dinge erkennt.
Was bringt diese Entschleunigung? Was passiert im Körper, wenn ich mich auf diese alltäglichen Dinge mehr fokussiere und einlasse?
Forschungen zeigen, dass viele Menschen eigentlich gar nicht mehr so im Jetzt sind und dass wir circa die Hälfte der Zeit nicht bei der Sache sind, wenn wir etwas tun. Man hat auch festgestellt, dass Menschen glücklicher sind, wenn sie Dinge tun und ganz bei der Sache sind. Wenn Sie zum Beispiel putzen und keine Lust haben zu putzen, wenn Sie dann nicht bei der Sache sind, werden Sie unglücklicher sein als wenn Sie achtsam putzen würden.
Das hat damit zu tun, dass wir sehr viel mit unserer Gedanken beschäftigt sind. Das nennt man in der Fachterminologie "mind wandering". Das ist das Abschweifen der Gedanken. Durch die Achtsamkeitspraxis nimmt das "mind wondering" mit der Zeit ab. Dadurch werden wir wieder konzentrierter. Wir haben eine bessere, selektivere Wahrnehmung und die Neigung zum Grübeln nimmt auch ab.
Wenn wir durch die Achtsamkeitspraxis lernen, Dinge etwas neutraler zu betrachten, ohne gleich zu urteilen, dann werden wir emotional auch ruhiger. Das kann man auch im Hirnscan sehen.
Welche speziellen Körperübungen für Achtsamkeit gibt es denn?
Die klassische Körperübung ist der Bodyscan. Das ist eine Übung, wo wir schrittweise mit der Aufmerksamkeit durch den Körper gehen. Das fängt bei den Füßen an, entweder bei dem linken oder rechten Fuß und dann geht man schrittweise und langsam durch den Körper. Das heißt, man erfühlt alle Körperbereiche in Ruhe. Ist das Körperteil entspannt oder verspannt? Wenn zuviel Spannung drin ist, dann versucht man zu entspannen, indem man vielleicht Atem hinlenkt.
Wenn man diese Übung regelmäßig macht, dann sieht man, dass hier auch die Nervenzellendichte zunimmt. Das bedeutet auch mehr Verknüpfungen im Gehirn.
Besonders spannend ist, dass gerade Menschen mit Einschlafschwierigkeiten davon profitieren. Wenn sie den Bodyscan kurz vorm Schlafen machen, schlafen viele schon ein, wenn sie mit ihrer Aufmerksamkeit in den Beinen sind. Die Übung kann also so sehr entspannen, dass man einfach früher einschläft.
Was ist denn der Unterschied zu anderen Entspannungstechniken wie zum Beispiel progressive Muskelentspannung oder autogenes Training?
Entspannungstechniken werden eingesetzt um zu entspannen. Achtsamkeitstechniken werden eingesetzt um mehr Einsicht zu bekommen: in Gedanken, in den Bereich der Emotionen und auch in körperliche Reaktionen.
Es ist ganz wichtig, wenn ich zum Beispiel lerne, wie mein emotionaler Haushalt funktioniert. Dann gehe ich nicht so schnell hoch, wenn ich Stress habe oder jemand etwas Falsches zu mir sagt. Achtsamkeitstraining führt auch dazu, dass man Ruhe bewahrt, bevor man reagiert. Wenn man das öfter macht, dann wird man automatisch gelassener.