Die Zahl der Studierenden mit psychischen Einschränkungen und Erkrankungen ist von 2016 bis 2021 um 12 Prozentpunkte angewachsen, von 53 Prozent auf 65 Prozent. Dazu kommt noch die hohe Dunkelziffer an Studierenden, die Unterstützung brauchen.
Das deutsche Hochschulsystem ist jedoch nicht ausreichend auf die wachsende Zahl von Studierenden mit psychischen Erkrankungen vorbereitet, sagt die Präsidentin des deutschen Studierendenwerkes (DSW), Beate Schücking. Es gebe viel zu wenig Beratungs- und Unterstützungsangebote für die Studierenden.
Das DSW berichtet: Die psychologischen Beratungsstellen der Studierendenwerke werden auch nach dem offiziellen Ende der Pandemie förmlich überrannt.
Unterstützung suchen kostet Überwindung
Es liegt nicht nur an fehlenden Plätzen, dass Studierende mit psychischer Bealstung keine Beratung in Anspruch nehmen.
Viele Studierende wissen nicht, wohin sie sich für Beratung und Hilfe wenden können, andere dagegen haben Hemmungen eine psychische Krise offen anzusprechen. Das bestätigt auch die Bildungswissenschaften-Studentin Victoria Engels von der Universität Heidelberg.
Deutsches Studierendenwerk fordert mehr Mental Health-Angebote
Man brauche relativ lange, so Engels, bis man sich überwinde, sich an die psychosoziale Beratungsstelle zu wenden - und dann sei das Kind meistens schon halb in den Brunnen gefallen. "Und dann kriegt man eine Nachricht: Ja, vielen Dank für Ihre Mitteilung in sechs bis 12 Wochen können wir uns bei Ihnen für einen Termin melden", berichtet die Studentin. Sie hält die langen Wartezeiten für problematisch.
Auf einer Fachtagung in Berlin tauschten sich im November 170 Teilnehmende aus Politik, Hochschulen, Ministerien, Studierendenwerken und Verbänden über die aktuellen Herausforderungen aus. Es braucht mehr Menschen, die sich um die psychische Gesundheit der Studierenden kümmern, auch um Krisen aufzufangen und nicht größer werden zu lassen. Das fordert auch DSW-Präsidentin Schücking. Die vorhandenen Angebote müssten deutlich ausgebaut werden.
Doziernde für psychische Erkrankungen sensibilisieren
Doch auch die Hochschulen selbst müssen ihre Kultur überdenken und besser auf psychisch belastete Studierende eingehen.
Victoria Engels engagiert sich auch in der Studierendenvertretung und berichtet, dass Lehrende oft nicht wissen, wie sie mit Studierenden in einer psychischen Krise umgehen sollen. Da gebe es oft eher ablehnende Reaktionen. Es heiße dann beispielsweise: 'Wenn Sie psychisch krank sind, können Sie nicht studieren oder da kann ich Ihnen jetzt auch nicht weiterhelfen'.
In Vorlesungen und Seminaren werde immer noch häufig Konkurrenzverhalten geschürt, statt einen positiven Zusammenhalt zu fördern. Gerade in den ersten Semestern höre man oft: 'Gucken Sie mal nach Rechts/Links. Gucken Sie mal, wer von Ihnen übrig bleiben wird'.
Den Studierenden Mut machen
Dabei sei laut Victoria Engels es doch viel besser zu sagen:
In Zuge dessen könnten die Erstsemester direkt auf Unterstützungsangebote und andere Aktivitäten aufmerksam gemacht werden. Zum Beispiel Sportkurse. "Man kann ja auch präventiv drangehen und nicht erst, wenn es zu spät ist", sagt Engels.
Neben der Sensibilisierung von Lehrenden können die Hochschulen die Situation auch verbessern, indem sie zum Beispiel weniger Prüfungen verlangen. Denn mit der Prüfungsdichte hat etwa die Hälfte aller psychisch belasteten Studierenden Probleme - so das Ergebnis der jüngsten Befragung.
Wissenschaftsrat empfiehlt weniger Prüfungen
Hier kann zum Beispiel die Möglichkeit, in Teilzeit zu studieren, helfen. Auch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hat sich deshalb für mehr Teilzeit-Studiengänge ausgesprochen, wie HRK-Generalsekretär Jens-Peter Gaul berichtet. Das sei eine Reaktion auf die Veränderung in der Studierendenschaft: Auf die steigende Zahl an psychischen Belastungen, an Careaufgaben, einer höheren Diversität.
Die Prüfungen selbst stehen ebenfalls auf dem Prüfstand. Der Wissenschaftsrat hat empfohlen, dass es insgesamt weniger Prüfungen geben sollte und diese stärker auf die Kompetenzen ausgerichtet werden sollen. Das soll den immer unterschiedlicher werdenden Lebenssituationen der Studierenden gerecht werden. Ein dringend notwendiger Schritt, findet die Präsidentin des Studierendenwerks Schücking: