Ernährung

Zwei neue Apfelsorten speziell für Allergiker

Stand
Autor/in
Stefan Troendle
Onlinefassung
Ralf Kölbel

Etwa drei Millionen Menschen in Deutschland können keine Äpfel essen, weil sie sie nicht vertragen – für einige ist das sogar gefährlich. Gute Nachricht für alle Betroffenen: Ein Zusammenschluss aus Forschern hat zwei besonders allergikerfreundliche Apfelsorten entwickelt und diese jetzt vorgestellt.

Bei den Apfelallergien ist es wie bei Corona, umschreibt Wilfried Schwab von der TU München das Problem: Es gibt sehr viele Varianten.

Die Herausforderung war es eben, hier, möglichst viele Varianten zu erfassen, damit wir möglichst vielen Allergikern letztendlich einen allergikerfreundlichen Apfel anbieten können.

Bestimmte Eiweißstoffe in Äpfeln können Allergien auslösen

Schwab und sein Team haben also die Eiweißstoffe aus Äpfeln isoliert, die die Allergien verursachen und mit einer neuen Analysemethode auch die Menge der Allergene festgestellt. So wurde herausgefunden, welche Äpfel besonders wenig dieser Stoffe enthalten.

In den Laboren von TUM-Prof. Wilfried Schwab in Freising findet die Analysearbeit statt. Hier wird getestet, wie viele Allergene die Apfelproben noch enthalten.
In den Laboren von TUM-Prof. Wilfried Schwab in Freising findet die Analysearbeit statt. Hier wird getestet, wie viele Allergene die Apfelproben noch enthalten.

Diese Sorten wurden dann gezielt für Züchtungen verwendet, erklärt Werner Dierend von der Hochschule Osnabrück. Das ist sehr arbeitsintensiv, zum Beispiel mussten die Blüten handbestäubt werden – mit Pinseln.

Dann wurden die neu gezüchteten Äpfel geerntet, um an die Kerne zu kommen – und diese kamen dann in den Kühlschrank für rund acht Wochen. Das simulierte den Winter in der freien Natur: die Kerne begannen zu keimen. Aus den Keimen enstand dann ein Sämling - eine kleine Pflanze also und: eine neue Sorte.

Solche tiefgefrorenen Proben der neu gezüchteten Äpfel bilden die Grundlage für die Analysen im Labor von Prof. Wilfried Schwab.
Solche tiefgefrorenen Proben der neu gezüchteten Äpfel bilden die Grundlage für die Analysen im Labor von Prof. Wilfried Schwab.

Sämlinge neuer Sorten werden auf bestehende Bäume aufgepfroft

Generell können Sämlinge, wenn sie weiter gewachsen sind, als Ästchen auf schon große Bäume gepfropft werden - das beschleunigt den Prozess, weil man nicht Jahre warten muss, bis ein neuer Baum gewachsen ist.

Die Forscher haben dabei mit Obstbauern von der zusammengearbeitet – in etwa 100 bis 200 Bäume gibt es schon, auf denen die Äpfel für die klinischen Tests gewachsen sind.

Übertragung des Pollens von der Vatersorte
Die Blüten der Muttersorte werden mit Microporenbeutel vor unkontrollierter Bestäubung geschützt. Zur Übertragung des Pollens von der Vatersorte wird der Beutel kurz abgenommen und der Pollen, der sich in einem Reagenzglas befindet, mit einem Pinsel auf die Blüten der Muttersorte übertragen.

Die hat Karl-Christian Bergmann von der Berliner Charité durchgeführt, als Blindstudie, weil zum Vergleich auch andere Äpfel dabei waren: Für die Studie wurden die jeweiigen Symptome der Proband*innen erfasst:

Sie essen zunächst mal nur eine kleine Menge, zum Beispiel 30 Gramm. Und dann halten sie alle 10 Minuten fest: Welche Symptome haben sie irgendwo an Nase, Augen, im Mund, wo auch sonst? Und dann essen sie immer größere Mengen. Sie hören dann auf, wenn sie Symptome haben sollten, die sie als unangenehm empfinden.

Es sind bestimmte, in Äpfeln enhaltene Eiweißstoffe, die bei empfindlichen Menschen Allergien auslösen können.
Es sind bestimmte, in Äpfeln enhaltene Eiweißstoffe, die bei empfindlichen Menschen Allergien auslösen können.

Neue Apfelsorten haben noch keine Namen

Die Versuche liefen über drei Jahre. Und waren so erfolgreich, dass die neuen Apfelsorten die nur die Kürzel ZIN 168 und ZIN 186 aber noch keine Namen haben, schon das europäische ECARF-Siegel für allergikerfreundliche Produkte tragen dürfen – sie waren im Test sogar besser als die Apfelsorte „Santana“, die für Apfelallergiker bisher am besten verträglich ist.

Allergikerfreundliche Apfelsorten I Pressekonferenz 30. März 2022

Neue Sorten wohl erst in sechs bis sieben Jahren auf dem Markt

Nebeneffekt: Allergiker, die diese Äpfel essen, vertragen nach einer Zeit offenbar auch andere Apfelsorten wieder besser, das Essen sorgt also wohl für eine Art Desensibilisierung. Bleibt die Frage, wann diese Äpfel in den Supermarkt kommen. So etwas dauert ein paar Jahre, sagt Ulrich Mayr, zuständig für die Sortenprüfung beim Kompetenzentrum Obstbau Bodensee, weil die Sorten erst vermehrt werden müssen.

Früchte der allergikerfreundlichen Apfelsorte 'ZIN 168'.
Früchte der allergikerfreundlichen Apfelsorte 'ZIN 168'.

Wenn sie die Sorten schon vorstellen, sind mit Sicherheit in der Baumschule schon für die nächste Pflanzsaison fertige Bäume bereit. Nach zwei Jahren hat man dann so den ersten Ertrag. Das sind so drei bis fünf Kilogramm pro Baum in der Regel.

Und dann sind entsprechende Mengen gefragt. 250.000 Bäume wollen die Züchter von der Niederelbe in ein paar Jahren gepflanzt haben und sagen optimistisch: 2026 geht es los. Apfelexperte Mayr schätzt aber: Bis diese Äpfel wirklich zu kaufen sind, dauert es wohl doch eher sechs bis sieben Jahre. Solange müssen sich Allergiker also noch gedulden.

Weitere Tipps für den Übergang

Marina Oppermann, Diplom-Oecotrophologin beim Deutschen Allergie- und Asthmabund rät Betroffenen, beim Ausprobieren neuer Apfelsorten, den Apfel zu erhitzen. Denn das Erhitzen zerstört die Allergene im Apfel. Und von daher könnte man zum Beispiel, wenn man eine neue Apfelsorte ausprobiert, ein Kompott aus dem Apfel machen, so dass es noch Biss hat. Und wenn man das verträgt, könne man diese Kochzeit immer mehr verringern, das heißt immer knackiger sozusagen und sich so herantasten.

Und bevor man den rohen Apfel ausprobiert, könnte man zuerst den Lippen-Test machen, ein Stückchen vom rohen Apfel abschneiden, innen an die Lippe halten, ein bisschen warten. Und wenn dann keine Reizung kommt, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass der Apfel vertragen wird.

Manche reagieren allergisch, wenn Sie in einen Apfel beißen. Verantwortlich sind dafür bestimme im Apfel enthaltene Apfelsorten.
Manche reagieren allergisch, wenn Sie in einen Apfel beißen. Verantwortlich sind dafür bestimme im Apfel enthaltene Eiweiße.
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Autor/in
Stefan Troendle
Onlinefassung
Ralf Kölbel