Ästhetik

Was macht schöne Landschaften aus?

Stand
Autor/in
Gábor Paál
Gábor Paál

Wasser und Vegetation sind attraktiv

Experimentell kann man zeigen, dass Menschen sich vor allem von solchen Landschaften angezogen fühlen, die Wasser und Vegetation enthalten: Die Nähe zu Flüssen, Seen, aber auch zum Meer ist also hochattraktiv. Menschen verbringen gerne Zeit am Wasser. Das zeigt sich auch daran, dass an Seen oder am Meer die Grundstückspreise umso höher sind, je näher die Häuser am Wasser stehen.

Das andere ist Vegetation. Die spielt auch da eine Rolle, wo wir gar nicht über Naturlandschaften reden, sondern z.B. über Städte. Wenn man Leuten Fotos aus Innenstädten zeigt, dann ist der wichtigste Faktor, ob ihnen der Ort gefällt, der Punkt: Gibt es Pflanzen oder nicht?

Man kann spekulieren, dass diese Vorlieben Relikte aus der Evolution stammen: Schließlich waren unsere frühen umherziehenden Vorfahren gut beraten Orte zu suchen, an denen es Wasser gab und Vegetation, sodass sie zu Essen und zu Trinken hatten. 

Ideal: halboffene Parklandschaften

Stellt sich die Frage: Welche Art von Vegetation? Denn zumindest in unseren Breiten wächst ja praktisch überall etwas, wo es keine Städte gibt. Vegetation allein sagt also noch relativ wenig. Soll es Wald sein? Oder lieber Wiese?

In den 1980er-Jahren gab es dazu Untersuchungen. Die kamen zu dem Ergebnis, dass es die Mischung macht. Optimal sind also halboffene Parklandschaften, in denen es ein paar Bäume oder Wald gibt, aber daneben auch offene Flächen mit freier Sicht. Dass Parklandschaften so gestaltet werden – dass sie offene und geschlossene Elemente kombinieren – ist ein Beleg dafür, dass Menschen das mögen.

Auch hierzu gibt es verschiedene Ideen, warum das so ist. Eine Theorie aus den 1980er-Jahren behauptete, der Mensch würde in diesen Parklandschaften seine Urheimat wiedererkennen, die ostafrikanische Savanne. Diese Hypothese kursierte als "Eden-Theorie" – Parklandschaften seien sozusagen die paradiesische Urlandschaft des Menschen.

Beweisen lässt sie sich das allerdings nicht – und es spricht auch einiges dagegen: Der Mensch hat sich ja in den letzten hunderttausend Jahren über die Erde ausgebreitet und sich allen möglichen Natur­räumen angepasst, auch genetisch. Die Hautfarbe hat sich verändert, die Behaarung. Aber gleichzeitig sollen wir noch immer eine gene­tisch vererbte Vorliebe für Savannenlandschaften in uns tragen, nur weil unsere frühen Vorfahren da vor mehr als 100.000 Jahren gelebt haben? Das klingt unwahrscheinlich.

Wichtig: Überblick und Rückzugsraum

Man kann diese Vorliebe auch gut anders erklären. Genau diese Landschaften, die offene und geschlossene Elemente kombinieren, verbinden zwei Bedürfnisse: Nämlich das Bedürfnis, eine Übersicht zu haben, weiter zu gucken als nur bis zum nächsten Baum. Gleichzeitig aber auch einen Rückzugsraum zu haben, der ein Stück Geborgenheit vermittelt. Flächen, die nach allen Seiten offen sind, empfinden wir oft als wüst und leer. Umgekehrt ist es nicht so reizvoll, mitten im Wald zu stehen, wo es gar keinen offenen Blick gibt. Als schön da­gegen empfinden wir Gebirgsperspektiven mit weitem Blick ins Tal, aber verschlossener Perspektive zum Hang. Oder offene Flächen mit vereinzelten Baumgruppen, Oder einen Küstensaum, an dem man einen Blick aufs offene Meer hat, und zugleich das Fest­land, in Form von Dünen oder Klippen, im Rücken.

Der US-amerikanische Geograph Yi Fu Tuan hat mal von einer Kombination aus Space und Place gesprochen. Space bezeichnet im englischen einen offenen Raum, Place dagegen ist eher ein "Ort mit geschlossenen Perspektiven".  Und Yi Fu Tuan sagte: "Place is security, space is free­dom". Also: Die geschlossenen Perspektiven stehen für Sicherheit und den "eigenen Raum", die offenen Perspektiven stehen für Freiheit.

Wasser, Vegetation und die Kombination aus Space und Place – das sind also Landschaftsmerkmale, die Menschen überall auf der Welt gefallen. Daneben kommt es natürlich auch darauf an, was wir mit einer Landschaft verbinden, welche Erinnerungen wir mit ihr verknüpfen. Das ist individuell unterschiedlich.

Wüste und Antarktis: faszinierend, aber nicht alltagstauglich

Außerdem muss man immer den Kontext sehen: Viele Menschen faszinieren zum Beispiel Wüsten oder die Antarktis. Oder das Hochgebirge. Aber diese Landschaften sind vor allem toll, um mal dort gewesen zu sein und zum Fotografieren. Richtig heimelig, um dort zu leben nett spazieren gehen sind sie dann aber doch nicht.

Sanddünen in der Sahara  Marokko
Sanddünen in der Sahara / Marokko

Und es gibt Landschaften, die toll aussehen, wenn man von oben draufguckt, zum Beispiel aus dem Flugzeug. Aber nicht unbedingt, wenn man mitten drin ist.

Hirnforschung Was ist der Unterschied zwischen Schönheit und Attraktivität?

Attraktivität hat mit Symmetrie zu tun, die Entscheidung fällt unbewusst und hat mir Partnerwahl und Evolution zu tun. Der Schönheitsbegriff dagegen ist umfassender. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Geografie Ist der Pegel eines Flusses an der Innenseite einer Biegung höher als an der Außenseite?

Flüsse sind, vor allem in Biegungen, asymmetrisch. Welche Folgen hat das? Von Gábor Paál | Dieser Beitrag steht unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Wissenschaft Bekommen attraktive Eltern häufiger Mädchen?

Es gibt tatsächlich eine Studie, die behauptet, dass attraktive Eltern häufiger Mädchen bekommen. Sie ist allerdings sehr umstritten. Von Gábor Paál | Dieser Beitrag steht unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Psychologie Wie Natur auf unsere Psyche wirkt – Wohlfühlen im Wald

Gärtnern oder durch Wald und Wiesen streifen kann helfen, psychische Erkrankungen zu behandeln. Allein schon die Zahl der Bäume vor der Haustür senkt das Risiko für Depressionen.

SWR2 Wissen SWR2

Derzeit gefragt

Optik Warum scheinen sich Räder manchmal rückwärts zu drehen?

Wissenschaftler sprechen hier von der "Wagon Wheel Illusion", also der Wagenrad-Illusion. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Motorik Warum gibt es mehr Rechtshänder als Linkshänder?

Obwohl es so ein alltägliches Phänomen ist, hat die Wissenschaft noch keine Ahnung, warum sich die rechte Hand durchgesetzt hat. Und sie weiß noch nicht einmal, wie man überhaupt zum Linkshänder wird. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Redewendung Woher kommt der Ausdruck "okay"?

Interessant ist, dass es wohl kein anderes Wort gibt, das international so verbreitet ist. Denn  "okay" hört man nicht nur in den USA, sondern weltweit. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Geografie Warum werden manche Seen als "Meer" bezeichnet und umgekehrt?

Ursprünglich haben beide Wörter "See" und "Meer" das gleiche bedeutet, und dann haben sie im Süden und Norden jeweils unterschiedliche Spezialbedeutungen angenommen. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Sprache Warum heißt New York auch "Big Apple"?

Die Stadt aus den USA New York wird auch Big Apple genannt. Warum ist das so? Die früheste Quelle stammt aus dem Jahr 1909. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Tiere Was treibt Hamster ins Hamsterrad?

Der Bewegungsdrang. Wilde Goldhamster müssen in der freien Natur ziemlich viel laufen: um Nahrung zu suchen, auf der Flucht vor Feinden oder auf der Suche nach einem Partner. Von Gábor Paál | Dieser Beitrag steht unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Gesundheit Mit dem Rauchen aufhören: Wann ist der Körper wieder auf Nichtraucherniveau?

Das Rauchen hat viele Auswirkungen auf den Körper. Manche verschwinden, wenn man aufhört, schneller, andere brauchen länger. Recht schnell verschwinden die unmittelbaren Symptome, also der Raucherhusten und die Kurzatmigkeit. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.