Geschichte

Exodus: Gab es den Auszug aus Ägypten wirklich?

Stand
Autor/in
Wolfgang Zwickel

Die Archäologen Israel Finkelstein und Neil Asher Silberman sagen, dass der Auszug aus Ägypten in der in der Bibel geschilderten Form nie stattgefunden hat. Was ist da dran?

Audio herunterladen ( | MP3)

Ich denke, es gab den Auszug; die Frage ist, in welcher Form der stattfand.

Die Texte entstanden in der Zeit um 600 bis 650 v. Chr., also mit rund 600 Jahren Abstand zu den geschilderten Ereignissen. Es sind also eher fiktive Texte darüber, wie man sich die Frühgeschichte Israels vorgestellt hat. Die hat man sich so vorgestellt, wie man das durch die Assyrer in dieser Zeit erlebt hat, nämlich als kriegerische Landnahme.

Historische Fakten zum Auszug aus Ägypten

In der Zeit des 14., 13. Jahrhunderts gab es einen völligen Zusammenbruch der damaligen Gesellschaft. Das hat mehrere Gründe. Es gab eine Klimakatastrophe und zeitweise sehr geringe Niederschläge. Der Wasserspiegel des Toten Meeres ist in dieser Zeit so extrem gesunken wie noch nie. Die Klimakatastrophe führte dazu, dass viele Städte aufgegeben werden mussten.

Dazu kamen innere Unruhen. Das ist verständlich, denn wenn Menschen keine ausreichenden Verdienste mehr haben, überfallen sie Händler. Das führt mittelfristig zum Zusammenbruch des Handels und zur weiteren Entvölkerung der Städte.

Es sind damals viele Leute nach Ägypten abgewandert, das können wir anhand semitischer Personennamen in ägyptischen Texten nachweisen. Die Ramsesstadt, die in Exodus 1 erwähnt wird, ist in dieser Zeit von Pharao Ramses II. groß aufgebaut worden. Da waren sicher auch Arbeitskräfte – Gastarbeiter – aus Palästina bzw. dem späteren Israel dabei.

Aus Stadtstaaten wird allmählich ein Flächenstaat

Die Leute kehrten aber wieder zurück und wir können feststellen, dass es in dieser Zeit um 1200 eine völlige Neustrukturierung gab. Vorher hatten wir lauter weitgehend autarke Stadtstaaten. Die sind zusammengebrochen und stattdessen entstand im Verlauf von 200 Jahren ein Flächenstaat. Es entstand ein lockeres Bündnis verbündeter Stämme.

Es fand kein organisierter Auszug statt

Es handelte sich also nicht um einen organisierten Auszug. Das ist bereits eine sehr alte Erkenntnis: Wenn man sich die Zahlen anschaut, die im Numeri-Buch stehen, und sich vorstellt, die Leute wären in Fünferreihen ausmarschiert, dann sind die ersten schon in Palästina, während die letzten sich noch in Ägypten befinden. Das funktioniert nicht.

Geopolitik Wie entstand der Gazastreifen als politisches Gebilde?

Schon beim Blick auf die Landkarte wirkt der Gazastreifen merkwürdig. Ein kleiner schmaler Küstenstreifen, eingekapselt zwischen Israel und Ägypten. Wie entstand dieses Gebiet? Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Stereotype Wann ist Israelkritik antisemitisch?

Kritik an konkreten Handlungen ist legitim. Mithilfe der 3-D-Regel lässt sich prüfen, unter welchen Bedingungen Israelkritik antisemitisch ist. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Bibel Wie sah die Harfe von König David aus dem Alten Testament aus?

Von der antiken Harfe gibt es bildliche Darstellungen, auch in der Literatur des Mittelalters. Wie müssen wir uns das Instrument vorstellen? Von Conny Restle

Sprache Woher kommt das Wort "Tohuwabohu"?

Das Wort kommt aus der hebräischen Bibel, also dem "Alten Testament“, und zwar aus dem zweiten Satz. Der erste lautet bekanntlich: Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde. "Bereschit bara Elohim et haSchamaim we‘et ha‘arez“, und dann geht es gleich weiter: va ha‘arez hajita tohu vavohu. Und die Erde war wüst und leer. Dieses "wüst und leer“ ist somit nichts anderes die Lutherübersetzung des biblischen "Tohuwabohu“ ("b“ und "v“ werden im Hebräischen durch den gleichen Buchstaben dargestellt)
"Tohu“ bedeutet so viel wie "leer“, "vohu“ entspricht dem deutschen Begriff öde oder eben wüst. Und das "wa“ heißt einfach nur "und“. Also eigentlich steht da, strenggenommen nicht: Die Erde war wüst und leer, sondern umgekehrt: leer und wüst. Aber die Freiheit hat sich Luther genommen.
Diesen Ursprung des Ausdrucks kennen heute viele nicht mehr – heute ist Tohuwabohu einfach ein Synonym für Chaos – was ja in der Bibel auch gemeint war: Die Welt war völlig unsortiert. Es gab keine Trennung von Land und Wasser, noch nicht einmal von Licht und Finsternis. Das war das Tohuwabohu der Bibel.
Sprachlich interessant ist auch, dass der Bibeltext zwei klanglich ähnliche Wörter verwendet, eben "tohu“ und "bohu“. Das ist ein sprachliches Stilmittel, ein "Homoioteleuton“ – das kennen wir im Deutschen auch in Ausdrücken wie: "Klein, aber fein“, "richtig und wichtig“, "Lug und Trug. Aber diesen Gleichklang von Tohuwavohu ins Deutsche zu übertragen, das hat selbst der sprachverliebte Martin Luther nicht geschafft. Auf "wüst“ reimt sich nun mal nichts Passendes. Wenn man es drauf anlegt, könnte man texten: Die Erde war öde und schnöde … aber das trifft nicht wirklich den Zustand des Tohubabohu. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Stand
Autor/in
Wolfgang Zwickel

Derzeit gefragt

Redewendung Man sagt: "Das kommt mir spanisch vor." Warum nicht italienisch oder französisch?

Als Karl V. im Jahr 1519 zum König von Deutschland gewählt wurde, zog er mit seinem spanischen Hofstaat nach Deutschland. Zur Verwunderung der Deutschen. Karl sprach nicht gern Deutsch und wenn, dann nur mit seinem Pferd. Von Rolf-Bernhard Essig

Hygiene Wie sollte man Perlatoren und den Duschkopf reinigen?

Kalk ist eine gute Grundlage für mikrobielles Wachstum und schafft eine große Oberfläche. Mit der Säure, die man benutzt, um den Kalk wegzumachen, holt man die Mikroben heraus. Von Markus Egert | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Redensart Warum haben Adelige "blaues Blut"?

Der Ausdruck "blaues Blut" hat seinen Ursprung wohl in Spanien ("sangre azul"). Das hat mit den Adern zu tun, die bläulich durch die Haut schimmern. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Zeitmessung Warum hat der Tag zwei mal zwölf Stunden?

Bevor es künstliches Licht gab, waren Tag und Nacht für die Menschen getrennte Welten. Aber wie konnte man nachts die Zeit überhaupt einteilen? Von Britta Wagner und Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Redewendung Woher kommt die Redewendung "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing"?

Minnesänger zogen früher von Hof zu Hof, um mit Singen für ihren Unterhalt zu sorgen. Und da war es besser, den Grafen oder Fürsten, dem der Hof gehörte, nicht zu verärgern. Von Rolf-Bernhard Essig

Linguistik Wie hat sich die Grammatik von Sprachen entwickelt?

Die Sprachentwicklung sieht man anhand von Spuren. Die Vergangenheitsform lautete zum Beispiel früher: "Ich reden tat", die heute zu dem Wort "redete" mit Endung verschliffen ist. Von Gábor Paál. Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Sexualität Wie entsteht Homosexualität?

Eine endgültige Erklärung gibt es noch nicht, aber es sieht so aus, dass Homosexualität zwar in gewisser Weise angeboren ist, aber trotzdem nicht direkt vererbt wird. Von Gábor Paál | Dieser Beitrag steht unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Wetter Warum hagelt es meistens tagsüber und nicht nachts?

Theoretisch kann es zwar nachts hageln, aber es ist in der Tat eher selten. Hagel entsteht völlig anders als Schnee. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.