Trotz vieler Krisen in der Branche ebbt die Nachfrage nach Autos bei Verbrauchern nicht ab. Bei Volkswagen gibt es zwar Werkschließungen, bei Ford baut man Stellen ab und auch die Wende in der Elektromobilität stockt.
Aber Menschen sind weiterhin auf Autos angewiesen – egal ob auf dem Land oder in der Stadt. So wie auch Sozialpädagogin Julia Stöcker aus Gummersbach im Bergischen Land. Sie sucht auf unterschiedlichen Portalen im Netz nach einem Kleinwagen. Ihr Budget liegt bei 15.000 Euro.
Da E-Autos meist zu teuer sind, dominieren bei den Neuwagenzulassungen immer noch Benziner, Diesel und Hybride. Mehr noch: Neue Autos sind generell so teuer geworden, dass sie sich viele Menschen gar nicht mehr leisten können.
Warum sind Gebrauchtwagen so teuer?
Und selbst bei Gebrauchtwagen sind die Preise laut ADAC in den vergangenen zehn Jahren um 100 Prozent gestiegen. Das liegt zum einen daran, dass hohe Preise der Neuwagen inflationsbedingt einfach an gebrauchte weitergegeben werden. Und zum anderen an Angebot und Nachfrage. Fazit: Gute, zuverlässige Gebrauchtwagen sind schwer zu finden.
Für Julia Stöcker gibt es viele Optionen für ihre Suche: Vertragshändler, Auto-Discounter, freier kleiner Händler oder Privatkauf. Sie schaut sich zunächst einen Renault Clio beim Vertragshändler in Köln an: Ein Jahr alt, Ein Vorbesitzer, 16.600 Kilometer gelaufen, Preis 15.990 Euro.
Gebrauchtwagen-Check beim ADAC sinnvoll?
Nach der Probefahrt macht sie für 200 Euro beim ADAC einen Gebrauchtwagencheck: Hier wird der Wagen akribisch untersucht: Karosserie, Bremsen, Stoßdämpfer, Motor, Fehlerspeicherabfrage.
ADAC-Experte Heinz-Gerd Lehmann erklärt, warum das Sinn machen kann: "Da kann man sich vergewissern, dass auch an noch ziemlich jungen Fahrzeugen nicht herumgeschraubt wurde. Mit Lackprüfern messen wir die Lackdichte am ganzen Fahrzeug, um festzustellen, ob schon mal ein Unfallschaden nachlackiert wurde", sagt der Fachmann. Denn die meisten Gebrauchtfahrzeuge würden von den Verkäufern natürlich "unfallfrei" angeboten werden.
Gebrauchtwagen bei Dat Autohus
Der Wagen ist laut ADAC-Check völlig in Ordnung, doch die Farbe passt Julia Stöcker nicht. Also sucht sie weiter und wird schnell anderweitig fündig: Sie entdeckt zwei Angebote bei einem der größten Auto-Discounter Europas im Norden Deutschlands.
"Dat Autohus" bietet an zwei Standorten, in Bremen und Bockel, mehr als 3.000 gebrauchte Autos an – allerdings ohne Verkaufsberatung. Die Interessenten informieren sich per QR-Code auf ihrem Smartphone vor Ort über die Historie, bevor sie dann auf dem Werksgelände eine kleine Probefahrt machen können.
Leasingrückläufer und ehemalige Mietwagen: Vorsicht vor versteckten Kosten
"Das sind Leasingrückläufer, auch Mietwagen, alles Fahrzeuge so in der Regel zwei, drei, vier Jahre alt, die in irgendwelchen Firmenflotten gefahren sind und dann von uns in großen Paketen übernommen werden", erklärt Vertriebsleiter Ulf Schnackenberg das Prinzip.
Die Fahrzeuge checke hier vor Ort die Dekra. Interessenten könnten für 798,00 Euro ein Servicepaket erwerben, inklusive Mängelliste, zwei Jahre TÜV, Abgas-Sonderuntersuchung und einer einjährigen Gebrauchtwagengarantie.
Die Preise können so aber schnell steigen: Der Golf, für den sich Julia Stöcker interessiert, hat 65.000 Kilometer auf dem Tacho und soll 15.380 Euro kosten. Aber wenn man das Servicepaket, zwei neue Reifen und eine Neulackierung der von Kratzern übersäten Motorhaube beachtet, würde der neue Preis dann auf 17.980 Euro ansteigen.
Re-Import Opel Corsa aus Tschechien
Julia Stöcker gibt nicht auf, schaut sich weiter um und hört von einem Autohaus in Bayern. Dort wird ein schwarzer Opel Corsa, Baujahr 2023, angeboten: Mit weniger als 150 Kilometern für 15.540 Euro. Ein Tippfehler? Nein, ein sogenannter Re-Import aus Tschechien.
Inhaberin Jennifer Schottenhammer vom Autozentrum Franken in Forchheim erklärt: "Der hat eine ausländische Tageszulassung und ist dann zu uns nach Deutschland gekommen ohne Kilometer. Er wurde nur vom Werk bewegt, ansonsten nicht gefahren."
Mit Re-Importen kann man beim Autokauf gegenüber Neuwagenpreisen bis zu 45 Prozent einsparen. Das geht manchmal allerdings zu Lasten der Ausstattung, wie auch Jennifer Schottenhammer selbst sagt: "In manchen Ländern gibt es keine Schiebedächer, was man in Deutschland vielleicht bestellen kann."
Eine ausländische Bedienungsanleitung könne das Autohaus durch eine deutsche ersetzen.
Re-Importfahrzeuge haben wie Neuwagen eine Herstellergarantie. Im Falle des Opel Corsa beträgt sie zwei Jahre. Julia Stöcker findet das Angebot so attraktiv, dass sie zu einer Probefahrt nach Franken aufbrechen will.
Gebrauchtwagen kaufen: Keine Garantie bei Privatkäufen
Viele gebrauchte Autos werden aber auch auf dem Privatmarkt verkauft. Und je älter sie sind, desto höher die Wahrscheinlichkeit von Macken, die nicht sofort zu erkennen sind.
Deswegen rät der ADAC-Mann Heinz Gerd Lehmann: "Beim Privatkauf hat der Käufer keine Garantie, keinen Gewährleistungsanspruch. Er kauft wie gesehen und gibt es später Probleme, ist der Verkäufer dafür nicht mehr haftbar zu machen." Insofern habe man beim Privatkauf immer ein hohes Risiko für Folgekosten und sollte auf jeden Fall jemanden zu einer Probefahrt mitnehmen, der vom Fach sei.
Tipps vom ADAC bei zu hohen Preisen
Wer einen Gebrauchtwagen sucht und von den hohen Preisen abgeschreckt wird, hat Optionen sich der Preisspirale zu entziehen. Hier die Tipps vom ADAC:
- Kompromisseeingehen: Je flexibler man bei Farbe, Ausstattung, Motor oder Getriebe ist, desto höher die Chance ein günstiges Angebot zu finden. Gerade farbenfrohe Autos sind häufig günstiger als schwarze oder graue.
- Anderes Modell suchen: Es lohnt sich jenseits der Bestseller auf Suche zu gehen. Um Stärken und Schwächen eines Modells herauszufinden, am besten Autotests und Gebrauchtwagenbewertungen von seriösen Institutionen zu Rate ziehen.
- Carsharing nutzen: Wer nicht gerade auf dem Land wohnt, sollte auch mal kritisch hinterfragen, ob er oder sie in einer Großstadt überhaupt ein Auto besitzen muss. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Angeboten wie Cambio, Drive Now, Miles und ähnliche und natürlich auch noch öffentliche Verkehrsmittel. Oder die Möglichkeit für eine bestimmte Fahrt, ein Auto anzumieten über eine Mietwagenfirma.
Die wichtigsten Kauf-Kriterien
Wer allerdings unbedingt ein eigenes Auto braucht, sollte beim Kauf eines älteren Fahrzeugs ganz allgemein beachten:
- Das Auto kritisch unter die Lupe nehmen, am besten mit einem Fachmann/einer Fachfrau
- Auto-Datenbanken nutzen, um Informationen zum Wunschauto zu finden und auch die typischen Störungen sowie die häufigsten Pannenursachen je Modell und Jahrgang zu erfahren
- Das Fahrzeug vor Abschluss eines Kaufvertrags fachmännischüberprüfen lassen: Das kann in der Werkstatt des Vertrauens sein, bei einem DEKRA-Prüfzentrum oder bei einem ADAC-Gebrauchtwagen-Check
- Alle Wartungsnachweise beziehungsweise alle Belege für durchgeführte Reparaturen zeigen lassen
- Alle zugesicherten Angaben des Verkäufers im Kaufvertrag festhalten lassen
Gebrauchtwagenkäuferinnen und -käufer unterscheiden sich in ihrer Herangehensweise beim Autokauf mitunter stark von Neuwagenkäufern. Sie schauen mehr auf den Nutzwert statt auf Design und entscheiden nach praktischen und nicht unbedingt emotionalen Aspekten. Die wichtigsten Kaufkriterien für Gebrauchtwagenkäufer laut einer ADAC-Studie sind:
Zuverlässigkeit, Unfallfreiheit, Anschaffungspreis, Kraftstoffverbrauch, Ausstattungsumfang, Aussehen/Design, wenig Vorbesitzer, Automarke, niedriger Kilometerstand, Versicherungskosten und Garantieumfang. Heutzutage ist es nicht unüblich, dass es mehrere Monate dauert, bis ein Gebrauchtwageninteressent das passende Auto für sich gefunden hat.