Junger Dokumentarfilm

Anwärter - Ausbildung in Stammheim

Stand

Ein Film von Adrian Huber und Jasmin Astaki-Bardeh

Idyllisch gelegen zwischen weitläufigen Feldern ragt der alte Trakt der Justizvollzugsanstalt in Stammheim empor. Fast 800 Inhaftierte leben zurzeit hinter den Mauern des Untersuchungsgefängnisses. Nur wenige Meter vor der Außenmauer entfernt befinden sich das Internat und die Ausbildungsschule der angehenden JVA-Beamt*innen des Landes Baden-Württemberg.

Verwahrungs- oder Behandlungsvollzug?

Auch Udo, ein pensionierter JVA-Beamter, lebt noch immer neben der Mauer - in einer der ehemaligen Dienstwohnungen der Anstalt. 1975 hat er im Strafvollzug angefangen. Mit 18 Jahren - „Zu früh eigentlich,“ sagt Udo heute. Der Umgangston in den Siebziger Jahren war rau – Verwahrungsvollzug stand vor Behandlungsvollzug. „Mir hat ein Kollege mal gesagt, das sind alles Spitzbuben, alle sind Verbrecher, und da stehst du dann da als Achtzehnjähriger, junger Beamter, möchtest Sozialarbeit leisten, aber bist eigentlich dazu da – zur damaligen Zeit – eher zu verwahren und die Leute wegzusperren.“

Paradigmenwechsel im Strafvollzug

Seit 1966 werden an der Pflugfelder Straße Beamt*innen für den Strafvollzug ausgebildet. In den ersten Monaten an der Schule leben die „Anwärter“ zusammen im „Internat“. Gemeinsam sind sie in Doppelzimmern untergebracht, mit Blick auf den Innenhof des alten Trakts der JVA. Im Verlauf ihrer Ausbildung werden sie auf den zukünftigen Gefängnisalltag vorbereitet. Seit Gründung der Schule hat sich einiges in der Vollzugspraxis verändert. In verschiedenen Unterrichtseinheiten und Übungen sollen Demokratieverständnis, soziale Kompetenzen und Umgangstechniken mit Inhaftierten geschult werden.

In Rollenspielen für die Praxis lernen

Heinz Brüche und Stefan König, zwei Ausbilder der Schule, wissen aus eigener Erfahrung, was auf die Anwärter*innen zukommen kann. „Es gibt Gefangene, die buhen dich aus“, sagt Stefan König. Schließlich gebe es auch bei Beamt*innen ab und zu eine Träne. In Rollenspielen müssen die jungen Anwärter*innen sich behaupten – und versuchen, komplexe Situationen des Gefängnisalltags zu meistern. Dafür denken sich die TrainerInnen „Worst-Case“- Gefängnisszenarien aus und schlüpfen selbst in die Rolle der Gefangenen. Die Anwärter*innen sollen dabei für die eigene Selbst- und Fremdwahrnehmung sensibilisiert werden. Laut Herrn König sind es oft die kleinen Gesten, die einen entscheidenden Unterschied machen.

Respekt auf beiden Seiten

Einer der Anwärter*innen merkt an: „Ich schenke jedem Respekt. Behandle jeden menschlich. Und genau das erwarte ich von denen auch. Also, ich sag mal, dieses Zwischenmenschliche. Es sind immer noch Menschen. Das muss in den Vordergrund rücken, die haben was verbrochen, richtig, genau... Aber da entscheide ich nicht und auch meine Kollegen nicht. Das machen die Richter. Deswegen behandle ich einfach jeden menschenwürdig und professionell.“ Zwischen den Unterrichtseinheiten wird eine obligatorische Zigarettenpause eingelegt und die Auszubildenden berichten von ersten Eindrücken und erzählen von ihrer Motivation hier anzufangen – Angst vor einem Leben hinter Gittern haben sie keine.

Blick hinter die Gefängnismauern

„Anwärter - Ausbildung in Stammheim" wirft aus einer ungewöhnlichen Perspektive einen Blick hinter Gefängnismauern und auf die Beziehungen zwischen Inhaftierten und Vollzugsbediensteten.

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Autor/in
SWR