Das Wichtigste im Moment scheint mir zu sein: Da bleiben! Auch dann über das Ahrtal und aus der Region berichten, wenn die Gedenkveranstaltungen vorbei sind, wenn sich die Aufmerksamkeit wieder den vielen anderen Themen zuwendet, die das Land und die Welt zurzeit bewegen. Für den SWR als regional verankertes Medienhaus ist es eine Selbstverständlichkeit, den Prozess der Aufarbeitung und des Wiederaufbaus zu begleiten. Dabei müssen wir die Balance finden zwischen Empathie gegenüber den Betroffenen auf der einen Seite und kritischer Distanz zum Berichtsgegenstand auf der anderen Seite.
Von einem wirtschaftlich und politisch unabhängigen Medienhaus erwarten die Menschen eine kritische Analyse der Flutkatastrophe und ihrer Folgen: Welche Faktoren haben zur Katastrophe geführt? Was lief schief im Katastrophenmanagement? Wurde den Menschen seitdem die angemessene Hilfe zuteil? Wie kommt der Wiederaufbau voran? Wo hakt es immer noch? Diesen Fragen geht der SWR nach, vorbehaltlos, kritisch, aber nie rechthaberisch.
Die kritische Analyse darf das eigene Tun nicht außen vor lassen. Hat der SWR bei dieser Katastrophe richtig reagiert? Ich sage offen: In den ersten Stunden der Flut hätten wir besser sein können. Auf allen Kanälen hätten wir das Ausmaß der Katastrophe früher thematisieren sollen. Und so begleitet mich bis heute die Frage, ob wir die Menschen früher hätten alarmieren können und auf diese Weise vielleicht sogar dazu beitragen können, menschliches Leid zu verhindern. Diese Frage bleibt und begleitet uns. Sie hat uns angetrieben sicher zu stellen, dass wir in den ersten Stunden eines Unglücks schneller werden. Wir haben die Besetzung in der Nacht verstärkt, interne Meldeketten verbessert und wir arbeiten an einer Unternehmenskultur, bei der wir anfangs lieber etwas zu viel als zu wenig machen.
Heute ist ein Tag, an dem ich bei aller Selbstkritik auch dankbar und demütig auf das schaue, was meine Kolleginnen und Kollegen bei der Berichterstattung aus dem Ahrtal im ersten Jahr nach der Katastrophe geleistet haben. Wir haben unsere Solidarität mit den Menschen deutlich gemacht, ohne uns ihnen aufzudrängen oder reißerisch auf ihre persönlichen Geschichten zu schauen. Wir bleiben den Kriterien des Qualitätsjournalismus verpflichtet. Daran muss sich ein öffentlich-rechtliches Medienhaus messen lassen. Heute verneige ich mich vor den Opfern, den Betroffenen und den Tausenden von Helferinnen und Helfern. Den Menschen im Ahrtal gebe ich das Versprechen: Wir bleiben da!
Ihr Kai Gniffke