Der Maulwurf ist ein "Erdwerfer"
Der Name Maulwurf hat nichts mit Maulen oder Meckern zu tun. "Maul" kommt vom altdeutschen Wort für Humus: "Molte". Der "Maulwurf" ist also ein "Erdwerfer", der zwar schlecht sieht, dafür aber umso besser gräbt und den Aushub seiner Erdarbeiten auf große Haufen schiebt.
Seine Vorderbeine sind zu kräftigen Grabschaufeln umgebildet. Mit ihnen kann der samtschwarze Turbobuddler das Zwanzigfache seines Körpergewichtes an Erde bewegen, erklärt der Karlsruher Biologe Mario Ludwig. Das heißt, in einer Nacht schafft er 40 Meter an Tunnel, das wären 400 Meter für einen Menschen.
Der Maulwurf reißt mit seinen Grabschaufeln mühelos die Erde auf. Und schraubt seinen walzenförmigen Körper wie einen Bohrer mindestens einen halben Meter tief in den Boden. Dort gräbt er sich sein unterirdisches Reich: Gänge, die zum Teil so eng sind, dass der Maulwurf einen Purzelbaum machen muss, wenn er die Laufrichtung ändern will. Er legt einen weich gepolsterten Wohnkessel und frostfreie "Frischfleischspeisekammern" mit angebissenen Regenwürmern an.
Stille Flucht
Manchmal gelingt es einem Regenwurm, in der Speisekammer die verstümmelten Körperteile neu zu bilden. Und wenn im Frühling die Temperaturen unter der Erde steigen, flieht er heimlich, still und leise aus dem Maulwurfsbau.
Nicht nur vom Maulwurf, auch vom Menschen wird der Regenwurm gerne unterschätzt. Er ist ein ausgezeichneter Tunnelgräber und geschätzter Kollege aller Gärtner. Keiner lockert und belüftet den Boden so geschickt wie er. Nebenbei zersetzt er auch noch Blätter und Wurzelreste und mineralisiert die Erde.
Anders als die Wohnhöhlen der Feldhamster sind die Tunnel des Regenwurms reine Nahrungsgänge, also Gänge, die nur entstehen, weil er Futter sucht. Sie bringen ihm sonst gar nichts und sind auch nicht sonderlich stabil. Nach einiger Zeit stürzen sie wieder ein und verschwinden.
Aushamsterung
In der Zuchtstation im Heidelberger Zoo sollen sich die vom Aussterben bedrohten Feldhamster möglichst zahlreich fortpflanzen. Keine leichte Aufgabe, denn die Tiere sind von Natur aus Einzelgänger. Jeder Feldhamster hat seinen eigenen Bau, in dem er kein anderes Tier duldet. Nur wenn die Weibchen wirklich paarungsbereit sind, ertragen sie ein Männchen kurzzeitig in ihrer Nähe. Wenn nicht, wehren sie es mit lautem Fauchen und durchaus auch mit heftigem Beißen ab.
Die Biologin Lisa Heimann hat in drei Käfige jeweils ein Feldhamsterweibchen und ein -männchen gesetzt. Die Tiere sind nach Stammbuch und Erbgut genau ausgewählt, um Inzucht zu vermeiden und das genetische Profil der Tunnelbauer zu erweitern.
Denn die letzten deutschen und europäischen Feldhamster-Vorkommen haben keine Verbindung mehr zueinander, können ihre Genetik damit nicht mehr auffrischen und leben quasi auf Inseln in ansonsten hamsterfreien Gebieten.
Strenge Einzelgänger
Dass sich die ausgewählten Hamster allerdings wirklich miteinander paaren, ist alles andere als sicher. Schon wenn sie sich nur dulden, ist das ein gutes Zeichen, findet Lisa Heimann. Zwei Tiere beginnen sogar, die Köpfchen aneinander zu reiben. Mehr passiert an diesem Tag aber nicht. Die Tiere dürfen nach den ersten, leidlich gelungenen Annährungsversuchen zurück in ihre Behausungen. Am nächsten Tag wird weiter für die Fortpflanzung geprobt.
Niemand hätte noch in den 70er-Jahren damit gerechnet, dass der heimische Feldhamster um ein Haar wie etliche andere Tunnelbauer, nicht nur von der Erdoberfläche, sondern ganz verschwunden wäre.
Während der Fortpflanzungszeit lebt ein Weibchen mit seinen Jungen etwa drei bis vier Wochen gemeinsam in einem Bau. Dann ist die Mutter normalerweise wieder schwanger und verjagt ihren ersten Wurf. Die Jungtiere müssen sich dann entweder etwas Eigenes graben oder einen leer stehenden Bau beziehen.
Unterirdische Wohngebiete
Auch Dachse geben ihre Bauten übrigens von Generation zu Generation weiter und erweitern sie nach Bedarf. Wenn der Mensch sie nicht zerstört, können Dachsbauten mehrere hundert Jahre alt werden und auch deutlich mehr als 100 Ein- und Ausgänge haben.
In ähnlich ausgeklügelten Tunnelsystemen wie europäische Feldhamster leben auch die nordamerikanischen Präriehunde, typische Tiere des "Wilden Westens". Anders als der eigenbrötlerische Feldhamster sind die mit dem Murmeltier verwandten Präriehunde sehr familienfreundlich. In jedem Bau leben durchschnittlich 25 Tiere.
Nur erwachsene Männchen müssen nach der Pubertät ausziehen und ihren eigenen Haushalt gründen. Und wo ließe sich besser bauen, als Tür an Tür mit der Großfamilie? Oft grenzen Präriehund-Neubauten mit Wohn-, Schlaf- und Kinderzimmern, Toiletten und Vorratskammern direkt ans elterliche Grundstück. Dadurch können sich fünf Meter unter der Erde im Lauf der Zeit regelrechte Millionen-Städte bilden.
Ein Vogel unter der Erde?
In viele leere Präriehundbauten sind inzwischen andere Nachmieter eingezogen. Die Kanincheneule zum Beispiel, die – völlig untypisch für einen Vogel – ihre Jungen unter der Erde aufzieht. Ihre natürlichen Feinde sind die gleichen wie die der Präriehunde: Kojoten, Wölfe, Greifvögel oder Schlangen. Um sie zu verjagen, gibt die Eule im Schutz des Tunnels vor, sie sei eine Klapperschlange. Ihr heftiges Schnabelklappern hört sich täuschend echt an.
Präriehunde stellen dagegen Wächter auf. Sie postieren sie auf kleinen Hügeln, die beim Graben ihrer Bauten entstehen. Die Warnsignale klingen wie Gebell und haben den Präriehunden ihren Namen gegeben.
Dass Nacktmulle ein Gebiet besiedeln, ist – ähnlich wie bei Maulwurf und Präriehund –an den Erdhaufen zu erkennen, die sie beim Graben ihrer Gänge aufwerfen. An die stickige, sauerstoffarme und feuchtheiße Luft im ostafrikanischen Savannenboden sind Nacktmulle bestens angepasst.
Hartes Leben für weiche Mulle
Der Blutfarbstoff Hämoglobin in ihrem Blut kann vorhandenen Sauerstoff besser speichern als der anderer Säugetiere. Nacktmulle, die übrigens mit den Stachelschweinen verwandt sind, verlassen ihre Tunnelröhren praktisch nie, weil sie unter der Erde alles haben, was sie brauchen.
Erstens: Platz. Eine Nacktmullkolonie mit etwa 80 Tieren untertunnelt spielend die Fläche von 10 Fußballfeldern. Zweitens: Schutz. Drittens: Nahrung, die sie viertens: gemeinsam sammeln. Und letztens: Das eiserne Regiment der Nacktmull-Königin.
Sie ist die einzige, die sich in der Kolonie fortpflanzen darf. Und wenn ein Nacktmull nicht spurt, dann terrorisiert die Königin den. Damit steht die ganze Kolonie permanent unter Stress. Das wirkt sich auf den Zyklus der Tiere aus und so werden sie an der Fortpflanzung gehindert.
So lange tierische Tunnelbauer wie Nacktmulle unter sich und unter der Erde bleiben, so lange sie, wie der Regenwurm, offensichtlich den Gärtnern nützlich sind, so lange lässt der Mensch sie in Ruhe.
Wenn sie aber wie Präriehund, Dachs, Maulwurf oder Feldhamster von Menschen gestalteten Raum nach ihren Bedürfnissen "umgestalten", wenn sie wie Schiffsbohrwurm oder Hausbock menschliche Bauwerke be- und zersetzen, kommt es zu Auseinandersetzungen. Dann bringt der Mensch die Tunnelbauer oft an den Rand des Aussterbens - und darüber hinaus.
SWR 2016
Buchtipp
- Mario Ludwig: Genial gebaut! Von fleißigen Ameisen und anderen tierischen Architekten; Verlag Theiss, Konrad 2015