Pompeji: antike Katastrophe als Glücksfall für die Wissenschaft
Im Jahr 79 n. Chr. verschüttete der Vulkanausbruch die gesamte Stadt binnen weniger Stunden. 18.000 Menschen konnten fliehen, rund 2.000 starben. Die ersten Ausgrabungsarbeiten begannen im 19. Jahrhundert: Wohnhäuser, luxuriöse Villen inklusive Bereiche für Sklaven, das Heiligtum des Apollo, der Jupitertempel, Gladiatorenschule und Bibliothek, Badeanstalten, Ställe und Friedhof, Imbissbuden und Bäckerei – Pompeji liefert Antworten zur antiken Architektur und zu den damaligen Lebensumständen der Menschen.

Zwar sind die meisten Bewohner im Ascheregen verbrannt. Doch bei den zahlreichen erhaltenen Skeletten aus Innenräumen und Kellern lässt sich teilweise sogar noch die DNA analysieren. Die Vulkanasche wirkte wie eine Hülle und schützte somit das Erbgut vor dem Verfall. Das zeigt auch eine erste Studie, die im Mai 2021 veröffentlicht wurde: Hier gelang die Erbgutanalyse eines Mannes, der viele Ähnlichkeiten mit modernen Mittelitalienern und heutigen Bewohnern der Insel Sardiniens aufwies.
Zum ersten Mal sehen wir die Bevölkerung einer ganzen Stadt und wir können sogar die Herkunft dieser Menschen klären. Natürlich nicht bei allen im Detail, aber wir können uns ein Bild von jedem Einzelnen machen. Wir bekommen eine Vorstellung von der Stadt und ihrer Bevölkerung.
KI und Robotik: Einsatz modernster archäologischer Methoden in Pompeji
Die exakten Ausmaße Pompejis sind bis heute nicht abschließend geklärt. Immer wieder muss entschieden werden, wo es sich lohnt, als nächstes auszugraben. Hochspezialisierte Teams aus Archäologinnen und Geologen, Botanikerinnen und Anthropologen planen dafür präzise jeden Schritt: Mit naturwissenschaftlichen Methoden durchleuchten sie den Boden, noch bevor sie den ersten Spatenstich setzen. Künstliche Intelligenz hilft anschließend dabei, die Fundstücke korrekt zusammenzusetzen. Beim neuartigen Denkmalschutz-Projekt "RePair" sollen Freskenstücke z.B. digital und mithilfe von Robotik rekonstruiert werden. Ein Digitalisierungssystem scannt, analysiert und erkennt die Fragmente vor Ort. Roboterarme, ausgestattet mit Sensoren, setzen dann die Fragmente richtig zusammen. Ersatz für die zeitraubende Handarbeit, die bisher für Fresken und Mosaike notwendig war.

Auf der einen Seite natürlich versuchen wir alle diese neuen Möglichkeiten zu nutzen. Auf der anderen Seite war Pompeji immer schon ein Ort des Experimentierens, wo man neue Grabungstechniken und neue Konservierungsmethoden ausprobiert hat. Schon im 19. und im frühen 20. Jahrhundert haben sehr innovative Menschen gewirkt und Anstöße gegeben, das ganze Fach über Pompeji hinaus.
Schnellimbiss in Pompeji entdeckt: spektakuläre Funde beeindrucken
Auch heute noch machen die Archäologen immer wieder Sensationsfunde: Der antike Schnellimbiss wurde Ende 2020 der Weltöffentlichkeit vorgestellt. Die Bilder vom am Tresen aufgemalten Hahn und zwei abstürzenden Enten schafften es am 26. Dezember 2020 in die ARD-Tagesschau. Große internationale Medien berichteten über den aufgemalten Wachhund und das Graffito, das offenbar den Imbiss-Besitzer auf die Schippe nahm. Und natürlich über die Nahrungsreste, die in der Nähe des Tresen gefunden wurden. Fastfood gab es also damals schon.
Starkregen und Trockenheit: Klimawandel bereitet Konservatoren Probleme
Seit 1997 zählt Pompeji zum UNESCO-Weltkulturerbe. Doch so eindrucksvoll die antike Stadt für Besucherinnern und Besucher ist, so herausfordernd ist es für das Forschungsteam, sie vor dem Verfall zu bewahren. Wetterextreme wie Starkregen und lange Trockenphasen im Zuge des Klimawandels verschärfen die Dringlichkeit. So stürzte 2010 ein Haus der Gladiatoren-Schule ein, einige Tage später eine Mauer am sogenannten "Haus des Moralisten".
Die Mauern sind relativ dünn, aus Bruchstein meist oder Ziegel und Mörtel. Man kann sich vorstellen, was aus unseren Häusern in 2.000 Jahren wird, aus dem Beton oder was eben das Material ist, und sich ausrechnen, was es braucht an ständigen periodischen Instandhaltungsmaßnahmen, um das vor dem Verfall zu schützen.
2012 stieß der damalige Ministerpräsident Mario Monti das "Große Pompeji-Projekt" an, um die Stadt vor dem – erneuten – Untergang zu retten. 105 Millionen Euro flossen in neue Strukturen und Konservierungsmaßnahmen. Spezielle Dachkonstruktionen bieten nun z.B. dauerhaften Schutz vor Regen und Hitze.

Robotertechnik gegen Raubgräberei kommt in Pompeji zum Einsatz
Pompeji steht im Sommer 2022 also gut da: Archäologische Forschungsfragen werden mit modernsten Methoden beantwortet, Geld fließt vom italienischen Staat und der EU. Auch die im Zuge der Pandemie ausgebliebenen Touristen kommen wieder. Ein Problem bleibt jedoch die Raubgräberei.
Es gibt leider nach wie vor Leute – hauptsächlich im Ausland, viele Spuren führen über die Schweiz oder andere Länder, in die USA und in andere Kontinente; das ist ein weltweites Phänomen – die kaufen nach wie vor diese Objekte, ohne sich über die Herkunft sorgfältig zu informieren oder mehr oder weniger wissend, dass es aus illegalen Grabungen kommt. Das sind private Sammler, aber leider auch immer noch Institutionen, Museen.
Sicherheit soll hier seit 2021 das "Smart@POMPEI-Projekt" schaffen. Zu ihm gehört "Spot", ein gelber Roboterhund mit langen Beinen und einem schwarzen Rechteck als Kopf. Er bewegt sich sicher in unwegsamem Gelände und läuft durch enge Schächte und illegal gegrabene Tunnel. Mit einer Kamera filmt er alles.
Technik Roboterhund "Spot" im Einsatz in Pompeji
Circa 70% des Weltkulturguts findet sich in Italien. Um dieses zu schützen, setzen die italienischen Verantwortlichen jetzt auch Roboter ein.
"Spot" kann deshalb Raubgräber aufspüren und möglicherweise zu ihrer Verhaftung beitragen, er erkennt aber auch bröckelnde Mauern, so dass schnell Konservierungsmaßnahmen eingeleitet werden können. Der Archäologiepark Pompeji ist darüber hinaus durch neue Technologien wie Wärmebildkameras, Sensoren und Drohnen geschützt.
SWR 2022