SWR2 Wissen

Mikroben im Meer – Kleine Helfer für die Umwelt

Stand
Autor/in
Marko Pauli

Mikroben reinigen die Meere von Erdöl, Methan und Plastik. Außerdem produzieren sie die Hälfte des Sauerstoffs, den wir zum Leben benötigen. Ihre Rolle wird noch immer unterschätzt.

Der Schutz der Weltmeere gehört zu den aktuell drängendsten Umweltproblemen. Der Kampf gegen Wasserverschmutzung, die Erwärmung und Versauerung der Meere und die zunehmende Sauerstoffknappheit in manchen Meereszonen sind große Herausforderungen. Doch wer über Klimaschutz spricht, muss auch über Mikroben reden.

Die Rolle der Mikroben

In Antje Boetius haben die kleinen Helfer eine leidenschaftliche Fürsprecherin: Wo sie kann, macht die renommierte Tiefseeforscherin und Leiterin des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven auf die unschätzbare Bedeutung der Mikroben aufmerksam. Denn sie reinigen die Meere auch vom Dreck, den wir Menschen dort hinterlassen:

  • ausgelaufenes Erdöl
  • eingeleitetes Methan
  • unendliche Mengen an Plastik.
  • Mikroben produzieren außerdem Sauerstoff, den wir zum Leben benötigen.

Plastik bleibt nur zu einem Prozent an der Meeresoberfläche

Etwa zehn Millionen Tonnen Plastik landen jährlich in den Meeren, Tendenz steigend. 99 Prozent davon schwimmen im Meer, nur ein Prozent bleibt an der Oberfläche. Große Plastikteile bilden in allen Ozeanen riesige Strudel. Doch das Mikroplastik, das sind Teile, die kleiner sind als fünf Millimeter, schwimmt überall. Die Menge an Mikroplastik soll Schätzungen zufolge schon halb so groß sein wie die Menge an Plankton.

Kleine bunte Plastikteilchen in einer Probe
Laut einer Studie der Weltnaturschutzunion IUCN werden 98 Prozent des in die Ozeane eingespülten Mikroplastiks an Land erzeugt

Wolfgang Streit leitet die Abteilung für Mikrobiologie und Biotechnologie an der Universität Hamburg. Sein Forschungsteam hat bereits Bakterien gefunden, die in der Lage sind eine bestimmte Art Plastik abzubauen, und zwar Polyethylenterephthalat. Die Bausteine, aus denen beispielsweise PET-Flaschen aufgebaut sind, bieten Nährstoffe für die Mikroorganismen.

Fressen oder Filtern von Mikroplastik durch Mikroben

Doch die bisher gefundenen Mikroorganismen fressen das Plastik viel zu langsam. Und für alle anderen wichtigen Kunststoffe – Polyethylen, Polyamide, Polyvinylchlorid Polypropylen, Polystyrol – gibt es bisher keine verfügbaren Organismen oder Enzyme, die die Polymere angehen.

Am besten verhindert man, dass das Plastik überhaupt in die Meere gelangt. Laut einer Studie der Weltnaturschutzunion IUCN werden 98 Prozent des in die Ozeane eingespülten Mikroplastiks an Land erzeugt. Mehr als ein Drittel der Partikel entsteht, wenn synthetische Textilien gewaschen werden. Ein weiteres knappes Drittel stammt vom Abrieb von Autoreifen.

Abwasserrohr an der Küste von Georgetown
In deutschen Kläranlagen landen jährlich etwa 1000 Tonnen Mikroplastik, welches bisher nicht herausgefiltert wird

Reiche Beute für Klärung von Mikroplastik durch Membrane

Es könnte in Kläranlagen abgebaut werden – durch Plastik zersetzende Mikroorganismen. Die Mikrobiologen um Wolfgang Streit haben die Idee entwickelt, Mikroben auf Membranen aufzubringen und diese als eine Art Netz ins Wasser zu legen oder den Klärschlamm damit anzureichern – denn besonders dort befindet sich das Mikroplastik. Reiche Beute wäre ihnen jetzt schon gewiss: In den deutschen Kläranlagen landen einer Fraunhofer-Studie zufolge jährlich etwa 1000 Tonnen Mikroplastik, die über Straßenabflüsse und Abwässer dorthin gelangen.

Doch die Suche geht weiter, schließlich verbergen sich unter der Meeresoberfläche unzählige mikrobielle Geheimnisse. Erst ein Prozent der existierenden Bakterien sind bekannt. Und die spielen häufig eine positive Rolle, weiß Antje Boetius.

Sie selbst hat Bakterien im Meeresschlamm nachgewiesen, die riesige Mengen des starken Treibhausgases Methan fressen und auf diese Weise davon abhalten in die Atmosphäre aufzusteigen.

Algen produzieren die Hälfte unseres Sauerstoffs

Die Hälfte des Sauerstoffs in unserer Atemluft stammt von Algen. Besonders fleißig ist das - selbst für Bakterienverhältnisse - winzige "Prochlorococcus marinus". Die grünlich schimmernde Cyanobakterie betreibt Photosynthese, lebt also vom Licht und erzeugt daraus organisches Material, das als Nahrung in tiefere Meeresregionen hinabfällt. Rund fünf Prozent allen Sauerstoffs, den wir atmen, erzeugt allein Prochlorococcus.

Sauerstoff-Verteilung in den Ozeanen
Sauerstoff-Verteilung in den Ozeanen. Die Zahl der "Todes-Zonen" hat sich in den letzten Jahrzehnten vervielfacht.

Die Ozeane sind auch ein wichtiger Puffer im Klimasystem, sie und die Mikroben in ihnen nehmen einen großen Anteil CO2 aus der Atmosphäre auf. Doch werden die Mengen immer größer, gut 20 Millionen Tonnen Kohlendioxid sind es mittlerweile - pro Tag. Daher verringert sich der PH-Wert, die Ozeane werden immer saurer, die Mikroben-Gemeinschaften verändern sich – noch beschleunigt durch den Klimawandel und die sich erwärmenden Meere.

90 Prozent der gesamten Biomasse in den Ozeanen besteht aus Mikroben. Höchste Zeit, ihre zentrale Rolle beim Klimawandel zu beachten. Trotzdem sind ihre Arten und Effekte auf das Ökosystem Erde zu einem Großteil für uns Menschen bis heute immer noch unbekannt.

SWR 2019 / 2021

Porträt Robert Koch – Ein Mikrobenjäger revolutioniert die Medizin

Robert Koch (1843 - 1910) gilt als Begründer der modernen Mikrobiologie und ist Namensgeber des berühmten Instituts in Berlin. Seine Forschung rettete Leben, ist heute aber wieder sehr umstritten.

SWR2 Wissen SWR2

Umwelt und Natur: aktuelle Beiträge

Umweltschutz Studie: Klimawandel könnte giftige Metalle in Böden freisetzen

Nach der Studie eines Forschungsteams der Uni Tübingen und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung könnte der Klimawandel die natürlicherweise in Böden vorkommenden giftigen Metalle mobilisieren und über die Landwirtschaft verstärkt in die menschliche Nahrungskette bringen.
Martin Gramlich im Gespräch mit Marie Muehe, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung

Impuls SWR Kultur

Stand
Autor/in
Marko Pauli