Deutschland: weltweit erstes Land mit Kükentötungsverbot
Von Gesellschaft und Tierschutz lange gefordert, ist das Verbot jetzt endlich da. Im Mai 2021 hatte der Deutsche Bundestag beschlossen, dass ab dem Jahr 2022 keine Eintagsküken mehr getötet werden dürfen.
Wohin mit jährlich 45 Millionen Bruderhähnen?
Pro Jahr geht es dabei allein in Deutschland um 45 Millionen Bruderhahn-Küken, die jetzt – zumindest zum großen Teil – aufgezogen werden müssen. Mit allen Konsequenzen. Und die sind weniger positiv als auf den ersten Blick gedacht. Denn wohin mit jährlich 45 Millionen Bruderhähnen, die weder Fleisch ansetzen noch Eier legen?
Für verarbeitete Produkte wie Geflügelwurst, Tortellini-Füllung oder Hühnerfrikassee werden bereits die ausgedienten Legehennen verwendet. Hinzu kommt die schlechte Futterverwertung der Hähne, denn im Vergleich zu Masthähnchen brauchen Bruderhähne deutlich mehr Futter. Damit steigen CO2-Emissionen, der Futterimport aus Drittländern und die zusätzlich anfallenden Mengen an Mist.
In-Ovo-Selektion: Geschlechtsbestimmung im Ei
Neben der ressourcenintensiven Aufzucht der Bruderhähne gibt es noch eine andere Möglichkeit, das Kükentöten – zumindest das von bereits geschlüpften Küken – zu beenden: die sogenannte In-Ovo-Selektion. Hier findet die Geschlechtsbestimmung der Küken bereits im Ei statt.
Beim Seleggt-Verfahren werden Eier, in denen männliche Küken heranwachsen, aussortiert, sprühgetrocknet und können anschließend als sogenanntes Bruteipulver in der Tierfütterung zum Einsatz kommen. Etwa 10 Prozent der Legehennen in Deutschland werden heute bereits mit dem Seleggt-Verfahren ausgewählt, Tendenz steigend.
Ab wann empfinden Hühnerembryonen Schmerzen?
Bisher gilt als sicher, dass ein Schmerzempfinden vor dem siebten Bruttag ausgeschlossen werden kann. Aus diesem Grund wurde gesetzlich festgelegt, dass ab dem Jahr 2024 nur noch In-Ovo-Verfahren angewendet werden dürften, die vor dem siebten Bruttag die Geschlechtsbestimmung vornehmen.
Bislang existiert jedoch keine Technologie, die dies mit hoher Genauigkeit und in großer Stückzahl auch tatsächlich vermag. Ob sich das bis zum Jahr 2024 ändern wird, ist unklar. Ein Verbot der In-Ovo-Selektion würde die Anzahl der Bruderhähne weiter vergrößern.
Zurück zum Zweinutzungshuhn
Spezialisierte Hochleistungszuchtlinien legen viele Eier und setzen kein Fleisch mehr an. Früher jedoch gab es noch Hühner, die beides konnten. Die Erforschung und Züchtung von Tierrassen ist jedoch ein langwieriges Unterfangen. Die Ökologische Tierzucht gGmbH, die ÖTZ, die 2015 von den Bioverbänden Demeter und Bioland gegründet wurde, hat sich genau dies zur Aufgabe gemacht. Inga Günther ist ihre Geschäftsführerin.
Während Hochleistungs-Legehennen um die 300 Eier pro Jahr legen können, sind es beim Zweinutzungshuhn nur 240 Eier. Und während ein Masthähnchen für 2,5 Kilogramm Gewicht nur 7 Wochen braucht, dauert das bei Inga Günther fast 16 Wochen.
Das effiziente Restehuhn
Ein Vorteil der Zweinutzungshühner: Sie vertragen viel flexibleres Futter. Denn Hühner sind – ebenso wie Menschen und Schweine – Allesfresser. Es sei also durchaus möglich, so Inga Günther, die Hühner mit Lebensmittel-Resten von umliegenden Bäckern, Schlachtern oder Molkereien zu füttern.
Trotz all seiner Vorteile ist das Zweinutzungshuhn bei Verkaufszahlen noch weit davon entfernt, die spezialisierten Rassen abzulösen. Und einen höheren Preis müssen Verbraucher und Verbraucherinnen für Eier, die ohne Kükentöten produziert werden, ohnehin zahlen. Egal ob für die Brudherhahnmast, die Geschlechtsbestimmung im Ei oder das Zweinutzungshuhn.
CRISPR/Cas: leuchtende Eier zur Geschlechtserkennung
Noch eine andere, bei uns bisher kaum beachtete Technologie, könnte die Diskussionen um embryonales Schmerzempfinden und die Hahnenaufzucht bald obsolet machen. Denn auch in anderen Ländern wird an einer Lösung für das Problem der überflüssigen Hahnenküken geforscht.
So etwa beim israelischen Unternehmen EggXYt. Mittels Gen-Eingriff per CRISPR/Cas-Methode ist es EggXYt gelungen, Hühner mit fluoreszierenden Genen einer Tiefseequalle dahingehend zu verändert, dass die befruchteten männlichen Eier im Dunkeln leuchten. Und auch nur diese tragen die artfremden Gene in sich. Die ausgebrüteten weiblichen Küken, die anschließend zu Legehennen werden, hingegen nicht. Die Brütereikapazitäten würden sich bei Anwendung auf einen Schlag verdoppeln, wenn die männlichen, leuchtenden Eier vorher aussortiert würden. Sie dürften dann zwar nicht gegessen werden, könnten aber in verschiedenen Industriebereichen zum Einsatz kommen.
Ob die leuchtenden Eier irgendwann auch in Deutschland zugelassen werden, ist ungewiss. Sicher ist, dass im vermeintlichen Interesse von mehr Tierschutz hierzulande bis auf weiteres Millionen männlicher Küken mit hohem Aufwand aufgezogen, geschlachtet und irgendwo in der Welt vielleicht auch gegessen werden.