Sehnen, Bänder, Knochen, Haut: Füße sind anfällig für Krankheiten
Fußprobleme reichen von temporären Sehnenschmerzen und überdehnten Bändern bis hin zu Fuß- und Nagelpilz, Senk-, Platt- und Spreizfüßen. Doch auch gravierende pathologische Veränderungen an den Zehen oder dem Fußgewölbe können auftreten und den ganzen Körper in Mitleidenschaft ziehen.
Fußknochen: rund ein Viertel aller Knochen des menschlichen Körpers
Der menschliche Fuß besteht aus Fußwurzel, Mittelfuß und Vorderfuß. Vom Fersenbein bis zu den Zehen ist er aus 26 Knochen und zwei Sesambeinen zusammengesetzt. Die Sesambeine sind in Sehnen eingebaute Knöchelchen, die als eine Art Abstandshalter fungieren. Beide Füßen zusammen bestehen aus insgesamt 56 Knochen.
Ihre enorme Vielseitigkeit und Belastbarkeit erhalten die Füße dadurch, dass ihre Knochen durch eine komplizierte Konstruktion aus über 100 Sehnen und Bändern und rund 20 Muskeln zusammengehalten werden. Dadurch entsteht das Fußgewölbe. Es ist ein Alleinstellungsmerkmal des Menschen und die Grundlage dafür, dass wir uns auf vielfältige Weise fortbewegen können. Selbst unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen, haben kein Fußgewölbe.
Das stärkste Fußlängsband ist die sogenannte Plantarfaszie, die über die Ferse zu den Zehengrundgelenken führt. Sie ist die Haupt-Sehne des Fußbogens. Ihr Zustand und ihre Elastizität sind essenziell für die Leistungsfähigkeit des Fußlängsgewölbes. Das bekommen nicht nur Menschen zu spüren, die sich zu wenig bewegen, sondern manchmal auch die, die sich sehr viel bewegen, wie z.B. Sportler.
Bei Krankheit: nicht eine Körperregion isoliert betrachten
Lange Zeit gingen Wissenschaftler davon aus, dass für die Festigkeit unserer Füße in erster Linie das Längsgewölbe verantwortlich ist. Aktuelle Studien zeigen jedoch die Bedeutung des Quergewölbes. Dies betont auch einer der renommiertesten Sportwissenschaftler Deutschlands, Prof. Ingo Froböse, denn die Querverspannung unter der Fußsohle dient dafür, dass wir eine optimale Körperposition haben können.
Ein grundsätzliches Problem bei Schmerzen am Bewegungsapparat ist, dass eine Körperregion nicht isoliert betrachtet werden kann. Schmerzt beispielsweise das Knie, reicht es nicht, sich nur das Knie anzusehen. Denn durch Sehnen und Bänder und das Fasziennetz ist alles miteinander verknüpft. So kann es aber auch zu unangenehmen Wechselwirkungen kommen. Nicht selten haben diese ihren Auslöser in den Füßen. Bei dem einen entstehen so Schmerzen in den Knien, bei der anderen in der Hüfte, bei der nächsten Person im unteren Rücken.
Orthopäden sind dann oftmals schnell mit einer Diagnose – ohne einen Blick auf die Füße geworfen zu haben. Immer wieder ist von einem „verkürzten Bein“ die Rede. Das aber kann schlicht ein Beckenschiefstand sein, weil durch eine Fehlstellung der Füße Sehnen und Bänder verkürzt sind. Trotzdem muss nicht jeder Orthopäde irren. Es kommt durchaus vor, dass ein Bein kürzer ist als das andere. – Es ist eben ein komplexes Zusammenspiel.
Sind die Schuhe zu eng, die Sohle ungeeignet für den Fuß oder die Absätze zu hoch, wirkt sich auch das auf den gesamten Körper aus. Menschen, die hohe Schuhe tragen, verlagern ihren Körperschwerpunkt stark nach vorn. Um das auszugleichen, gehen sie ins Hohlkreuz und belastet so die Wirbelsäule. Ganz zu schweigen von der direkten Belastung der Füße.
Spezialisten empfehlen: barfuß laufen
Wie der Kölner Sportwissenschaftler Ingo Froböse empfiehlt auch der Physiotherapeut Kelly Starret barfuß laufen. Starret ist ein Star der weltweiten Fitness-Szene, hat mehrere Bestseller geschrieben und ist viel zitierter Experte, wenn es um korrekte Fußbewegungen geht. Bei ihm zu Hause gibt es einen festen Barfußtag pro Woche. Die hohe Zahl an Nervenenden macht schließlich neben den Händen auch die Füße zu einer sensorisch ausgefeilten Einheit, die barfuß umgehend Druck, Hitze und Kälte erkennt.
Wer zum Beispiel barfuß auf einem Balance-Board steht, fordert die Sensoren in den Fußsohlen ebenso wie die sogenannten Propriozeptoren heraus. Propriozeptoren sind Rezeptoren in Muskeln, Sehnen und Bändern. Sie senden Signale an das Gehirn über ihre Lage in den Körperteilen und Gelenken. Jeder Wackler führt zu einer Kaskade an elektrischen Impulsen in den Nerven. Das führt auch dazu, dass sich Muskeln des Fußes und der Beine anspannen oder entspannen.
Fußtraining lohnt sich für Menschen aller Altersgruppen
Das Fuß-Training ist für alle Menschen und alle Altersgruppen gut, sagt Ingo Froböse – von Schulkindern, die nachweislich oft zu viel vor dem Computer sitzen und zu wenig Bewegung haben, über die Berufstätigen, deren Arbeitstag nicht selten acht Stunden sitzend abläuft, bis zu den Senioren, die manchmal behaupten, sie hätten in ihrem Leben genug Bewegung gehabt.
Eine der klassischen Übungen für die Füße ist nach dem tschechischen Neurologen Vladimir Janda benannt: der "Kurze Fuß nach Janda" oder die Propriozeptive Sensomotorische Fazilitation. Durch sensorische Reize und einen festen und bewussten Stand sollen Muskelketten in der Fußsohle aktiviert werden. Dafür konzentriert man sich auf eine gleichmäßige Belastung von Ferse, Fußballen und Außenkante. Diese Aktivierung kleiner Strukturen im Fuß muss oft erst wieder erlernt werden.
Füße: vernachlässigte Basis unseres Körpers
Füße sind die vernachlässigte Basis unseres Körpers – und das, obwohl wir mit beiden Füßen im Leben stehen, gut zu Fuß sind, Fuß fassen, in die Fußstapfen treten, auch mal auf großem Fuß leben oder mit dem falschen Fuß aufgestanden sind. Und weil wir am Ende des Lebens mit den Füßen voran das Haus verlassen, sollten wir ihnen zeitlebens mehr Beachtung schenken.
SWR 2020