SWR2 Wissen | Die Pole der Erde (1/2)

Die Antarktis – Ein Kontinent für die Forschung

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Autor/in
Dirk Asendorpf
Dirk Asendorpf

Menschenleer, eiskalt und Monate lang ohne Sonne: An den Polen zeigt sich die Erde von ihrer unwirtlichsten Seite - und ist gerade deshalb faszinierend. Polarregionen versprechen unerforschtes Neuland, unangetastete Bodenschätze, unversehrte Fischereigründe, ungeahnte Möglichkeiten. Die Antarktis birgt vor allem Antworten auf große Fragen zur Entstehungsgeschichte der Erde.

Seit 1961 steht die Antarktis vollständig unter internationalem Schutz, die Ausbeutung von Rohstoffen und militärische Aktivitäten sind vom 60. Breitengrad bis zum Südpol verboten, alle nationalen Gebietsansprüche ruhen. Im Südpolarmeer ist die Fischerei zwar erlaubt, im Rossmeer inzwischen jedoch tabu. 2017 wurde dort das weltweit größte Meeresschutzgebiet ausgewiesen.

Auch das Weddell-Meer soll unter Schutz gestellt werden, das größte Randmeer der Antarktis. Russland, China und Norwegen leisten allerdings noch Widerstand. Die Antarktis birgt Antworten auf große Fragen zur Entstehungsgeschichte der Erde. Ihr bis zu fünf Kilometer dicker Eispanzer speichert zwei Drittel des gesamten Süßwassers der Erde und spielt eine zentrale Rolle im Klimawandel.

Die ältesten isolierten Lebensformen unter Eis

Unter dem Eis verbergen sich etwa hundert Vulkane und unerforschte Seen, die möglicherweise die ältesten, vom Rest der Welt isolierten Lebensformen enthalten könnten. Die Gipfel des transantarktischen Gebirges überragen die höchsten Berge der Alpen. Das weitgehend menschenleere Territorium – größer als Europa – ist ein Paradies für Entdeckungen, Forschung, Extremsport und exklusiven Tourismus.

Wenn die Polarstern im Sommer am Schelfeis anlegt, herrscht Hochbetrieb rund um die Neumayer-Station. Container werden auf Frachtschlitten zur Station geschleppt, Forscherinnen und Forscher düsen mit Motorschlitten, den sogenannten Skidoos, zu ihren Geräten, darüber rattern die Rotoren der beiden Bordhubschrauber der Polarstern.

Spätestens Anfang März, wenn sich die Sonne im Südherbst langsam rarmacht, ist der Trubel auf der Neumayer-Station vorbei. Dann sind die neun bis zehn Überwinterer bis November auf sich allein gestellt. Nachschub von Geräten oder Lebensmitteln ist nicht mehr möglich – wohl aber ein Telefonanruf über eine Nummer mit Bremerhavener Vorwahl.

Frischer Salat aus der Antarktis

In diesen dunklen Wintermonaten musste Paul Zabel mit schlechten Wetterbedingungen klarkommen. Einen Polarwinter lang war er für das Forschungsgewächshaus des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt zuständig, das 300 Meter von der Neumayer-Station entfernt in einem Container untergebracht ist.

Den ganzen Winter über haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Salate geerntet, vier verschiedene Sorten, sowie Rucola, Basilikum, Petersilie und Schnittlauch, Mangold, Radieschen, Gurken, sehr viele Tomaten und auch zahlreiche Kohlrabis.

Antarktis
Paul Zabel war einen Polarwinter lang für das Forschungsgewächshaus des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt zuständig – mit Erfolg

Die Versorgung der Überwinterer ist nicht der eigentliche Zweck der Arbeit von Paul Zabel. Das Gewächshaus dient der Forschung für die Raumfahrt. Die Idee dahinter: Was unter den lebensfeindlichen Bedingungen der Antarktis funktioniert, müsste auch für eine interplanetare Raumfahrtmission geeignet sein.

Knirschende Eismassen und hungrige Wale

Die Biologin Ilse van Opzeeland gehört zu einer Forschungsgruppe am Alfred Wegener Institut, die sich mit Tiergeräuschen im Ozean beschäftigt. Für eine dreijährige Langzeituntersuchung hat sie Mikrofone im Südpolarmeer verankert – einige Hundert Kilometer vor der antarktischen Küste und in 200 Metern Wassertiefe, damit die empfindlichen Aufnahmegeräte nicht von vorbeitreibenden Eisbergen beschädigt werden können.

Fünfmal täglich waren die beiden Mikrofone für fünf Minuten in Betrieb, Tausend Stunden haben sie insgesamt aufgenommen. Nur selten sind einzelne Tierstimmen zu erkennen, meist verstecken sie sich in einem Klangteppich, in den sich die Geräusche von Eisschollen mischen, die aneinander reiben.

Der tiefe Bass eines Blauwals wird dabei für Menschen erst hörbar, wenn seine Frequenz mit technischen Mitteln um vier Oktaven angehoben wird. Wasser leitet den Schall viel besser als Luft, die Stimmen der Meeressäuger tragen viele Hundert Kilometer weit. Die Analyse gibt Auskunft darüber, wann sich Robben und Wale im Umkreis der Mikrofone aufgehalten haben – und manchmal sogar darüber, was sie dort machen.

Schützenswertes Panorama unter Eis

Am weitesten zurück in die Frühgeschichte der Antarktis blickt die Festgesteinsgeologie. Zum Beispiel in eine Zeit, in der die Antarktis als Teil des Urkontinents Gondwana im Tropengürtel der Erde lag, vor rund 500 Millionen Jahren. Auch 300 Millionen Jahre später, als die antarktische Kontinentalplatte schon in die Nähe des Südpols gewandert war, gab es noch einmal eine Epoche, während der es auf der Erde so warm war, dass in der Antarktis dichte Wälder wuchsen. Erst vor 35 Millionen Jahren begann ihre Vereisung.

Heute lässt der kilometerdicke Eispanzer die Antarktis als kompakte Landmasse erscheinen, doch unter dem Eis liegt eine Landschaft verborgen wie man sie heute eher aus Norwegen kennt: Ein Archipel mit großen und kleinen Inseln, Hochgebirgen, Fjorden – und darunter: Rohstoffen.

Sieben Länder – Argentinien, Australien, Chile, Großbritannien, Frankreich, Neuseeland und Norwegen – erheben weiterhin Hoheitsansprüche auf Abschnitte der Antarktis, zum Teil überlappen sie sich. Allerdings gilt der Schutzstatus nach dem 1959 auch von ihnen unterschriebenen Antarktisvertrag zeitlich unbefristet, nur die Laufzeit des 1991 beschlossenen zusätzlichen Umweltschutzprotokolls endet 2048, kann aber verlängert werden. Alle, die bisher die Chance hatten, die Antarktis zu besuchen oder dort zu forschen, wären sicher dafür.