Bakterien, Viren und Pilze können Ursache für Sepsis sein
Sepsis. Das Wort stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet "Fäulnis" oder „Gärung“. Viele kennen die Erkrankung als "Blutvergiftung". Obwohl Studien belegen, dass in Deutschland jeden Tag durchschnittlich 134 Menschen an einer Sepsis sterben, geben in Umfragen vier von zehn Befragten an, den Ausdruck nicht zu kennen.
Ursache einer Sepsis können Bakterien wie Staphylokokken oder Streptokokken sein, auch Viren wie Ebola oder Covid-19 – oder auch Pilze. Sie gelangen über Wunden, Schnitte, kleinere Verletzungen oder über die Atem- und Harnwege in den Körper. Dort setzen sie Gifte frei, die an der Eintrittsstelle Körperzellen zerstören. Sie vermehren sich und gelangen ins Blut. Das ruft das Immunsystem auf den Plan: Es schickt weiße Blutkörperchen, die die Eindringlinge zerstören sollen. Die übrig gebliebenen Reste werden über die Lymphbahnen zu den Lymphknoten transportiert und dort entsorgt. Im Normalfall schafft es der Körper auf diese Weise, eine Infektion einzudämmen.
Schätzungsweise 25 bis 50 Millionen Menschen erkranken jedes Jahr weltweit an einer Sepsis. Ab dem 50. Lebensjahr steigt das Erkrankungsrisiko, das zwischen dem 70. und 80. Lebensjahr gipfelt. Schafft es der Körper nicht, den Erreger einzudämmen, breitet sich die Infektion über die Lymph- und Blutgefäße im ganzen Körper aus. Das Immunsystem reagiert und schüttet Abwehrstoffe aus, um die Erreger zu vernichten. Dabei gehen auch gesunde Zellen zugrunde.
Das Immunsystem gerät bei einer Sepsis außer Kontrolle
Organe wie Lunge, Nieren, Leber versagen. Es kommt zum septischen Schock. Und das kann rasend schnell gehen: Schon 36 Stunden nach Beginn der Infektion kann es für jede Hilfe zu spät sein. Sepsis ist die dritthäufigste Todesursache nach der Erkrankung des Herz-Kreislaufsystems und Krebs. Und sie wäre vermeidbar.
Die Unkenntnis in der Frühsymptomatik – also das Übersehen durch ärztliches Personal – wird in einer Studie im renommierten Fachmagazin „The Lancet“, erschienen im Frühjahr 2020, als Ursache für die hohe Sterblichkeit bei Sepsis angesehen.
Bekommen Betroffene innerhalb einer Stunde, nachdem die ersten Symptome aufgetreten sind, Antibiotika, liegen die Chancen zu überleben bei etwa 80 Prozent. Nach fünf Stunden sinken die Überlebenschancen auf etwa 40 Prozent. Beginnt die Behandlung erst nach 36 Stunden, überleben nur noch wenige.
Oft blinde Suche nach Erreger und Infektionsherd
Wenn die Intensivmedizinerinnen und -mediziner nicht wissen, welcher Erreger ursächlich für die Sepsis verantwortlich ist, geben sie zunächst Breitbandantibiotika, die möglichst viele Keime abtöten können. Dabei verlassen sie sich auf ihre Erfahrung, greifen auf Wahrscheinlichkeiten zurück, zum Beispiel dass bei einer Lungenentzündung meist dieser Keim ursächlich ist und bei einer Nierenentzündung eben ein anderer.
Danach beginnt eine akribische Suche nach dem Herd: Gibt es Bakterien im Blut? Hatte der Betroffene Kontakt mit einem Virus? Sind Pilze auslösend? Manchmal können die Herde auch im Körper selbst versteckt sein. Möglich sind zum Beispiel eine entzündete Gallenblase, ein geplatzter Blinddarm, ein Darmgefäßinfarkt. Beseitigt man den Herd nicht, kann trotz aller ärztlichen Bemühungen die Infektion immer wieder aufflammen. Man läuft der Sepsis sozusagen hinterher.
Der "SOFA-Score" ist die Abkürzung für Sepsis-related organ failure assessment und bedeutet ungefähr "Maßzahl zur Beurteilung des Organversagens bei Sepsis". Dieser Score wird benutzt, um den Zustand eines von Sepsis Betroffenen und das Ausmaß der Organschädigung im Verlauf einer Behandlung zu beschreiben. Er besteht aus sechs Parametern:
- Atmung
- Herz-Kreislauf-System
- Leberfunktion
- Gerinnung
- Nierenfunktion
- neurologischer Status
Diese Parameter werden beurteilt und dienen der Prognose der Erkrankten.
Außerhalb von Intensivstationen ist die Diagnose deutlich schwieriger
Fieber, Unwohlsein, Übelkeit – all diese unspezifischen Zeichen können in die Irre führen. Die meisten Infektionen bleiben lokal begrenzt, sie streuen nicht und bei Lungenentzündungen zum Beispiel können über 95 Prozent durch Antibiotika geheilt werden.
In solchen Fällen müssen Hausärztinnen und Hausärzte schon sehr genau hinschauen, um bei den anderen fünf Prozent den Übergang von der Infektion zur Sepsis zu erkennen. Dafür wurde 2016 der sogenannte „quickSOFA“-Score eingeführt, eine verkürzte, einfache Version des Krankenhaus-Scores.
Doch trotz zahlreicher Medikamente gegen die verschiedenen Erreger, trotz wirksamer Arzneimittel zur Unterstützung des Kreislaufes, trotz verbesserter Diagnostik und Hightech-Maschinen zur Therapie von Nieren- und Lungenversagen sterben immer noch täglich viele Menschen in Deutschland an den Folgen einer Sepsis.
Das spezielle, das eine Mittel gegen die Sepsis gibt es bis heute nicht
Ideen sind gefragt, wie man das ändern kann. Zeit ist der zentrale Faktor, an dem man ansetzt: Hat der Notarzt den Verdacht, dass es sich um eine Sepsis handelt, nehmen die Sanitäter*innen schon im Rettungswagen Blut ab und legen eine Kultur an. Eine zweite Blutprobe und eine Speichelprobe können in einem besonders schnellen Laborverfahren in nur wenigen Minuten auf Merkmale einer Sepsis getestet werden.
Ein weiteres Problem bei der Sepsis ist das Immunsystem selbst, das körpereigene Wachsystem, das auf die krankmachenden Erreger reagieren und sie bekämpfen soll. Das Immunsystem läuft in einer Sepsis zunächst auf Hochtouren: Weiße Blutkörperchen bekämpfen krankmachende Keime. Dabei produziert das Immunsystem so viele Abwehrstoffe, dass sie den Körper schlussendlich vergiften. Ob Medikamente an dieser Stelle dämpfend eingreifen können, wird derzeit in klinischen Studien getestet.
Andere Forschungsteams beschäftigen sich mit der Frage, warum Betroffene an überbordenden Entzündungsreaktionen des Körpers sterben und andere an den Folgen einer Unterfunktion des Immunsystems. Denn Sepsis ist nicht gleich Sepsis. Bluttests sollen außerdem zukünftig zeigen, in welchem Stadium sich die von Sepsis Betroffenen befinden.
Weitere Studien erforschen, wie die Stresstoleranz des Körpers erhöht werden kann, dafür werden Medikamente aus der Krebstherapie in niedrigen Dosen eingesetzt. Ob die neuen Therapieansätze zu einer verringerten Sterblichkeit bei Sepsis führen, wird die Zukunft zeigen. Auf jeden Fall werden viele Forschungsteams weltweit diese Entwicklung mit neuen Studien begleiten.