Die Sondersendung beginnt mit Mutmaßungen über die Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer, die sich im Laufe des Abends bestätigen. Die Bundesregierung beantwortet keine Fragen und erklärt "die Stunde der Fahndung" für gekommen.
Hinweise konzentrieren sich auf Mühlhausen in Frankreich
Die Sendung beginnt um 20 Uhr und endet vor den Mitternachtsnachrichten. Ohne Musik beträgt der Wortanteil eine Stunde. Zu Beginn des Abends gibt es nur Hinweise, dass die Leiche des Arbeitgeberpräsidenten gefunden wurde. Am Ende ist der Beweis da, und die Bundesregierung spricht von der "Stunde der Fahndung", die jetzt angebrochen sei.
Die anfänglichen Hinweise konzentrieren sich aufs französische Mühlhausen, 130 km südlich von Straßburg. Der SWF hat dazu kurz nach 18 Uhr von Baden-Baden aus Reporter nach Straßburg, wo die polizeilichen Ermittlungen zusammenlaufen, und nach Mühlhausen geschickt – in "Schnellreportagewagen". Auslöser für die Aktionen war ein Text, der u.a. bei der französischen Zeitungen "Liberation" am Spätnachmittag eingegangen war und den Tod von Schleyer und den Aufenthaltsort der Leiche beschreibt. In der Sendung wird dieser Text eingangs in Ausschnitten zitiert. Hier ist er komplett:
Französische Zeitung: Terroristen veröffentlichen Hinweis auf Schleyers Verbleib
"Wir haben nach 43 Tagen Hanns Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz beendet. Herr Schmidt, der in seinem Machtkalkül von Anfang an mit Schleyers Tod spekulierte, kann ihn in der Rue Charles Peguy in Mulhouse in einem grünen Audi 100 mit Bad Homburger Kennzeichen abholen. Für unseren Schmerz und unsere Wut über die Massaker von Mogadischu und Stammheim ist sein Tod bedeutungslos. Andreas, Gudrun, Jan, Irmgard und uns überrascht die faschistische Dramaturgie der Imperialisten zur Vernichtung der Befreiungsbewegungen nicht. Wir werden Schmidt und der daran beteiligten Allianz diese Blutbäder nie vergessen. Der Kampf hat erst begonnen! Freiheit durch bewaffneten antiimperialistischen Kampf! Kommando Siegfried Hausner"
Information über Hanns Martin Schleyers Tod kommt per "Blitzmeldung"
Bereits am Beginn schaltet der SWF seine drei Sender zusammen und muss sich erst einmal sortieren. Auf die Ansage "Wir brechen unser Wunschkonzert ab und melden uns gleich wieder" folgen lange Pausenzeichen des Südwestfunk Baden-Baden. Dann bricht eine "DPA-Blitzmeldung" das Warten. Schleyer sei tot in Mühlhausen aufgefunden worden. Unmittelbar danach die zweite Meldung von DPA: "Leiche im Kofferraum gefunden."
Der Reporter aus Straßburg berichtet, das Fahrzeug sei gegen 5 Uhr früh abgestellt worden und habe laut einem Augenzeugen höchstens zwei Stunden da gestanden. Ermittlungsbeamte hätten zunächst die Batterie abgeklemmt und dann den grünen Audi 100 in die Präfektur gebracht. Dort erst sei der Kofferraum geöffnet worden. Von dem Fahrzeug sei ein "sehr intensiver Geruch" ausgegangen.
Erste Würdigungen für Hanns Martin Schleyer
Später "eine erste Würdigung" von Hanns Martin Schleyer. Der Kommentator beginnt mit den Worten: "Nun ist uns das Fürchterliche doch nicht erspart geblieben." Der Sadismus der Extremisten finde nur im Tod anderer seine primitive tiefe Befriedigung. Das Verbrechen schreie zum Himmel. Man finde sich in einer "totalen Sinnlosigkeit … Wer beantwortet jetzt die Sinnfrage? … Diese Welt ist für diese Menschen zu groß, zu unheimlich geschaffen worden."
Der Kommentator würdigt Hanns Martin Schleyer als einen mutigen, ehrlichen und konsequenten, aber "nicht im eigentlichen Sinn … frommen Mann." Der Mord hinterlasse "ein ganzes Volk in Trauer." Der Kommentator schließt mit dem Gedanken: "Wofür wir bestraft werden sollen – wir wissen es nicht."
Regierungssprecher Klaus Bölling äußert sich in Pressekonferenz
Viel später schaltet die Sendung live in die Pressekonferenz des Regierungssprechers nach Bonn. Klaus Bölling: "Uns erfüllen Erschütterung und Sorge." Die Täter haben gezeigt, dass sie unbelehrbar sind. Diese Verbrecher seien vermutlich für andere Morde (Fahrer, Polizisten, Buback) verantwortlich. Der Staat werde sie verfolgen. sodass sie "nicht mehr zur Ruhe kommen" werden. "Wir werden den Mördern keine Chance lassen." Die Selbstmorde in Stammheim hätten gezeigt, dass die Terroristen sogar die Auslöschung des eigenen Lebens als Mittel des Kampfs einsetzen.
"Stunde der Fahndung"
Dann leitet Bölling auf die Fahndung über: "Jeder Bürger in unserem Land wird den Sicherheitskräften dabei helfen, die Täter aufzuspüren." Das Bundeskriminalamt habe zusammen mit den Länderpolizeidienststellen eine von der Öffentlichkeit unbemerktes Zusammenarbeit bisher nicht gekannten Ausmaßes begonnen. Man habe auf diese Weise ein "dichtes Netz von Beweisen geknüpft". Bölling bekundet im Namen aller Bundestagsfraktionen der Familie von Hanns Martin Schleyer sein Mitgefühl. Nachgiebigkeit gegen über diesen "verbrecherischen Fanatikern" würde sie nur zu neuen Taten herausfordern. Staat müsse sie also zum Aufgeben zwingen. Der Bundeskanzler verbeuge sich vor dem Leid, das Frau Schleyer und den Söhnen zugefügt worden ist. Der Regierungssprecher schließt mit den Worten, jetzt keine Fragen zu beantworten, denn: "Dies ist die Stunde der Fahndung."
Spekulationen über Schleyers Versteck
Die Sendung enthält auch einen Rückblick über die Ereignisse und führt immer wieder "nicht bestätigte Informationen" an, die "mit Vorsicht zu genießen" seien: Schleyers Versteck sei in der Nähe von Mühlhausen gewesen, lautet eine solche Information. Sie widerspricht damit einer anderen, wonach der Audi in Ottmarsheim am Rhein von einem Kahn heruntertransportiert worden sein soll. Auch vor den Mitternachtsnachrichten ist noch nicht klar, wie Schleyer ermordet wurde, durch "Schnitt- oder Schussverletzungen".
Die Sendung endet mit dem Hinweis, dass das erste Programm des SWF morgen Vormittag um 9 Uhr live aus dem Bundestag berichten wird, wo Bundeskanzler Helmut Schmidt eine Erklärung abgeben wird.
Aus der Archivdatenbank
Beiträge wurden auf dem 1., 2. und 3. Programm ausgestrahlt. // Meldung: Audi in Mühlhausen, vermutlich mit Schleyers Leiche / Meldung: dpa-Zusammenfassung / Meldung: Gefundene Leiche wahrscheinlich Schleyer / Am Telefon Gerd Schneider aus Mühlhausen / Nachruf auf Hanns Martin Schleyer / Am Telefon Gerd Schneider und Ursula Schaffeld aus Straßburg / Nachrichten / Am Telefon Karl Köhler aus Mühlhausen / Reaktionen aus Bonn und Baden-Württemberg / Am Telefon Hans Werner Conen aus Köln / Chronologie der Schleyer-Entführung / Leiche identifiziert / Pressekonferenz Klaus Bölling / Am Telefon Gerd Schneider aus Straßburg / Fahndungsmeldung
Moderator: Peter Wien
Reporter: Gerd Schneider; Alois Rummel, Ursula Schaffeld; Karl Köhler; Hans Linketscher; Hans Werner Conen; Bernhard Hermann
Archiv des SWR
SWR2 Archivradio
15.10.1977 Videoaufzeichnung mit dem Entführten Hanns Martin Schleyer
15.10.1977 | Der entführte Hanns Martin Schleyer fleht in einer RAF-Videobotschaft um Hilfe.
18.10.1977 Sondersendung: Befreiung der Geiseln in Mogadischu
18.10.1977 | Deutsche Spezialeinheiten haben die entführte "Landshut" gestürmt. Regierungsvertreter danken der GSG 9 für die Befreiung der Geiseln. Hanns-Martin Schleyer ist noch immer gefangen.
23.12.1977 Hanns-Eberhard Schleyer spricht über die Ermordung seines Vaters Hanns Martin Schleyer
23.12.1977 | Hanns-Eberhard Schleyer, ältester Sohn des von der RAF am 5. September 1977 entführten und am 18. Oktober 1977 ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer, lehnt schärfere Gesetze aufgrund der Ereignisse ab. Er fordert aber von den "meinungsbildenden Kräften" und Sympathisanten, sich zur demokratischen Grundordnung zu bekennen. | RAF