In der Badewanne mit Sigmund Freud
Weißer Bart, Nickelbrille, graue Weste – die gelbe Quietsche-Ente lädt zum Baden mit Professor Freud ein, der Putzschwamm trägt die Aufschrift „Neurose“ und zum „Verdrängen“ bietet der Radiergummi seine Dienste an – der berühmte Wiener Psychoanalytiker ist längst kein Säulenheiliger mehr. Er wird auf T-Shirts, Einkaufstaschen und Postkarten vermarktet.
Mit seiner Forschung hat Freud selbst so manchen Marketingstrategen beflügelt. Vor allem in der Sprache haben Freuds Begriffe Spuren hinterlassen. Ganz selbstverständlich sprechen wir heute von „Neurose“, „Fehlleistung“ und „Trieb“.
Und wenn wir mal wieder jemanden „über den grünen Klo loben“, dann war es der Freudsche Versprecher, der uns hier ein Bein gestellt hat: Kein zufälliger Ausrutscher, davon war Freud überzeugt, sondern der Versprecher als Ausdruck eines unbewussten Vorgangs, eines verdrängten Verlangens.
Eine neue Ausstellung der Kunsthalle Tübingen beschäftigt sich mit Freud in der Kunst
Therapeutische Cartoons : „Woran erkennt man einen Psychiater beim Blind Date?“
Es ist ein Phänomen: die Psychoanalyse als Behandlungsform der menschlichen Psyche hat an Bedeutung verloren. An den Hochschulen und in der Therapie wurde sie vielfach von der Verhaltenstherapie verdrängt. Doch das Bild vom Arzt, der seine Patient*innen auf der Couch analysiert, ist fest zementiert und ein beliebtes Motiv schon in ganz frühen Cartoons.
In Ihrer Abhandlung über „Freud in der Populärkultur“ hat die Züricher Kulturwissenschaftlerin Brigitte Frizzoni etliche humoristische Kommentare zu den berüchtigten, oft langwierigen Therapie-Sitzungen beschrieben. So zeichnet der Cartoonist David Sipress für den „New Yorker“ einen Trauergottesdienst in der Kirche. Aufgebettet im Sarg der Patient, im Sessel daneben der Analytiker, der den erstaunten Traugästen erklärt: „He's still in therapy“ – „Er befindet sich noch immer in Therapie.“
Auch „therapeutische Cartoons“ u.a. von Schilling & Blum stellen immer wieder die berühmt berüchtigte Couch in den Mittelpunkt. Kurzkommentar des Arztes zum leidgeprüften Patienten: „Sie sind nicht depressiv. Sie haben nur ein beschissenes Leben.“
Therapie-Sitzen ist Kult – die Psychotherapie im Film
Nach einer Einladung an die Clark University 1909 in Worcester wurde Sigmund Freud auch in den USA bekannt. Angeblich soll Filmproduzent Samuel Goldwynn dem Psychoanalytiker 100.000 Dollar geboten haben als Beratungshonorar für die nächste große Liebesgeschichte.
Kaputte Beziehungen, neurotische Verhaltensweisen – für alle, die etwas auf sich halten, ist der Besuch beim Analytiker Pflicht. Ein reizvolles Thema für den Film.
So lässt Regisseur Woody Allen den gestressten Großstadtmenschen auf der Couch Platz nehmen und mit „Der Therapeut“ geht 2007 eine vier Staffeln umspannende Serie an den Start, die sehr intensiv Sitzungen und Gespräche zwischen Arzt und Patient*innen verfolgt. Aber auch Freud selbst ist zum Filmstar geworden.
Freud als Detektiv – Sherlock Holmes lässt grüßen
Mitten im Corona-Lockdown startete Netflix mit „Freud“ eine Serie, die den jungen Psychoanalytiker in den Blick nimmt: Elternhaus, Liebschaften, sein Bemühen als aufstrebender Mediziner, von einer konservativen Wissenschaft anerkannt zu werden.
Keine wirklich lupenreine biografische Annäherung, zumal bei dieser österreichisch-deutschen Koproduktion das Mystery-Genre im Vordergrund steht. Freud, der in einen Strudel geheimnisvoller Ereignisse hineingezogen wird, geht als Ermittler auf Mörderjagd.
Psychoanalyse und Kriminalistik scheinen eine perfekte Mischung abzugeben, wie auch die Hörspielreihe „Professor Sigmund Freud“ beweist. Das Setting ist ähnlich, das Geschehen spielt im Wien um die Jahrhundertwende, doch diesmal ist es ein Gendarm, der den berühmten Psychoanalytiker um Hilfe bei der Aufklärung seiner Fälle bittet.
Dass es eine Verbindung zwischen der Arbeit des Therapeuten und des Untersuchungsrichters gibt, hat Freud selbst in einem Vortrag 1906 betont: „Wir sollen das verborgene Psychische aufdecken und haben zu diesem Zwecke eine Reihe von Detektivkünsten erfunden.“
Die Faszination des Abgründigen
„Freud lebt!“ lautet der Titel einer kulturwissenschaftlichen Studie aus dem Jahr 1997 und das stimmt. Der Psychoanalytiker und seine Reflexionen sind beeindruckend selbstverständlich präsent: in Sprache und Film, in Cartoons und Comics und auch in der Musik.
In seinem „Sigmund Freud Songbook“ hat der Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Klaus Theweleit 100 Jahre Popgeschichte untersucht und Freuds Spuren u.a. bei den Beatles, Leonard Cohen, Guns N´Roses oder auch Madonna entdeckt.
Was macht Freud so populär? Die Zürcher Kulturwissenschaftlerin Brigitte Frizzoni sieht gleich mehrere Gründe für die Beliebtheit des Wiener Arztes und seine Theorien: seine charismatische Persönlichkeit, die legendären Therapiesitzungen, vor allem aber die Suche nach dem Verdrängten.
Der Freudsche Kosmos – so scheint es – hat etwas von einer faszinierenden Abenteuerreise, gefährliche Untiefen inclusive.