Mindset, Motivation, Manipulation

Selbstoptimierung und Life Coaches: Gefährlicher Trend oder doch zum Lachen?

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Autor/in
David Kirchgeßner
David Kirchgeßner ist Redakteur bei SWR Aktuell in Rheinland-Pfalz.

Die Branche rund um Selbstoptimierung, Mindset und Business Coaches boomt – nicht nur zum Jahreswechsel mit guten Vorsätzen. Doch schwarze Schafe und deren Methoden sorgen immer wieder für Kritik. Die Szene liefert aber auch Stoff für Comedy und Satire.

Laura Seiler
Laura Seiler gilt als „Superstar der spirituellen Szene in Deutschland“: In Online-Seminaren bietet sie Interessierten „ein besseres Leben“ an, sie ist nur eine von Vielen auf dem umkämpften Mindset-Markt.

Die ersten guten Vorsätze für das neue Jahr sind inzwischen vielleicht schon über Bord geworfen. Lag es am falschen Mindset – also der falschen Einstellung? Das würden wohl viele der Business, Life oder Motivations Coaches sagen, die auf Instagram, in Büchern, Podcasts oder teils für viel Geld in Online-Kursen und Seminaren ihre Beratung anbieten.

Lebensberatung folgt einer langen Tradition

Bekannte Größen wie Laura Malina Seiler oder Bodo Schäfer haben Hunderttausende Followerinnen und Follower. Offenbar gibt es gerade in unserer Zeit und Gesellschaft einen großen Bedarf an Lebenshilfe.

Dabei hat Beratung eine lange Geschichte: In der griechischen Antike wurde das Orakel befragt, im alten Rom die Auguren – die durch Beobachtung von Vögeln und anderen Tieren den Willen der Götter deuten sollten.

Zeus
Göttervater Zeus befragt das Orakel in Delphi. Griechische Vasenmalerei um 440 vor Christus.

Die dunkle Seite der Selbstoptimierung

Aber erst heute scheint es als Coaching zum Massenphänomen zu werden. Ob beim Life- oder Gesundheits-, Burnout- oder Business-, Ziele- oder Krisen-Coaching: Beratung und Training im Seminar-Format gilt vielen als Weg zu Erfolg, Wohlstand und Glück. Die Beschäftigung mit dem verunsicherten "Ich" ist in unübersichtlichen Zeiten ein lukratives Lifestyle-Phänomen geworden.

Doch die angeleitete Selbstoptimierung durch Pseudo-Coaches steht selbst oft in der Kritik: Kaum wissenschaftliche Standards, zu viel Wildwuchs, keine geschützte Berufsbezeichnung. Denn jeder kann sich Coach oder Berater nennen – mit zum Teil dramatischen Folgen.

Coaching-Szene liefert Stoff für Comedians

„Es mag ja auch gute Coaches und Lehrer und alles geben. Aber es gibt ganz viele Flachzangen in dem Bereich, und die verarschen wir mit Wonne, weil die uns auf den Sack gehen und dass irgendwie jeder eben sagen kann: Ich bin ein Life Coach“, so Ariane Müller. Sie ist ein Teil des Comedy-Duos Suchtpotenzial, das den Selbstoptimierungswahn mit seinem Programm "Bällebad Forever" aufs Korn nimmt.

Comedy-Duo Suchtpotenzial
Ariane Müller, links im Bild, spielt Piano. Ihre Show-Partinerin Julia Gámez Martin singt.

Das Publikum lernt darin, zum Preis einer Eintrittskarte, die Yoga-Figuren von "Herabschauendem Hundesohn" bis "Leck-mich-am-Asana-Sitz" und findet musikalisch sein Krafttier.

Julia Gámez Martin, der andere Teil von Suchtpotenzial, sagt: „Im Endeffekt haben uns viele Leute gesagt, dass das total in der Zeit ist, weil wir auch über Coaching reden und über dieses ganze Mind-Setting. Und das ist natürlich gerade superpräsent in Zeiten, wo Religionen immer uninteressanter werden für die jungen Leute. Und das ist gerade so der rote Faden, der durch unser Programm führt.“

Satire trifft Verbraucherschutz

Auch die politisch-satirische ARD-Sendung Reschke Fernsehen hat sich in der Folge "Psychotricks · Die bizarre Show der Life-Coaches" mit dem Phänomen befasst.

Anja Reschke präsentiert im Ersten «Reschke Fernsehen» (undatierte Aufnahme). Das Satiremagazin wird am 02.02.2023 im Ersten ausgestrahlt.
„Themen anders erzählen, anders präsentieren“ das will Journalistin Anja Reschke in ihrer Sendung.

„Neben den wirklich vielen seriösen Coaches, die eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung haben, mit einem branchenüblichen Stundensatz von 100 bis 200 Euro, gibt es eben auch jede Menge Scharlatane, Hochstapler, Blender“, sagt Moderatorin Anja Reschke dort. Instagram-Beitrag von reschkefernsehen

Coaching ist nicht per se schlecht

Coaching kann eine gute Sache sein – wenn es von den richtigen und qualifizierten Personen durchgeführt wird. Ein Interview mit Uta Bange von der Sekten-Info Nordrhein-Westfalen zeigt jedoch: Immer mehr Menschen benötigen offenbar Hilfe nach manipulativen oder fahrlässig durchgeführten Coachings.

Diese können die Hilfesuchenden in Abhängigkeit, den finanziellen Ruin oder Schlimmeres treiben. Mitunter seien bei unseriösen Life Coaches sektenähnliche Strukturen festzustellen, so Bange.

„Am Ende bleibt nur eine harte Erkenntnis: Nicht jeder, der sich Coach nennt, hat auch das Zeug dazu, Menschen in schweren Momenten zu helfen. Im Gegenteil: Life Coaches sind weit mehr als lustige Motivationsclowns – sie können mitunter richtig gefährlich für die Psyche sein“, sagt Anja Reschke in ihrer Show.

Forum Erfolg als Lebensstil – Was bringt Coaching?

Norbert Lang diskutiert mit
Daniela Fink, Business Coach und Trainerin aus Köln
Prof. Dr. Uwe Kanning, Wirtschaftspsychologe an der Hochschule Osnabrück
Prof. Dr. Simon Roloff, Literatur- und Medienwissenschaftler von der Leuphana Universität Lüneburg

Forum SWR Kultur

Positives Denken ersetzt keine Therapie

Auch der Psychotherapeut Dr. Günter Scheich sieht das Konzept, durch positives Denken zu einer optimistischen Lebenseinstellung und Erfolg zu gelangen, kritisch. „Es ist eine Schmalspur- und Verdrängungspsychologie, die große Gefahren birgt, weil der Schwerpunkt weniger auf Kompetenz und Fähigkeiten entwickeln gelegt wird - was ja lange dauert, bis man die hat - sondern auf das schnelle, einfach nur positive Denken“, erklärt er in der Sendung SWR2 Tandem.

Das stetige Streben nach mehr und der Wunsch, besser, effizienter, erfolgreicher und vor allem glücklicher zu sein, ist für ihn ein Irrweg, der den Menschen verkrampfen lässt statt ihn zu befreien. Denn der Drang zur Perfektionierung, die Jagd nach dem vermeintlichen Optimum führt zu Unzufriedenheit und kann Auslöser für Depressionen und Ängste sein, so Psychotherapeut Scheich.

Nicht zu streng mit sich selbst sein

Sollte man nun also gar nicht an sich arbeiten und alles beim Alten lassen? Nicht zwangsläufig: „Man kann sich natürlich auch prima so akzeptieren wie man ist und trotzdem finden, dass hier und da ein bisschen Platz nach oben ist“, sagt Bestsellerautorin Alexandra Reinwarth: „Aber dann hat das etwas Leichtes und nicht diesen negativen Blick auf sich selbst.“

Wer an diesen kleinen Schwächen arbeiten und die guten Neujahrsvorsätze diesmal wirklich umsetzen will: Tipps dafür gibt es am Ende dieses Artikels – ganz ohne teure Seminargebühr.

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