„Poly“ steht in der Regel für „Polyamorie“ also eine einvernehmliche Liebesbeziehung zwischen mehr als zwei Menschen. Der Begriff „Polygamie“ dagegen wird eher für das Konzept der Vielehe angewandt, die in Deutschland verboten ist.
Wer auf Social Media in die Poly-Bubble eintaucht, lernt ein ganz eigenes Vokabular kennen. „Polykül“ etwa bezeichnet ein Beziehungsgefüge. Wenn drei Menschen miteinander in einer Beziehung sind, ist das eine „Triade“. Ist die „Beziehungsperson“ (=Partner*in) mit einer weiteren Person zusammen, die aber wiederum nicht mit einem selbst, nennt man die Person „Metamour“.
Spezielles Vokabular und Vorurteile
Für Außenstehende wirkt das oft befremdlich, wie Kommentare auf Social Media zeigen. Auch sorgt für Skepsis, dass Poly-Konstrukte manchmal wie eine Ausrede für Phänomene wirken, die wir mit Ungutem verbinden: fehlende Bindungsfähigkeit, Eifersucht, vernachlässigt und betrogen werden. Kein Wunder also, dass Skepsis aufkommt, wie zum Beispiel bei Comedian Dominic Jozwiak, unter einem Instagram-Reel zum Thema Polyamorie.
Wie bei Freunden: Eine Person muss nicht alles abdecken
Gleichzeitig sehen auch einige die Polyamorie als Lösung für Probleme, die sie aus monogamen Beziehungen kennen: Etwa, dass nicht nur eine Person alle Bedürfnisse und Wünsche erfüllen muss, sondern sich ähnlich wie in Freundesgruppen verschiedene Persönlichkeiten ergänzen können. Oder auch, dass man sich in andere Personen verlieben darf, ohne dass das die schon bestehende Beziehung bedroht.
Viele, die vorher monogam gelebt haben, sprechen von der Freiheit, aus gesellschaftlichen Zwängen auszubrechen und berichten von neuem Einklang mit sich selbst.
Viel Organisation ist gefragt
Anders als in der lang etablierten Monogamie müssen die Spielregeln jeder Poly-Beziehung erst einmal definiert werden. Gibt es eine Hierarchie in den Beziehungen? Wo sind Grenzen? Und wie schaffen wir es, trotz Mehrfachbeziehungen genug Zeit füreinander zu finden? Letzteres ist ein viel diskutiertes Thema, manche User*innnen empfehlen die Nutzung von Zeitplanungs-Apps, um das Polykül zu koordinieren.
Gleichzeitig scheinen die Konstellationen aber auch zu entlasten. Wie etwa bei Clara, die in einer polyamoren Familie ihr erstes Kind bekommen hat und erzählt, dass sie sich beim Nachhausekommen aus dem Krankenhaus „super sicher“ gefühlt hat.
SWR-Doku „Polyamorie – hält das?“ in der ARD Mediathek
Eifersucht und Ehrlichkeit
Damit solche Modelle funktionieren, ist ein hohes Maß an Ehrlichkeit und emotionaler Reife gefragt. Ein großes Thema ist auch der Umgang mit Eifersucht. Nicole von „real.polylife.germany“ ist als Polyamorie-Beraterin aktiv und berät User*innen bei poly-spezifischen Problemen.
Zum Beispiel: „Ist es normal, dass sich beide Partnerpersonen immer anzicken und ich vermitteln muss?“. Daraufhin schreibt sie: „Ja, es ist leider normal. Nein, es sollte nicht normal sein und langfristig aufgelöst werden. [..] Wichtig ist, den Ursprung dieser Reibereien zu erkennen und an der Lösung zu arbeiten, um nicht ständig eine dritte Person als Vermittler zu brauchen.“
Mehr als ein Experiment
Die Faszination hält an: Imogen, die im selben Polykül wie Clara ist, zählt in einer SWR-Doku auf dem Weg zum SWR-Nachtcafé auf, welche Medien schon über sie berichtet haben: „Vox, Vox 2, Terra X, SWR, Galileo…“
Oft ärgert sie, dass der Lebensstil nicht ernst genommen wird. Im Nachtcafé etwa sei Polyamorie im Schlusswort etwa als „Experiment“ abgetan worden. Viele würden Polyamorie als sehr unverbindlich wahrnehmen, und nicht als gleichwertige Beziehung, die lange halten kann. Auch das ständige Fragen nach ihrem Sexleben nervt sie.
Für die meisten in der Community ist der Poly-Lifestyle zur Selbstverständlichkeit geworden. Ganz im Gegensatz zu den gesellschaftlichen Vorstellungen, was sich unter anderem darin zeigt, dass eine Ehe weiterhin nur zwischen zwei Personen geschlossen werden darf.
Immerhin gibt es da einen Hoffnungsschimmer: Die Ampel-Regierung hat zu Beginn der Koalition angekündigt, eine Art Verantwortungsgemeinschaft zu schaffen, in der sich auch mehr als zwei Erwachsene offiziell zueinander bekennen können.