Spurenloser Rückbau von Atomkraftwerken geplant
Wenn es nach dem Atomgesetz geht, bleibt nicht mehr viel übrig von all den Turbinen, Kontrollräumen, Reaktoren und Kühltürmen. Der möglichst spurlose Rückbau der abgeschalteten Kraftwerkruinen in Deutschland ist gewollt.
Für jede einzelne fallen Kosten von etwa eine Milliarde Euro an. Viel Geld, das die Betreiber anderweitig einsetzen könnten, etwa in einer Nachnutzung als Veranstaltungsort oder Gedenkstätte.
In Ländern mit weniger angespanntem Verhältnis zur Atomkraft als bei uns dürfen Reaktorruinen bereits an das Ende des nuklearen Zeitalters erinnern. Die USA haben zentrale Anlagen des Oppenheimer Manhattan-Projektes zu einem National Historic Park umgebaut, in Frankreich ist der erste kommerzielle Reaktor in der Kleinstadt Chinon seit 1986 ein Atom-Museum und auch die Engländer erhalten zwar bislang keine Bauten dauerhaft, dokumentieren diese jedoch ausführlich.
Denkmal-historische Erfolgsgeschichte bereits im Braunkohleabbau
Dabei hat Deutschland bereits umfangreiche Erfahrung in der Umnutzung postindustrieller Orte. Nach dem Ende der Braunkohle wurde etwa der Tagebau Inden in Nordrhein-Westfalen in einen Naturpark mit Wanderwegen und naturnahen Lebensräumen umgebaut, aus dem Tagebau in Ferropolis entstand ein Veranstaltungsort und auch das ehemalige Eisenwerk Völklinger Hütte erinnert als Weltkulturerbe eindrücklich an eine vergangene Ära.
AKW-Nachnutzungskonzepte bereits entworfen
Außerhalb der Politik bestehen bereits Zukunftsstrategien für das unbequeme Erbe des Atomzeitalters. Allen voran ist hier das Team von Prof. Stefan Rettich vom Institut für Städtebau der Universität Kassel.
In ihrer Publikation „Nach der Kernkraft – Konversionen des Atomzeitalters“ wird klar: Ein Atomkraftwerk übersetzt sich in rund 150.000 Tonnen Betonmasse. Davon repräsentiert der kontaminierte Teil nur 2,8 Prozent. Die restlichen 97,2 Prozent Beton und Anlageteile wären wiederverwertbar. Es gibt also Alternativen zum kompletten Rückbau.
Fünf aktuell zurückzubauende Standorte haben die Studierenden hier unter die Lupe genommen. Neben den norddeutschen AKWs Brokdorf, Brunsbüttel und Krümmel sind auch zwei dabei, die für den Südwesten eine Rolle spielen.
Unmittelbar bei Worms steht das hessische AKW Biblis, das sich demnach als Naturraum für bedrohte Tier- und Pflanzenarten anbieten würde. Im 34 Kilometer von Ulm entfernten bayerischen AKW Gundremmingen böte die 160 Meter hohen Kühltürme einen riesigen Werkraum für Kunst und Großinstallationen.
Ministerium: Keine Umnutzung für Kraftwerke in BW geplant
Auf Anfrage des SWR schreibt das baden-württembergische Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft (UM), dass „die Standorte der Atomkraftwerke über eine sehr gute Stromnetzinfrastruktur verfügen und sich aus diesem Grund entsprechende Nachnutzungen anbieten.”
Doch offenbar nicht für den Erhalt als Kultur- oder Gedenkstätte, denn aktuell muss im Rahmen des Atomgesetzes abgerissen werden. Und das dauert teils Jahrzehnte. Kein Wunder also, dass bisher keine Nutzungspläne bekannt sind.
AKW-Gelände Mülheim-Kärlich wird zum Businesscenter samt Hotel
Auch in Rheinland-Pfalz verweist die Behörde auf Anfrage des SWR auf den Eigentümer des AKW Mülheim-Kärlich, das 1986 für lediglich 30 Monate ans Netz gegangen ist.
Bestrebungen, an das Atomzeitalter erinnern zu wollen, sind weder von Politik noch von der RWE Power AG zu erkennen. Auf dem bereits plattgemachten Teil des Geländes entsteht nun eine Mischung aus Businesscenter und Oldtimerausstellung.
Kein Erhalt von stillgelegten Atomkraftwerken als Denkmäler
Die anvisierte grüne Wiese könnte als bisherigen Versuch gedeutet werden, mit dem umstrittenen Thema Atomkraft künftig nicht mehr in Verbindung gebracht zu werden. Kein Platz für eine Erinnerungskultur an die zum Teil heftig geführten Auseinandersetzungen zwischen Zivilgesellschaft und Staat, die „Atomkraft-Nein-Danke”-Buttons, die Großdemonstrationen mit 100.000 Teilnehmern und massenhaftem zivilen Ungehorsam.
Der Ausstieg aus dem nuklearen Zeitalter ist ein emotional aufgeladenes Thema. Zu groß ist die Angst der Atomkraftgegner, der Erhalt würde eine Wiederinbetriebnahme erleichtern.
Niemand stoppt daher die Abrissbirnen, um, wie dem Kohlezeitalter, auch der Atomära einen nachhaltigen Abschied zu bescheren. Umbau statt Abriss würde so viel mehr den Zeitgeist treffen und zudem Unsummen einsparen.