Nach Prunk folgt der triste Alltag: Die Bundesliga geht wieder los
Es war der Sommer der großen Sport-Ereignisse: Vor wenigen Tagen gingen in Paris bildgewaltige olympische Spiele zu Ende, die 33. ihrer Art. Vor allem pompöse Bilder bleiben zurück, die den Reformbedarf bei den Spielen an vielen Stellen überlagerten.
Fast schon vergessen scheint im Angesicht des Pariser Prunks die Fußball-Europameisterschaft, die den deutschen Fußballherzen ihren verloren geglaubten liebsten Sohn, die Nationalmannschaft, wieder zurückbrachte. Doch die Deutschland-Fähnchen sind längst im Keller verstaut, mit dem Start der neuen Bundesliga-Saison steht wieder schnödes Alltagsgeschäft auf dem Plan.
Die Cash Cow Bundesliga soll von der EM profitieren
Fußballromantiker frohlocken, wenn sich Teilzeitfans und Hobby-Analysten wieder aus den Debatten rausziehen. Die Frenetischen unter den Anhängern sind wieder unter sich, wenn sich an einem Sonntagnachmittag Mannschaften wie Holstein Kiel oder der FC Heidenheim in umkämpften Abwehrschlachten die Ehre erweisen.
Und es könnte so schön sein: Montagsspiele sind seit einigen Jahren abgeschafft. Der fanseitig massiv bekämpfte Investoreneinstieg konnte verhindert werden. Liga-Vergrößerungen sind vom Tisch. Ticketkriege wie bei der EM sind undenkbar, ein Stehplatz nebst Stadionbier wieder bezahlbar. Doch es bleibt beim Konjuntiv. Denn schön ist in der Bundesliga schon lange nichts mehr.
Auch ohne Fanmeilen und prestigeträchtige Turniere ist die Bundesliga eine Cash Cow, die seitens der DFL leidenschaftlich gerne gemolken wird. Schon im vergangenen Jahr verzeichnete die Bundesliga einen Zuschauerrekord mit fast 21 Millionen Fans in den Stadien, maßgeblich gepusht von der (seit Jahren) stärksten zweiten Liga aller Zeiten.
Und die Funktionäre erhoffen sich noch mehr, der Boom soll durch die EM nun so richtig Aufwind bekommen: Von „Abstrahleffekten“ ist die Rede, das gute Erscheinungsbild als Gastgeber solle die Liga auch im Ausland populärer machen. „Der deutsche Fußball wird im internationalen Kontext profitieren“, prophezeit DFL-Geschäftsführer Dr. Steffen Merkel dem ZDF. Doch ist das wirklich so?
Ist die Bundesliga nur eine „Farmer's League“?
Die Wahrheit ist: Im europäischen Ausland ist die Bundesliga eine belächelte Randerscheinung. Man nennt sie spöttisch „Farmer's League“, eine Bauern-Vereinigung – unter internationalen Fans spielt sie kaum eine Rolle. Wenngleich man sportlich auf europäischer Ebene regelmäßig das Gegenteil beweist, Deutschland hat immerhin in der vergangenen Saison in der UEFA-Fünfjahreswertung die zweitmeisten Punkte eingefahren, interessiert sich einfach niemand für unsere Liga.
Woran das liegt? Böse Zungen würden sagen, im Ausland haben nur die Scouts der großen Vereine ein Abo für die Bundesliga, um die wenigen aussichtsreichen Spieler schnellstmöglich abzuwerben. Freundlichere Zungen würden sagen: Man hat einen Trend verschlafen. Den Trend zum Event, wie ihn die amerikanische NFL seit Jahren vorlebt und wie Fans ihn hierzulande mit Leib und Seele zurecht bekämpfen. Doch in abgeschwächter Form ist er längst auch in der Bundesliga angekommen, zum Leidwesen der deutschen Fans.
Die DFL wird zum Narren gehalten
Auch aus Verbandssicht stinkt Deutschland ab: UEFA und FIFA planen munter ihre Rahmenterminkalender, setzen Turniere nach Belieben an, inaugurieren die scharf kritisierte Klub-WM. Und die DFL? Genießt bei all dem kein Mitspracherecht.
Leidtragend sind am Ende die Spieler, die keine Verschnaufpause bekommen und die Fans, die am kürzesten aller Hebel sitzen. Keine Spur von Fußballromantik, wenn immer mehr neue Turniere aufploppen, die die Spieler an die Grenze des Leistbaren und Fans an den Rand des Ertragbaren bringen. Je mehr Spiele, Supercups, Turniere und Ligen angesetzt werden, je egaler wird der Sport irgendwann.
Was bleibt sonst von der EM?
Unvergessen die Bilder der Europameisterschaft, als eine millimetergenaue Abseitsentscheidung des Videoassistenten dem deutschen Team in der Vorrunde des Turniers den Sieg gegen Dänemark bescherte. Ausnahmsweise ein Grund zur Freude über die Videoauswertung, denn Ärger mit dem Videoassistenten stand bei der EM auf der alltäglichen Bingo-Karte.
Der „Kölner Keller“, wo die Videoassistenten seit 2017 sitzen, glänzte nicht immer mit einem guten Händchen (ganz im Gegensatz zu Cucurella im Spiel gegen Deutschland, aber das ist eine andere Geschichte) – und wird in seiner Funktion auch in der kommenden Bundesligarunde wieder für sprengstoffreiche Diskussionen sorgen.
Auch die Influencer werden den Stadien erhalten bleiben, aus der Kurve vloggen, sich mit dem Zugpferd Fußball schmücken und ihren Followern ein Stück des Events mit nach Hause bringen. Ob man das möchte oder nicht, die Eventisierung des Sports hat auch die bisweilen belächelte Bundesliga längst verschlungen.
Buhrufe zur Saisoneröffnung wird es vermutlich auch dieses Jahr geben
Nun also übernimmt der Vereinsfußball wieder die Hoheit in den Wohnzimmern der Deutschen, zumindest bei denen, die ihre Abos bei den Streaming-Anbietern nach der EM nicht wieder gekündigt haben. Das Eröffnungsspiel bestreiten Meister Leverkusen und Gladbach, die am Freitagabend im Rheinderby aufeinandertreffen.
Nicht fehlen darf dabei natürlich eine prunkvolle Eröffnungszeremonie mit Event-Charakter. Im Vorjahr gaben die Country-Barden von The BossHoss die Nationalhymne zum Besten, ernteten Pfiffe und Buhrufe. Wer in diesem Jahr für die musikalische Untermalung sorgt, ist bislang nicht bekannt.
Ein völlig losgelöster Peter Schilling? EM-Saxofonist Andre Schnura? Egal, es könnte Wolfgang Amadeus Mozart persönlich sein, denn für die Fans zählt nur eines: Der Fußball. Doch da müssen sie wohl oder übel durch, denn die Bundesliga war schon lange vor der Heim-EM ein auf Erlebnis ausgerichteter Konsumbetrieb.
Immerhin, ein Wermutstropfen bleibt: Vor selfiejagenden Flitzern, wie sie bei der EM fast schon zur Tagesordnung gehörten, muss man sich bei Paarungen wie Hoffenheim gegen Wolfsburg zumindest keine Sorgen machen. Wer Fußballromantik ohne Eventcharakter sucht, sollte sich auf den Amateur-Bereich fokussieren.