Letzte Lebenszeichen von Kriegsopfern
Wer darauf achtet, kann nicht nur in den Wäldern der Eifel Baumritzungen entdecken, mit denen sich Soldaten ebenso wie Zivilistinnen verewigten. Ritzungen in die Rinde von Bäumen – mit Datum, Initialen und kunstvollen (Selbst-)Darstellungen, die oft ein letztes Lebenszeichen darstellen.
„Diese Form von Denkmalen ist wenig bekannt und muss auch in Fachkreisen Beachtung finden“, findet Julian Gröber, Revierleiter beim Forstamt Neuerburg in der Eifel.
Der 25. April ist der Tag des Baumes
Klimawandel gefährdet die natürlichen Zeitzeugen
Durch den Klimawandel und das zunehmende Baumsterben seien die Arborglyphen stark gefährdet, erklärt Gröber. Sie müssten etwa durch Scans der Rindenoberfläche erhalten werden. Der Förster hat in seinem Wald viele Arborglyphen entdeckt.
Der Begriff setzt sich aus dem lateinischen Wort „arbor“ (Baum) und der griechischen Bezeichnung „glyphe“ (einritzen, gravieren) zusammen. Geritzt wurde sehr oft in Buchen, deren glatte Rinde sich besonders gut dafür eignet. Die Buche ist allerdings auch ein Baum, der besonders stark unter dem Klimawandel leidet.
Einmalige Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs
Arborglyphen wurden von allen Kriegszeugen gestaltet, auch von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern. Sie sind einmalige Zeitzeugnisse, die die Gedanken, Sorgen und Ängste der Menschen widerspiegeln. Und sie zeigen bis heute: „Ich war hier“.
Zu Kriegszeiten schwang auch immer die Botschaft, „Ich lebe noch“ mit, denn der Tod war allgegenwärtig. So steht hinter jeder Baumritzung dieser Zeit ein persönliches Schicksal.
„Fuck Hitler“ und Hakenkreuz
Viele Einritzungen verweisen per Datum auf einen Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg. Manchmal findet man ein geritztes Hakenkreuz, das Eiserne Kreuz oder Soldaten-Figuren. Im Wald von Luxemburg fand sich der Schriftzug „Fuck Hitler“, vermutlich von einem amerikanischen Soldaten.
Oft haben Soldaten auch nur ihre Herkunft eingraviert. Entstanden sind die Arborglyphen in ruhigen Phasen, während der Kampfhandlungen war dafür keine Zeit. Aber auch Einheimische bezogen mit geritzten Botschaften wie „Nazis raus“ Stellung.
Zeitzeugnisse für die Zukunft bewahren
Durch das Wachstum der Bäume werden die Arborglyphen immer undeutlicher und dadurch übersehen. Wenn man Einritzungen zum Zweiten Weltkrieg findet, sollte man sie gleich fotografieren und den Standort z.B. auf einer Karte markieren, rät Förster Julian Gröber.
An der Universität Osnabrück laufen Versuche, die Ritzungen durch Einscannen zu dokumentieren, um sie einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Auch das Militärmuseum im luxemburgischen Diekirch zeigt den Stammabschnitt einer Buche mit einer Arborglyphe.