„Das Tor Europas“ – erhellende Analyse der ukrainischen Geschichte
Es gibt wenige Bücher, die mich zum Weinen bringen. Dieses Buch von Serhii Plokhy gehört dazu. Wenn ich es lese, dann begreife, erlebe und überdenke ich die Geschichte der Ukraine neu. Vor allem dann, wenn man wie ich dieses Buch in der anderen Heimat liest, in Deutschland.
Das Buch heißt übersetzt „Das Tor Europas“ und ist 2015 im Original erschienen, auf Deutsch erscheint es im September 2022. Der Autor, der ukrainisch-amerikanische Serhii Plokhy, ist Harvard-Professor und einer der international bedeutendsten Historiker für ukrainische und osteuropäische Geschichte .
Rückblickend verstehen wir, dass Plokhy viele der aktuellen Entwicklungen vorausgesehen hat. Auch in in seinem im Mai 2022 erschienenen Essayband „Die Frontlinie“, analysiert Plokhy die spannungsreiche ukrainisch-russische Geschichte.
Kleine ukrainische Bibliothek in der Stuttgarter Wohnung
Bis der Krieg ausbrach, war ich oft in der Ukraine, ich hatte viele Projekte dort. Jedes Mal nahm ich zwei bis drei Bücher auf Ukrainisch mit. So ist in meiner Wohnung in Stuttgart eine kleine Bibliothek entstanden.
Familie hat Zuflucht in Stuttgart gefunden
Seit Kurzem findet die Bibliothek eine neue Verwendung: denn jetzt ist meine Familie da, meine Mutter, mein ältester Bruder mit seiner Frau und den Kindern. Sie gehen an die Regale und holen sich die ukrainischen Bücher. Durch die neue Situation sehe ich diese Bücher unter einem neuen Blickwinkel.
Der Vater brachte Kaffee aus Deutschland mit
Für meine deutsche Seite habe ich die Kaffeebohne ausgewählt. Mein Vater war Deutschlehrer, 1995 hatte er mit seiner Klasse seine erste Deutschlandreise. Es war Winter, kurz vor Weihnachten, und er brachte uns Kaffee mit. Das war meine erste Begegnung mit deutschem Kaffee. Den ungewöhnlichen Geruch werde ich nie vergessen.
Die geflohene Mutter erinnert der Kaffee an ihre Heimat in der Ukraine
Wenn ich bisher in die Ukraine fuhr, musste ich deutschen Kaffee mitbringen. Meine Mutter bestellte immer zwei Päckchen. Jetzt, wo sie geflohen ist, hat sie im Kaffee etwas gefunden, das sie mit ihrer Heimat verbindet. Sie trinkt eine Tasse in meiner Wohnung in Stuttgart und erinnert sich an ihre Wohnung in der Ukraine. So ist es: man sucht nach Verbindungen und Erlebnissen, die man wie in einem kleinen Koffer mit sich tragen kann. Ein Päckchen Kaffee und ein Buch passen wunderbar in jede Handtasche.
Deswegen habe ich nicht Musik oder ein Instrument ausgewählt – auch wenn man denkt, dass es in meinem Fall naheliegend wäre. Musik ist omnipräsent, sie begleitet mich überall. Egal wo ich bin – über jede Musik kann ich Verbindungen schaffen, die mich an Heimat erinnern.