Kinderärzte am Limit

Überlastete Kindermedizin - Das können Eltern von der Krankenhausreform erwarten

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Katharina Fortenbacher-Jahn
Katharina Fortenbacher-Jahn, SWR Aktuelle Wirtschaft
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Jutta Kaiser
Bild von Jutta Kaiser aus der SWR-Wirtschaftsredaktion.

Viele Kinderärzte in Praxen und Kliniken sind überlastet. Die Krankenhausreform soll auch ihre Situation verbessern. Womit Eltern rechnen können.

Anfang Dezember hat der Bundestag Reformen im Gesundheitswesen beschlossen, erste "Notfalltreformen" - so formuliert es Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Dazu gehört, dass Kinderkliniken in den kommenden beiden Jahren Zuschüsse von bis zu 300 Millionen Euro pro Jahr bekommen können. Außerdem sollen bestimmte Behandlungen künftig auch ohne Übernachtung möglich sein und die Krankenhäuser sollen sie abrechnen können. 

Was in der Krankenhausreform geplant ist

Vorschläge für weitere Reform-Schritte hat Lauterbach gemeinsam mit Mitgliedern der Krankenhauskommission am 6. Dezember 2022 vorgestellt. Lauterbach sprach von einer Revolution.

"Die Medizin wird wieder in den Vordergrund gestellt und folgt nicht der Ökonomie."

Ein Teil davon ist, dass Krankenhäuser künftig mit 40 bis 60 Prozent dafür bezahlt werden sollen, dass sie Betten, medizinisches Gerät und Personal bereithalten. Den Rest der Vergütung sollen sie weiterhin als sogenannte Fallpauschalen - also eine feste Vergütung pro Patient je nach Diagnose und unabhängig vom Aufwand - bekommen, damit die Kosten nicht explodieren.

Unter Fallpauschalen versteht man ...

Fallpauschalen passen schlecht zur Kindermedizin

Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen erfordert häufig mehr Zeit und sie ist schlechter planbar als in anderen Fachbereichen - wegen vieler Notfälle. Das System der Fallpauschalen passt nach Ansicht von Expertinnen und Experten daher speziell zur Pädiatrie nicht gut. In einigen Bereichen soll das Vorhalten von Leistungen daher mit 60 Prozent so stark wie möglich gewichtet werden - zum Beispiel in der Versorgung von Frühchen und Neugeborenen.

Wie die ersten Reformschritte und Reformvorschläge zur Krankenhausvergütung in der Praxis ankommen, hören Sie im Beitrag von SWR-Wirtschaftsredakteurin Geli Hensolt. Sie hat in der größten Kinderklinik Deutschlands in Stuttgart nachgefragt und viel Skepsis gehört - und ebenso beobachten können, wie die tägliche Arbeit ärztliche und Pflege-Beschäftigte an die Grenzen bringt.

Gesundheitsökonom Jonas Schreyögg, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, hält die Reform für einen Schritt in die richtige Richtung. Dadurch, dass Kliniken sich in Zukunft nur noch zum Teil über Fallpauschalen finanzieren, hätten sie allerdings weniger Anreiz, möglichst viele Fälle zu erbringen. Die Fallpauschalen seien daher tatsächlich ein sehr wichtiger Punkt. Jede Form der Vergütung habe Vor- und Nachteile. Jetzt begebe man sich stärker in die Mitte zwischen den Extremen, entweder alles zu vergüten oder rein auf Fallpauschalen abzustellen.

Experte: Notfallversorgung muss reformiert werden

Gleichzeitig hält der Experte weitere Reformschritte für notwendig, vor allem in der Notfallversorgung. Das werde auch Kindern zugute kommen. Hier müssten Staus vermieden werden. Die Vorhaltepauschale werde zwar auch hier einen Teil zur Entlastung beitragen, Notsituationen wie die aktuelle zu verhindern. Allerdings sei damit zu rechnen, dass das viele Jahre dauern werde.

"In Deutschland werden 45 Prozent aller Menschen, die in den Notaufnahmen sind, dann auch stationär aufgenommen. Das ist extrem hoch im internationalen Vergleich."

Deswegen sei es wichtig, Patientenströme besser zu steuern, damit leichtere Fälle erst gar nicht in der Notaufnahme landeten. Disponentinnen und Disponenten in den Rettungsleitstellen sollten auch Eltern beraten können und Termine bei Kinderarztpraxen vermitteln. So würden in der stationären Versorgung Betten frei.

Unterschiedliche Versorgungsdichte mit Kinderärzten  

Gleichzeitig stößt die geplante Reduzierung von Krankenhausübernachtungen auch auf Skepsis, ob niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, also auch Kinderärzte, die Kapazitäten dafür haben. Gesundheitsökonom Schreyögg erklärt dazu, darauf könne flexibel reagiert werden, je nachdem wie die ärztliche Versorgung in der Region sein. In Regionen mit wenigen Ärzten müssten die Krankenhäuser mehr ambulante Leistungen übernehmen.

Die beiden Bereiche der niedergelassenen Kinderärzte und der Kinderkliniken arbeiten an vielen Stellen Hand in Hand bei der Versorgung kleiner Patientinnen und Patienten, und haben eine gemeinsame Sorge. Davon hat Kinderarzt Dr. Markus Sandrock aus Staufen im Breisgau SWR Wirtschaftsredakteurin Stephanie Geißler bei ihrem Besuch berichtet, an einem von gerade besonders vielen langen Arbeitstagen.

Jakob Maske, Sprecher des Berufsverbands Kinder- und Jugendärzte, kritisiert, durch Einsparungen über viele Jahre hinweg hätten Praxen geschlossen und in Kliniken Betten abgebaut werden müssen. So sei die schwierige derzeitige Lage entstanden. Positiv an der Krankenhausreform sei, dass sie die Kinder- und Jugendmedizin in den Vordergrund gerückt habe. Es sei klargestellt worden, dass sie sich finanziell nicht lohne und deswegen bezuschusst werden müsse. Trotzdem sei der Wille zur Reform noch keine Garantie, dass sich die Situation verbessere.

"Es sind erstmal Vorschläge, noch kein Gesetz."

Berufe in der Kindermedizin müssen sinnvoll bezahlt werden

Außerdem sei es notwendig, die Rahmenbedingungen für medizinische Fachberufe zu verbessern, wie zum Beispiel die Bezahlung. Außerdem müssten alle Leistungen vergütet werden, die in den Kinderpraxen und -kliniken erbracht würden. Die Gefahr sei gering, dass Kinder unnötig behandelt würden, um damit Geld zu verdienen.

Maske sieht vielmehr eine Gefahr darin, sich im ambulanten Bereich zu sehr auf medizinische Versorgungszentren zu verlassen, die von Investoren und deren Interessen geleitet seien. Hier würden Patienten, die chronisch krank seien, möglicherweise abgewiesen.

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