Pfadfinder rösten Marshmallows am Lagerfeuer (Symbolbild)

Eltern sollten sich gut informieren

Zeltlager und Ferienfreizeit: Wie gut werden Kinder geschützt?

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Autor/in
Andrea Lohmann
Andrea Lohmann, Online-Redakteurin bei SWR Rheinland-Pfalz Aktuell

Jugendfreizeiten und Zeltlager sind ein beliebter Ferienspaß. Wie gut sind die Kinder auf diesen Reisen vor Übergriffen und Missbrauch geschützt? Worauf sollten Eltern bei der Auswahl achten?

Eine aktuelle Recherche des SWR-Investigativformats "Vollbild" hat Missstände bei einem kommerziellen Anbieter von Ferienlagern aufgedeckt. Es geht um sexuellen Missbrauch einer Fünfjährigen, aber auch um Alkohol- und Drogenkonsum.

Viele Zeltlager und Kinderfreizeiten werden in Rheinland-Pfalz auch von nicht-kommerziellen Veranstaltern angeboten. Insbesondere kirchliche Träger organisieren viele Sommerfreizeiten. Was wird hier für den Schutz der Kinder getan? Wir haben mit Vertretern des CVJM-Westbund (dazu gehören auch Teile von Rheinland-Pfalz), dem Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) sowie dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDJK) in der Diözese Mainz gesprochen. Außerdem hat uns Abiturientin Milena Jeffries, Betreuerin bei der Katholischen jungen Gemeinde (KjG) Liebfrauen in Worms, von ihren Erfahrungen berichtet.

Führungszeugnisse sind Pflicht

In der Vollbild-Recherche fiel auf, dass im beschriebenen Fall kein erweitertes Führungszeugnis vom künftigen Betreuer verlangt wurde. Bei Ferienfreizeiten, die von freien Trägern der Jugendhilfe angeboten werden, gibt es aber eine klare Anforderung aus dem Sozialgesetzbuch (Achtes Buch): Betreuer müssen ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen - Pfadfinder, CVJM-Westbund und BDJK bestätigen dem SWR, dass dieser Anforderung auch nachgekommen wird. Bei den Pfadfindern werden diese Führungszeugnisse dann standardmäßig einer Anwaltskanzlei zur Einsicht und Kontrolle vorgelegt, erklärt Annalena Kretschmer vom BdP.

Erst Schulung, dann Betreuung

Abiturientin Milena Jeffries ist seit zwei Jahren bei der KjG Liebfrauen in Worms als Betreuerin mit Kindern und Jugendlichen auf Freizeiten unterwegs. Sie hat einen Tag lang einen Präventionskurs absolviert: "Der Nähe-und Distanz-Kurs hat mir im Verhältnis mit den Kindern extrem geholfen, auch wenn man letztlich doch immer ein bisschen ins kalte Wasser geschubst wird." Sie habe gelernt, Distanz zu wahren.

Wer für CVJM, Pfadfinder oder katholische Jugend als Teamer auf Freizeiten gehen möchte, muss genau wie Milena Jeffries bestimmte Schulungen durchlaufen. Oft werden dafür von den Dachverbänden Mindeststandards vorgegeben. Jendrik Peters vom Fachteam Schutzauftrag vom CVJM-Westbund sagt: "Eine Präventionsschulung ist bei uns für alle Pflicht, damit jede*r für das Thema sensibilisiert ist."

Neben der Präventionsschulung werde aber vom CVJM Westbund auch erwartet, dass Teamer die "Juleica" haben. Diese Jugenleiter*in-Card ist der Nachweis für eine 30-stündige Qualifizierung im Bereich Jugendarbeit.

Bei den Pfadfindern sind die Schulungen von Anfang an umfassender. Die erste Basisausbildung beginnt mit 13 oder 14 Jahren und dauert eine ganze Woche. Darauf aufbauend gibt es weitere einwöchige Qualifizierungen.

Schulungen bewirken mehr Achtsamkeit

Anja Krieg arbeitet beim Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) in Mainz und hier im Referat Politische Bildung/Prävention. Aus ihrer Sicht tragen die Schulungen Früchte, denn: "Die Leute vor Ort reden miteinander über ihre Grenzen, über angemessenes pädagogisches Verhalten. Und sie melden sich, wenn sie Fragen haben."

Sie erlebe ein unheimliches Engagement von jungen Menschen für eine Atmosphäre, in der alle sich wohl und sicher fühlen können. So gehörten in ihrer eigenen Zeltlagerzeit etwa Nachtwanderungen "auch für Kinder mit großer Angst davor" ganz selbstverständlich zum Pflichtprogramm. "Heute wird überlegt, wie man Nacht und Dunkelheit positiv und freiwillig erlebbar machen kann" und wie Zurückbleibende angemessen betreut werden können.

Umfassende Schutzkonzepte

Die vorgesehenen Schulungen sind Teil von umfassenden Schutzkonzepten, die die nicht-kommerziellen Anbieter für sich und ihre Mitgliedsverbände aufgestellt haben. Neben der Prävention hat darin auch die Intervention einen wichtigen Platz. Was ist zu tun, wenn ein Kind oder ein Teamer einen Vorfall meldet? Wer sind die richtigen Ansprechpartner, wie sind die Meldewege, wie lauten die Telefonnummern?

Im Rahmen ihres Schutzkonzeptes haben die Pfadfinder seit mehreren Jahren das "intakt"-System aufgebaut. Das ist ein Interventionsteam, das hilft, sobald Vorfälle gemeldet werden. Je nach Fall werden auch externe Experten wie der Frauennotruf zurate gezogen, wenn es um sexuellen Missbrauch geht.

Annalena Kretschmer arbeitet im Landesverband Rheinland-Pfalz im Arbeitskreis "intakt" mit. Sie erklärt, dass "grenzverletzendes Verhalten gemeinsam mit dem Landesvorstand des BdP geregelt wird". Sobald es um Übergriffigkeiten geht, werde der Bundesvorstand an Bord geholt.

Bei den Pfadfindern ist viel auf den Weg gebracht worden, Stillstand gibt es dennoch nicht. Kretschmer berichtet, dass das Schutzkonzept derzeit überarbeitet werde. Außerdem sei auf der letzten Bundesversammlung im Mai ein neuer Alkoholkodex beschlossen worden.

Schutzkonzepte: Theorie und Praxis

Schulungen, Notfallteams, Telefonnummern und Meldeketten: All das wird umfassend in den Schutzkonzepten zusammengstellt. Es stellt sich aber die Frage, wie geduldig das Papier ist. Wie gut kommt die Theorie im Zeltlager jeder kleinen Gemeinde an?

Kinder spielen tauziehen.
Für Kinder sind Ferienfreizeiten ein großer Sommerspaß. Eltern sollten sich Schutzkonzepte und Regeln vorher genau anschauen und mit ihren Kindern besprechen. (Symbolbild)

Annalena Kretschmer vom Interventionsteam der Pfadfinder glaubt: Im Landesverband Rheinland-Pfalz habe sich das System mittlerweile gut etabliert. Ihr Team bekäme häufig Anfragen, es werde oft um Rat gefragt. Das habe aber seine Zeit gebraucht: "Die Menschen müssen erst verstehen, es ist okay, wenn ich etwas anspreche oder melde, es ist kein Verrat an meinen Freunden."

"Das Thema muss Priorität bekommen"

Es gibt also offensichtlich Fortschritte beim Schutz von Kindern und Jugendlichen in der Freizeit. Jendrik Peters vom CVJM-Westbund mahnt aber: "Das Thema muss auf allen Ebenen wichtig sein und Priorität bekommen. Wir machen das nicht 2, 3 Jahre und dann kommt ein neues Brenner-Thema." Die Aufgabe, Menschen, die uns anvertraut werden zu schützen und ihnen zu helfen bleibt." Deshalb brauche es verpflichtende Schutzkonzepte und mehr personelle Ressourcen, und zwar hauptamtliche.

Betreuerin Milena Jeffries sagt selbstkritisch: Die Nähe-und-Distanz-Schulung habe das Augenmerk darauf gelegt, dass sie ihr eigenes Verhalten reflektiert. Angesprochen auf Interventionen, wenn es zu einem Übergriff durch einen Teamer kommen sollte, sagt sie: "Ich bin ganz ehrlich, ich hoffe, dass so etwas wie ein Missbrauch durch ein Teammitglied niemals vorkommt. Ich wäre schon in erster Linie ein Stück weit überfordert."

Hier würde sie sich für sich selbst eine bessere Qualifizierung und Information wünschen. Milena ist außerdem dafür, dass Schulungen aufgefrischt werden müssen: "Es gibt Leute, die haben mit 17 ihre Schulung gemacht und die sind jetzt 30."

Eltern müssen genau hinschauen und Fragen stellen

So lange es keine einheitlichen Qualitätsstandards gibt, an denen sich Eltern orientieren können, müssen diese im Detail hinschauen, wenn ihr Kind auf eine Freizeit mitfahren möchte. Das fängt an bei der Vorlage des erweiterten Führungszeugnisses der Betreuer.

Anja Krieg vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend rät Eltern, die Angebote vorher genau unter die Lupe zu nehmen: "Ich würde mir ganz genau anschauen, mit wem ich mein Kind da wegschicke, was für eine Gruppe das ist, wie sie arbeiten." "Oft haben die Teams einen Instagram-Account, das lohnt sich, den anzuschauen", so Krieg weiter. Dabei gehe es nicht nur um das Programm, sondern eben auch um das Schutzkonzept und die Regeln, die für die Freizeit gelten. "Das sollte mit dem Kind gut besprochen werden. Es sollte den Rahmen kennen. Und dann mitentscheiden dürfen, ob es teilnehmen möchte", so Krieg weiter.

Eine weitere wichtige Frage: "Was ist, wenn mein Kind auf jeden Fall heim möchte und wie kann es mit mir Kontakt aufnehmen?" Es müsse auf jeden Fall geklärt sein, welche Exit-Optionen es gibt: Und am Ende, so Krieg, müsse man sich fragen: "Habe ich ein gutes Gefühl bei den Antworten auf all die Fragen, die ich mir gestellt habe."

Weitere Informationen, wie sich Eltern gut über verschiedene Angebote informieren können, finden sich auf der Website von Reisenetz, einem Fachverband für Kinder- und Jugendreisen.

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