Vorwürfe eines Vaters aus Schleswig-Holstein

War ein Flüchtling aus der Pfalz an der Tötung eines Studenten in Syrien beteiligt?

Stand
Autor/in
Eric Beres

Unter den Männern, die die Bundesanwaltschaft am Mittwoch wegen Kriegsverbrechen in Syrien festgenommen hat, ist ein Geflüchteter aus der Pfalz. Im SWR wirft ihm ein Familienvater aus Schleswig-Holstein vor, an der Tötung seines Sohnes beteiligt gewesen zu sein.

Es ist der 13. Juli 2012. An diesem Tag sollen Milizen des syrischen Machthabers Assad in dem Palästinenser-Viertel Al-Yarmouk in der syrischen Hauptstadt Damaskus eine friedliche Demonstration gewaltsam niedergeschlagen haben. Dabei sollen mindestens sechs Menschen gestorben sein. Daran beteiligt war laut Mitteilung der Bundesanwaltschaft auch Mahmoud A., ein 51-jähriger staatenloser syrischer Palästinenser, der am Mittwoch in Frankenthal festgenommen wurde. Er und andere Beschuldigte sollen Mitglieder einer berüchtigten Miliz der "Free Palestine Movement" (FPM) gewesen sein, die in dem Viertel die Kontrolle ausübte.

Ende 2020 erinnerte die in London ansässige Organisation "Action Group for Palestinians of Syria" mit einem Meme in den sozialen Medien an Eyass’ Tod.
Ende 2020 erinnerte die Organisation "Action Group for Palestinians of Syria" an den Tod von Eyass.

Was das bedeutete, darüber berichtet nun ein Familienvater aus Schleswig-Holstein dem SWR. Er ist syrischer Palästinenser und nach eigenen Angaben 2013 mit seiner Familie nach Deutschland geflohen. Einer seiner Söhne, der damals 22-jährige Eyass, sei das erste Opfer bei jener Demonstration im Jahr 2012 in Damaskus gewesen. Er habe zuvor Wirtschaftswissenschaften studiert und später in einer Bank arbeiten wollen. Nie habe er etwas mit Waffen zu tun gehabt. Er habe an diesem Tag als Aktivist eine friedliche Demonstration mit seiner Kamera dokumentieren wollen. Bei der Demo habe ihn dann ein Kopfschuss getroffen. "Er ist vor meinen Augen gestorben“, berichtet der Familienvater.

Video soll getöteten Studenten zeigen

Als Beleg schickt er ein Video, das den blutüberströmten Körper seines Sohnes Eyass unmittelbar nach dessen Tod zeigen soll. Außerdem Fotos, darunter eines von Eyass‘ damaligem Zimmer, das unter anderem eine Deutschlandflagge samt Bild der deutschen Fußballnationalmannschaft zeigt. Ende 2020 erinnerte die in London ansässige Organisation “Action Group for Palestinians of Syria” mit einem Meme in den sozialen Medien an Eyass’ Tod.  

Welche Rolle Mahmoud A. bei der Tötung seines Sohnes gespielt hat, dazu will sich der Familienvater aus Schleswig-Holstein wegen der laufenden Ermittlungen nicht äußern. Nur so viel: Mahmoud A. sei dabei gewesen. Dieser und andere Milizionäre hätten ihn später zudem bedroht, weil er sich geweigert habe, ein Dokument zu unterzeichnen, wonach sein Sohn an einer Krankheit gestorben sei.

Überprüfen kann der SWR diese Angaben nicht. Anwar Al-Bunni, syrischer Menschrechtsanwalt aus Berlin, der mit dem Verein "Syrisches Zentrum für juristische Studien und Forschungen” Verbrechen des Assad-Regimes vor Gericht bringen will, hält die Aussagen des Familienvaters jedoch für glaubwürdig. Nach eigenen Angaben hat seine Organisation wesentlich zu den aktuellen Ermittlungen beigetragen. Sie stünden in Zusammenhang mit dem Fall des syrischen Milizenführers Moafak D., den das Berliner Kammergericht bereits 2023 wegen Kriegsverbrechen zu lebenslänglicher Haft verurteilt hat. Im aktuellen Fall sei der Familienvater aus Schleswig-Holstein einer von mehreren Zeugen, so Al-Bunni: "Es gibt keine Zweifel an seinen Aussagen."

Wer ist Mahmoud A.?

Doch wer ist Mahmoud A., der nun in Frankenthal festgenommen wurde? Syrische Aktivisten hatten ihn offenbar schon länger im Visier. 2020 erschien ein Artikel auf einem arabischen Internetportal, wonach ein "Mahmoud A.“ – vor dem Bürgerkrieg Taxifahrer sowie Gas- und Wasserverkäufer - einer der ersten Mitglieder der bewaffneten Miliz "Free Palestine Movement" (FPM) gewesen sei. Er sei in einem russischen Nachrichtenportal mit dem Anführer der Einheit zu sehen gewesen. Auch habe dieser Kontakt zu dem später in Deutschland verurteilten Moafak D. gehabt. 2018 sei Mahmoud A. nach Deutschland geflohen und habe in Worms gelebt.

Weder das Landeskriminalamt noch die Bundesanwaltschaft wollten sich auf SWR-Nachfrage zu diesen Informationen äußern. Man nehme zu Medienberichterstattung und "persönlichen Details von Beschuldigten oder Ermittlungsansätzen" grundsätzlich keine Stellung, heißt es etwa bei der Bundesanwaltschaft. Der Familienvater aus Schleswig-Holstein sagte dem SWR, bei der auf dem Internetportal abgebildeten Person handele es sich um den Mann, dem er die Beteiligung an der Tötung seines Sohnes vorwerfe. "Es ist die gleiche Person. Und er ist einer von den Festgenommen,“ schreibt er in einer Textnachricht an den SWR.

Bei dem so genannten "Tadamon-Massaker" 2013 in Damaskus wurden mehr als 40 Menschen getötet.
Bei dem so genannten "Tadamon-Massaker" 2013 in Damaskus wurden mehr als 40 Menschen getötet.

Verbindung zu Tadamon-Massaker

Laut Bundesanwaltschaft hat Mahmoud A. auch Verbindungen zu dem so genannten "Tadamon-Massaker“. Dabei wurden im April 2013 mehr als 40 Menschen bei einer Massenexekution durch Mitglieder des syrischen Geheimdienstes hingerichtet. Der Fall sorgte vor zwei Jahren international für Aufsehen, weil ein geleaktes Video von den Erschießungen, das die Täter offenbar selbst erstellt hatten, an die Öffentlichkeit gelangte. Das ARD-Politikmagazin REPORT MAINZ veröffentlichte eine viel beachtete Dokumentation über das "Tadamon-Massaker“.

Drei der Opfer sollen zuvor von Mahmoud A. und anderen an einem Checkpoint in Al Yarmouk festgenommen und an den syrischen Geheimdienst übergeben worden sein, so die Bundesanwaltschaft.

Über die nun erfolgten Festnahmen zeigt sich der Familienvater aus Schleswig-Holstein im SWR erleichtert. Die Justiz könne ihm zwar seinen Sohn nicht zurückgeben, doch er danke der deutschen Polizei und hoffe auf Gerechtigkeit für seinen Sohn. Eine Anfrage bei der anwaltlichen Vertretung von Mahmoud A. war dem SWR nicht möglich. Laut Bundesanwaltschaft ist dessen Verteidigung derzeit noch nicht klar geregelt.  

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