"Wenn Sie unser schönes Trier besuchen wollen und blind sind, fallen Sie erstmal hier am Bahnhof die Treppe runter", begrüßt Marion Palm-Stalp eine Gruppe aus Sehenden und Blinden auf dem Bahnhofsvorplatz in Trier. Sie weist auf die grauen Treppenstufen hin, die von der Eingangshalle des Bahnhofs herunterführen - sogenannte taktile Pflastersteine, die Blinden den Weg zur Treppe führen, gibt es dort nicht.
Die Selbsthilfevereinigung von Menschen mit Netzhautdegenerationen PRO RETINA hat zu einem Stadtrundgang eingeladen, um zu zeigen, wo es Probleme für sehbehinderte Menschen in Trier gibt. Marion Palm-Stalp ist die Vorsitzende der Regionalgruppe Trier.
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Straßen überqueren wird zum Spießrutenlauf
Am Bahnhofsvorplatz wäre Marion Palm-Stalp fast vor ein Auto gelaufen. Denn direkt am Bahnhof ist für blinde Menschen der Übergang vom Bürgersteig auf die Straße nicht erkennbar. Es gibt beispielsweise keinen Bordstein.
Doch selbst an gesicherten Fußgängerüberwegen wie an einer Ampel, gibt es gleich mehrere Probleme. So ist beispielsweise an der Ampel in der Bahnhofstraße für Blinde nicht zu erkennen, ob die Ampel rot oder grün ist. Ein akustisches Signal gibt es nicht. "Wir können hier nur hoffen, dass wir irgendwann hören, dass der Verkehr zum Erliegen kommt", beklagt Marion Palm-Stalp. Das sei lebensgefährlich.
Hinzu komme, dass viele Ampeln deutlich zu kurz geschaltet seien. Gehbehinderte Menschen könnten gerade einmal zwei Drittel der Straße überqueren, bevor die Ampel rot werde.
Noch drastischer stellt sich die Ampelproblematik an der Kreuzung Ostallee/Gartenfeldstraße dar. Der Sensor, der beginnt zu vibrieren, sobald die Ampel grün ist, gibt ein viel zu frühes Signal ab. Das heißt: Die Vibration startet, die Ampel ist jedoch noch rot. "Wenn sich ein blinder Mensch auf das Signal verlässt, landet er unter Umständen vor einem Auto", so Palm-Stalp.
Hindernisse erschweren Durchkommen
Grau in Grau gehaltene Treppenstufen oder Poller mitten auf dem Gehweg bedeuten für blinde Menschen zusätzliche Gefahren.
So auch an der Basilika. Die Treppenstufen, die zur Basilika führen, sind für Blinde nicht zu erkennen. "Als Sehbehinderter kann man die Höhenunterschiede nicht wahrnehmen. Das ist wie eine riesige graue Matschepampe", so Palm-Stalp. "Die Gefahr, dort hinunterzufallen, ist groß. Da wäre es wichtig, dass beispielsweise eine gelbe Markierung die Treppe kennzeichnet oder taktiles, also ertastbares Pflaster, darauf hinweist."
Auch die Poller oder Baustellen, die Gehwege versperren, sorgen für Unmut bei den Sehbehinderten. Marion Palm-Stalp betont, dass eine einfache reflektierende Markierung von Pollern schon ausreichen würde, um es sehbehinderten Menschen einfacher zu machen.
Sehbehinderte fühlen sich von der Stadt im Stich gelassen
Von der Stadt Trier fühlen sich die Sehbehinderten nicht wahrgenommen. Das zeige sich auch sehr deutlich darin, dass zu dem Rundgang niemand von der Stadt Trier gekommen sei. Nur von Bündnis90/Die Grünen war eine Vertreterin da.
Sowohl Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD) als auch Baudezernent Thilo Becker (parteilos) seien eingeladen gewesen, so Palm-Stalp. Zudem hätten alle Parteien teilnehmen können. "Das macht mich traurig und nachdenklich. Ich glaube, wir werden nicht gesehen und unsere Bedarfe spielen eine sehr untergeordnete Rolle", resümiert Marion Palm-Stalp nach dem Rundgang. Es sei sinnbildlich dafür, dass die Stadt Trier auch in den letzten Jahren kaum etwas für die Barrierefreiheit in der Stadt getan habe.
Stadt Trier: Barrierefreiheit spielt große Rolle
Dass der Oberbürgermeister und der Baudezernent nicht zum Rundgang kamen, liegt nach Angaben der Stadt Trier am vollen Terminkalender. Das habe nichts mit Missachtung der Anliegen zu tun.
Dass die Stadt Trier noch nicht perfekt in Sachen Barrierefreiheit ist, sei der Stadt bewusst, heißt es auf SWR-Anfrage. Dennoch werde viel getan. Bei allen neuen Straßen und Bürgersteigen werde darauf geachtet, dass diese für seh- und mobilitätseingeschränkte Menschen nutzbar seien. Ein Beispiel seien Bushaltestellen. Dabei stehe man auch in engem Kontakt mit dem Behindertenbeirat.
Die Signalanlagen an den Ampeln würden nach und nach auf den neuesten Stand gebracht. Wer defekte Anlagen wahrnehme, könne diese gerne der Stadt melden. Dann würde sich darum gekümmert.