Mehr als eine Million Menschen kamen ab 2015 im Zuge der großen Flüchtlingskrise nach Deutschland. Eine neue Pilotstudie der Professur für Ehtnologie an der Universität Trier und dem Katholikenrat des Bistums Trier versucht zu klären, welche Erfahrungen die Geflüchteten bei ihrer Integration in der Region Trier gemacht haben. Gerhild Perl, Juniorprofessorin an der Uni Trier und Hans Casel vom Katholikenrat, haben die Studie begleitet.
Region Trier hat Integration nach 2015 gut gemeistert
SWR Aktuell: Wie gut ist die Integration von Geflüchteten in Trier und Umgebung gelungen?
Hans Casel: Insgesamt gesehen ein positives Fazit, aber mit deutlichen Haken. Man kann die Dinge wesentlich verbessern. Ein zentrales Thema ist, aus meiner Wahrnehmung, die Zusammenarbeit zwischen den Hauptamtlichen in Institutionen und Behörden, die müssten intensiver mit den Ehrenamtlichen zusammenarbeiten, weil beide je einen eigenen Blick auf die Betroffenen haben.
Afghanische Familie seit sieben Jahren in Daaden Integration von Flüchtlingen - von Kabul in den Westerwald
2016 ist die Familie Hussaini vor dem Krieg in Afghanistan geflohen. Seitdem leben sie in Daaden im Westerwald. Die Familie fühlt sich dort wohl und hat sich gut integriert.
Jüngeren Migranten fällt Integration leichter
SWR Aktuell: Gibt es Menschen denen die Integration schwerer gefallen ist, als anderen?
Gerhild Perl: Wir haben beobachtet, dass gerade ältere Personen mit größeren Hürden konfrontiert sind. Wir haben mit Ärzten gesprochen, mit Rechtsanwältinnen und die stehen hier vor dem Problem, dass sie ihre eigentliche Qualifikation, ihren Beruf nicht mehr ausüben können und sich komplett neu orientieren müssen. Für Jüngere ist es oft einfacher, gerade auch beim sprachlichen Erwerb. Auch soziale Netzwerke entstehen schneller.
SWR Aktuell: Was sind für sie die Haupterkenntnisse aus der Studie?
Hans Casel: Für mich ist es die Bestätigung, dass ohne ehrenamtliches Engagement eine erfolgreiche Integration vielleicht nicht unmöglich, aber sehr erschwert wird. Die Ehrenamtlichen nehmen den Geflüchteten als ganzen Menschen wahr und begleiten den gesamten Integrationsprozess. Das ist ein unschätzbarer Vorteil. Wenn die Menschen hier eine neue Heimat finden wollen, dann brauchen sie auch menschliche Zuwendung.
Gerhild Perl: Die Gesellschaft hat sich verändert, ist sehr divers. Die Geflüchteten von 2015 sind schon in ein sehr diverses Deutschland gekommen. Aber die Bürokratie hat sich nicht wirklich verändert. Lange Wartezeiten kennen alle Menschen auch mit deutscher Staatsbürgerschaft, dann auch das komplexe Amtsdeutsch, das Fehlen von Dolmetschern und Dolmetscherinnen, um eben in Behörden Wege auch transparent vermitteln zu können. Das stellt Personen vor große Herausforderungen und ist ohne ehrenamtliche Hilfe eine große Alltagsbelastung.
Mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt gefordert
SWR Aktuell: Was muss bei den Integrationsbemühungen ihrer Ansicht nach besser werden?
Hans Casel: Ich denke, man muss mehr auf die Betroffenen schauen und mit ihnen in Kontakt kommen und erheben, was benötigen diese Menschen. Ein Beispiel: Ich habe mit einem Flüchtling geredet, einem 50-jährigen Syrer. Der ist in einem Sprachkurs mit nur jungen Ukrainerinnen. Die Dozentin ist Russin, für die Ukrainnerinnen ein Gewinn. Der arme Syrer sitzt da und bekommt nix mit.
Gerhild Perl: Erwerbstätigkeit ist ein ganz zentrales Thema. Und hier stehen ganz viele vor dem Problem, dass die Zertifikate oder Berufsqualifikationen nicht anerkannt werden. Ein weiteres Problem ist, dass Personen, die umschulen oder eine neue Ausbildung machen, die praktischen Qualifikationen sehr gut meistern, aber an den sprachlichen Kompetenzen scheitern. Hier braucht es von der deutschen Bürokratie eine Flexibilität in der Anerkennung.
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