Vor dem Amtsgericht Bernkastel-Kues muss sich eine Frau aus der Region Trier unter anderem wegen Volksverhetzung verantworten. Sie gilt als Querdenkerin.

Prozess am Amtsgericht Bernkastel-Kues

Schwieriger Start im Prozess gegen Querdenkerin aus der Region Trier

Stand

Am Freitag ist beim Prozess gegen eine Querdenkerin die Anklage verlesen worden. Vor einer Woche wurde der Prozess nach kurzer Zeit unterbrochen.

Diesmal erklärte die Angeklagte, sie fühle sich immer noch nicht verhandlungsfähig. Sie sei vor einer Woche am Kopf verletzt worden, als sie gewaltsam vom Gefängnis zum Gericht transportiert wurde. Dabei sei sie Justizbeamten aus den Händen gerutscht und hingefallen. Sie leide immer noch unter anderem unter Kopfschmerzen. Ihren Antrag auf erneute Untersuchung durch eine Ärztin lehnte das Gericht aber ab. Die Angeklagte bekam Schmerztabletten. Der zuständige Oberstaatsanwalt las fast dreißig Anklagepunkte vor. Unter anderem ging es um antisemitische Inhalte auf dem Internetnachrichtendienst Telegram. Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz wirft ihr zusätzlich vor, Politiker und Amtspersonen beleidigt zu haben.

Zum Prozessauftakt: Langes Warten, kurze Verhandlung

Zum Auftakt des Verfahrens am 22. September mussten die Prozessbeteiligten drei Stunden warten. Dann erklärte die Angeklagte, sie sei nach dem Transport vom Gefängnis zum Gericht verletzt und traumatisiert. Um 9 Uhr sollte eigentlich der erste Verhandlungstag am Amtsgericht Bernkastel-Kues beginnen. Doch Richter, Verteidiger und Generalstaatsanwaltschaft warteten im Sitzungssaal zunächst vergeblich auf die in der Region als sogenannte Querdenkerin bekannte Frau. Nach einer halben Stunde teilte der Richter mit, dass sich die 63-Jährige geweigert habe, sich von der JVA-Koblenz ins Amtsgericht nach Bernkastel-Kues fahren zu lassen. Zweieinhalb Stunden später wurde die frühere Kinderärztin in Handschellen in einer Art Rollstuhl in den Gerichtssaal gefahren.

Verhandlung dauerte nur wenige Minuten

Das Verfahren war noch keine fünf Minuten alt, da stellte einer der Verteidiger den Antrag, seine Mandantin für verhandlungsunfähig zu erklären. Demnach habe die Frau gegenüber ihren beiden Anwälten angegeben, am Morgen gewaltsam von den Justizvollzugsbeamten aus ihrer Zelle geholt worden zu sein. Jetzt sei sie nicht nur verletzt, sondern auch traumatisiert.

Sie habe berichtet, auf dem Weg zum Transportwagen an den Füßen über eine Treppe geschleift worden zu sein. Dabei habe sie sich den Kopf angeschlagen sowie Rücken und Hand verletzt. Im Gerichtsgebäude angekommen, habe sie gegenüber ihren Anwälten über Schmerzen in Rücken, Kopf sowie der Brust geklagt.

Prozess Volksverhetzung
Die 63-Jährige Angeklagte (rechts) neben ihren beiden Verteidigern am Freitag im Sitzungssaal des Amtsgerichts in Bernkastel-Kues.

Amtsärztin erklärt 63-Jährige für verhandlungsunfähig

Der Vorsitzende Richter rief daraufhin eine Amtsärztin. Die erklärte nach kurzer Untersuchung, dass die Angeklagte heute nicht an der Verhandlung teilnehmen könne. Ende kommender Woche soll der Prozess weitergehen.

30 Anklagepunkte

Die Liste der Anschuldigungen der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz gegen die 63 Jahre alte Frau ist lang: Ihr wird unter anderem in mehreren Fällen Volksverhetzung vorgeworfen, weil sie im Internet, vor allem über einen Kanal auf dem Nachrichtendienst Telegram, antisemitische Inhalte veröffentlicht haben soll.

Laut Anklageschrift hat sie zu Hass gegen in Deutschland lebende Juden aufgestachelt und falsche Tatsachen über Amtsträger und Politiker verbreitet. Demnach hat die Frau dabei auch nationalsozialistische Kennzeichen verwendet. 

Beleidigungen und Verleumdungen gegen Behördenmitarbeiter und Privatpersonen

Außerdem wird der Angeklagten vorgeworfen, unter anderem Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Trier und Mitarbeiter anderer Behörden verleumdet zu haben. Auch Privatpersonen soll sie beleidigt haben, davon hätten einige in der Vergangenheit bereits Strafanzeige gegen die Angeklagte erstattet, so die Generalstaatsanwaltschaft. Darüberhinaus soll sie Telefonate mit Mitarbeitern von Behörden, der Staatsanwaltschaft und Polizeidiensstellen aufgezeichnet und auf dem Telegram-Kanal veröffentlicht haben, ohne dass die betroffenen Personen damit einverstanden gewesen seien.

Die Taten soll sie im Zeitraum von Mitte Mai 2021 bis Mitte März 2023 begangen haben. Nach Angaben von Verteidiger Ottmar Schaffarczyk bestreitet seine Mandantin die Vorwürfe der Generalstaatsanwaltschaft.

Angeklagte als sogenannte Querdenkerin bekannt

Die 63-jährige Angeklagte, die früher als Kinderärztin in Hermeskeil (Kreis Trier-Saarburg) gearbeitet haben soll, ist laut Gericht in der Region Trier als sogenannte Querdenkerin bekannt. Laut Generalstaatsanwaltschaft hat sie sich während der Corona-Pandemie öffentlich gegen staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie ausgesprochen.

Ehemalige Kinderärztin hat sich bereits mehrfach strafbar gemacht

Die Frau hat sich in der Vergangenheit bereits mehrfach strafbar gemacht: Zuletzt wurde sie nach Angaben des Amtsgerichts Bernkastel-Kues zu einem Jahr und zwei Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt, davor in einem anderen Verfahren zu einer Geldstrafe. Laut Gericht droht der Frau im Falle eines Schuldspruchs in dem aktuellen Verfahren eine mehrjährige Gefängnisstrafe. Die Frau sitzt bereits seit April in Untersuchungshaft.

Sachverständiger soll Schuldfähigkeit klären

Während des Prozesses soll auch ein von der Staatsanwaltschaft beauftragter Sachverständiger zu Wort kommen. Sein Gutachten soll Aufschluss darüber geben, inwieweit die Angeklagte überhaupt schuldfähig ist. Diese Einschätzung werde auch Einfluss auf das später zu verhängende Urteil haben.

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