Das Portrait ihres verstorbenen Chefs hängt an einem Ehrenplatz mitten im Laden. Irmgard Merz, Jessica Koch und ihre Kolleginnen bereiten sich auf die Ladenöffnung vor. Die Stimmung ist gelöst, denn das erste Geschäftsjahr als eigene Unternehmerinnen haben sie mit einem Gewinn abgeschlossen. Von der Krise im Einzelhandel keine Spur.
Immer wieder wandern die Blicke hinauf zum Portrait von Stefan Müller, dem ehemaligen Chef. Nach dem erfolgreichen ersten Jahr ist Geschäftsführerin Irmgard Merz überzeugt, dass ihr verstorbener Chef jubelnd im Himmel sitzt und sagt: "Ihr macht das klasse!"
Mitarbeiter sind für verstorbenen Unternehmer Ersatzfamilie
Stefan Müller hatte das Modehaus von seinen Eltern übernommen. Er engagierte sich im Saarburger Karneval und im Gewerbeverein. Der eingefleischte Junggeselle verstarb unerwartet Ende 2021 auf dem Weg in den Urlaub. Seine zwölf Angestellten behandelte er stets wie seine Ersatzfamilie und vererbte ihnen das Haus und das Modegeschäft.
Jessica Koch erinnert sich: "Dann habe ich erst realisiert, worauf er all die Jahre hingearbeitet hatte. Er hatte uns in alles eingebunden und uns nicht nur den Verkauf machen lassen. Darum war das kein Sprung ins kalte Wasser."
Komplizierte Nachfolgeregelung
Was im ersten Moment toll klingt, war in der Praxis gar nicht so einfach umzusetzen. Eine Firma mit zwölf Chefs - das kann nicht funktionieren. Ein Jahr lang arbeiten Anwälte und Notare, bis alle Formalitäten geregelt waren und die GmbH starten konnte.
Mit Irmgard Merz und Jesscia Koch übernahmen zwei ehemalige Angestellte die Geschäftsführung. Die anderen Damen sind in ihren jeweiligen Abteilungen für den Einkauf zuständig. Dazu gibt es einen Hausmeister und eine Teilhaberin, die sich nur um Büroarbeiten kümmert. Wichtige Entscheidungen würden aber immer im Kollektiv getroffen. "Bei uns wird immer jeder gefragt", betonen die beiden Geschäftsführerinnen.
Besonderer Service als Geschäftsmodell
Gediegene Mode und Schuhe für Kinder, Damen und Herren und das auf überschaubaren 160 Quadratmetern dazu ein Service, den es so wahrscheinlich nur noch ganz selten gibt. Irmgard Merz: Wenn eine Kundin kommt, bedienen wir sie auch schon Mal zu zweit oder zu dritt. Wenn wir auf Messen fahren, denken wir schon beim Einkauf, was unseren Stammkundinnen stehen könnte."
Auf den Verkaufsschildern prangen satte Rabattversprechen von bis zu 30 Prozent auf die Winterware. Rabatte vor dem offiziellen Winterschlussverkauf, das war unter ihrem alten Chef tabu. Ansonsten ist in dem Modehaus am Rande der Saarburger Innenstadt alles beim Alten geblieben.