Wenn Bettina Bender aus dem Fenster ihrer Pension im Deudesfelder Ortsteil Desserath schaut, kann sie zwischen Bäumen hindurch die dortige Asylbewerberunterkunft erahnen. Seit 2015 ist ein ehemaliges Hotel dazu umfunktioniert. Etwa 75 Menschen leben aktuell dort. Bisher habe es nie große Probleme gegeben. Bender hat aber Sorge, dass es nicht dabei bleibt.
"Ich hab Angst, dass mir die Gäste wegbleiben, wenn sie da die Container sehen oder sich gestört fühlen, wenn die Menschen da rumlaufen", sagt Bender, die die Pension mit ihrem Bruder Stefan Becker betreibt. Deshalb haben sie die 27 Einwohner von Desserath zu einer Versammlung mit dem Gemeinderat von Deudesfeld eingeladen.
Gemeinsam wollen sie besprechen, wie sie gegen die Pläne der Kreisverwaltung vorgehen können, die sie seit etwa zwei Wochen kennen: Demnach sollen der bisher ungenutzte Dachboden und Räume rund um das ehemalige Schwimmbad des Hotels ausgebaut werden. Um Platz für 30 Menschen mehr zu schaffen. Für diese Zeit sollen etwa zehn Container aufgestellt werden, in denen Menschen unterkommen.
Container könnten mehr Geflüchtete bedeuten
Und das bereitet den Desserathern Sorgen. Denn sie befürchten, dass sich die Bauarbeiten ziehen. Und dass die Container bleiben und für noch mehr Geflüchtete genutzt werden könnten: "Wenn der Betreiber den Bauantrag stellt, hat er immer noch keine Firmen, um den Umbau zu beginnen. So wie es aussieht, macht er beides voll, Container und Haus. Dann stehen die Container bis 2035 da", sagt Benders Lebensgefährte Stefan Briesch.
Und dass so großer Aufwand beim Umbau - von Kosten im hohen sechsstelligen Bereich ist die Rede - für nur 30 Menschen mehr betrieben werden soll, glaubt man auf der Versammlung nicht. Wenn 100 bis 200 Geflüchtete, wie an diesem Abend befürchtet, dort unterkommen, dann könnte es vorbei sein mit dem sozialen Frieden. Mehr Menschen auf engem Raum bedeute auch mehr Konfliktpotential.
Schon länger steht die Unterkunft in Desserath in der Kritik: Anfang 2022 haben Asylbewerber, die dort gewohnt haben, dem SWR von Schimmel in den Zimmern und einseitigem Essen berichtet. Die Desserather haben den Eindruck, dass es dort zu wenig Personal gibt, das sich um die Menschen kümmert. Und dass sich das verschlimmern könnte, sollten noch mehr untergebracht werden.
Geflüchtete wünschen sich Neustart
Wie es den Menschen geht, weiß Maaike Thijs. Sie ist Migrationsbeauftragte des Kreises Vulkaneifel und als solche mindestens einmal in der Woche an unterschiedlichen Tagen in der Unterkunft in Desserath: "Einige kommen aus Afghanistan. Da weiß jeder, was sie erlebt haben. Andere kamen aus Afrika mit dem Boot. Was die erlebt haben, ist traumatisierend."
Die Geflüchteten würden sich wünschen, Arbeit zu finden und ihr Leben neu starten zu können. Im Moment würden mehr Alleinstehende als Familien in Desserath wohnen. Aber das ändere sich ständig. Denn in der Regel blieben die Menschen drei bis sechs Monate, höchstens acht - je nachdem, ob ihr Asylantrag abgelehnt wird oder nicht.
Noch Anfang des Jahres hatte Thijs sich Sorgen gemacht, dass Geflüchtete sich in der Unterkunft langweilen, weil sie nichts zu tun haben: "Es gibt aber jetzt einen Deutschkurs vier Tage die Woche. Das hilft natürlich ganz vielen, dass sie was zu tun haben und etwas lernen." Auch die Busanbindung sei nun besser, sodass man zum Beispiel zum Café Asyl nach Daun fahren kann. Derzeit gebe es aber Probleme, bezahlbare Wohnungen für die Menschen zu finden, sodass sie aus der Unterkunft heraus können.
Kreis muss immer mehr Geflüchtete unterbringen
Der Landkreis steht also offenbar mit dem Rücken zur Wand. Er kann ohnehin nicht frei entscheiden: Ihm werden laut Gesetz von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Geflüchtete zugewiesen, die er unterbringen muss. Der Kreis sucht also nach eigenen Angaben nach passenden Unterkünften und hat dafür auch einen Vertrag mit dem Betreiber der Unterkunft in Desserath abgeschlossen.
Weil immer mehr Menschen untergebracht werden müssen, hatte der Kreis also die Idee, die Unterkunft auszuweiten. Er sei auch verantwortlich dafür. Derzeit würde ein Planungsbüro den Ausbau für den Kreis planen. "Wir verstehen das ja, dass die Menschen untergebracht werden müssen. Aber bitte nicht auf unsere Kosten", sagt die Desseratherin Christel Berg.
Ortsgemeinde kann nicht viel tun
Grundsätzlich habe man aber nichts gegen Geflüchtete, betonen alle. Kleine Probleme, dass Kinder aus der Unterkunft zum Beispiel Schaukeln auf privaten Grundstücken genutzt oder einen Minigolfplatz verschmutzt haben, gebe es nicht mehr.
Dass die Menschen sich trotzdem Sorgen machen, dafür hat der Bürgermeister von Deudesfeld, Otmar Eckstein, Verständnis: "Der Ortsteil Desserath hat 27 Einwohner. Nach der Aufstockung werden es über 100 Asylbewerber sein. Und das ist im Verhältnis natürlich schon massiv. Da kann man die Desserather Bürger auch verstehen, dass da die Einwände kommen."
Seiner Meinung nach kann Deudesfeld als Ortsgemeinde derzeit aber nicht viel tun. Im Moment gibt es nämlich noch keinen Bauantrag: "Wenn uns irgendwann die Bauanträge von der Verwaltung vorliegen, dann haben wir die zu prüfen und können dazu Stellung nehmen. Wir können aber nur nach Baurecht entscheiden und nicht unbedingt, ob uns das gefällt, dass da jetzt zusätzlich Flüchtlinge hinkommen oder nicht, das hat mit dem reinen Bauantrag nichts zu tun."
Alles soll bleiben, wie es ist
Eckstein habe vom Kreis die klare Aussage bekommen, dass die Container nach Abschluss der Bauarbeiten wieder abgebaut werden. Das solle auch noch einmal schriftlich kommen. Da aber niemand weiß, wie lange die Bauarbeiten dauern sollen, ist das für die Versammlung an diesem Abend keine Beruhigung.
Bettina Bender und ihre Mitstreiter wünschen sich: "Dass es so bleibt, wie es ist. Mehr nicht." Deshalb wollen sie sich an den Kreis wenden, um zu erwirken, dass die Asylbewerberunterkunft in Desserath nicht ausgebaut wird.
Eine Sprecherin des Kreises teilte dem SWR mit, man wolle eine Stelle ausschreiben, die die Gemeinschaftsunterkünfte betreut und mit den betroffenen Anwohnern kommuniziert: "Selbstverständlich finden die vorgebrachten Bedenken Berücksichtigung bei der Entscheidungsfindung des Landkreises."