Bildmontage: Presseausweise mit Schriftzug Interview

Lage in China und Russland

Tag der Pressefreiheit: Zwei Trierer Journalisten berichten über ihre Erfahrungen

Stand
Interview
Solveig Naber

Autoritäre Regierungen verhindern in China und Russland eine unabhängige Presse. Zwei Journalisten aus Trier erzählen, was das für ihre tägliche Arbeit bedeutet.

Jedes Jahr zum Tag der Pressefreiheit veröffentlicht die Organisation "Reporter ohne Grenzen" die aktuelle globale Rangliste der Pressefreiheit. Darauf belegt China aktuell Platz 179 vor Schlusslicht Nordkorea. Russland wurde auf Platz 164 heruntergestuft.

Bildmontage: Alexander Moskovic mit Eva Lamby-Schmitt
Die beiden Trierer Alexander Moskovic und Eva Lamby-Schmitt haben beide ihre journalistische Karriere im SWR-Studio Trier begonnen.

Trierer Journalisten berichten über China und Russland

Welche Auswirkungen das auf die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten hat, erlebt die Leiterin des ARD-Studios in Shanghai, Eva Lamby-Schmitt, täglich. Lamby-Schmitt ist in Trier aufgewachsen und arbeitete während ihres Studiums als Reporterin im SWR-Studio Trier. Im März 2023 wurde sie mit dem Kurt-Magnus-Preis der ARD ausgezeichnet.

Der gebürtige Trierer Alexander Moskovic beschäftigt sich als SWR-Journalist mit den Auswirkungen der autoritären Politik des russischen Präsidenten Putin auf die Pressefreiheit. Moskovics Eltern sind Anfang der Neunziger Jahre aus Sankt Petersburg nach Deutschland emigriert. Für seinen ARD-Podcast "Alles ist anders - Leben mit dem Krieg" wurde er vor wenigen Tagen mit dem Stuttgarter Moderationspreis ausgezeichnet.

SWR Aktuell: Eva Lamby-Schmitt, Sie sind seit über einem Jahr Korrespondentin in China. Sie leben in Shanghai und berichten in ihrer täglichen Arbeit über das Land. Was heißt Pressefreiheit in China?

Eva Lamby-Schmitt: Es gibt keine Presse- und Meinungsfreiheit in China. Das bedeutet nicht, dass es keine Journalisten gibt, die sich bemühen, so unabhängig wie möglich zu berichten. Sie sind allerdings großem Druck von der Polizei und den Behörden ausgesetzt.

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Mehr als 100 Medienschaffende sitzen in China wegen ihrer Arbeit im Gefängnis, die meisten weltweit. 13 davon drohen nach Angaben der Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" im Gefängnis zu sterben, sollten sie nicht sofort freigelassen werden.

"Interviewpartner werden teils so eingeschüchtert, dass sie nicht mehr mit uns sprechen wollen."

SWR Aktuell: Was heißt das für Ihre Arbeit vor Ort?

Lamby-Schmitt: Als Auslandskorrespondenten unterliegen wir nicht der Zensur Chinas, aber unsere Arbeit wird zunehmend eingeschränkt. Interviewpartner werden teils so eingeschüchtert, dass sie nicht mehr mit uns sprechen wollen. Generell sind immer weniger Menschen bereit, mit ausländischen Medien zu sprechen. Sie fürchten Konsequenzen.

Ich kann mich als Reporterin in China nicht so frei bewegen wie in Deutschland. Bei Reisen im Land werde ich teilweise verfolgt. Besonders stark war die Kontrolle im chinesischen Landesteil Xinjiang. Dort wurden wir von mehreren Autos verfolgt und mehrmals am Tag von der Polizei kontrolliert.

In der Stadt Xinyuan wurden wir etwa eine Stunde auf einer Polizeistation festgehalten, mussten Fragen zu unserer Recherche beantworten und Fotos und Videos löschen, die wir vor Ort gemacht haben.

SWR Aktuell: Alexander Moskovic, in Ihrem Podcast beschäftigen Sie sich mit den Zuständen in Russland. Wie bewerten Sie aktuell die Pressefreiheit in Russland?

Alexander Moskovic: Der Stand der Pressefreiheit in Russland ist auf einem erschreckenden, niedrigen Niveau. Es gibt kaum noch freie Presse. Die "Nowaja Gaseta" als größte oppositionelle Zeitung wurde schon lange eingestellt. Es gibt Zensur-Mechanismen, die die Arbeit erschweren. Inzwischen haben viele Journalisten das Land verlassen und versuchen, aus dem Ausland kritisch zu berichten.

"Es fehlt eine große, kritische und kontrollierende Instanz in Russland."

Dadurch fehlt eine große, kritische und kontrollierende Instanz in dem Land. Was sehr traurig ist und auch sehr problematisch. Für die Demokratie dort.

SWR Aktuell: Was sind solche Zensur-Mechanismen?

Moskovic: Zum Beispiel, dass Menschen als ausländische Agenten eingestuft werden können, wenn sie regierungskritisch berichten. Das erschwert die Arbeit, weil sie sozusagen erstens gebrandmarkt sind und damit auch in der Bevölkerung oft geächtet werden. Das hat auch eine soziale Komponente.

Zum anderen wirkt es abschreckend, wenn die Arbeit Strafen nach sich zieht, weil zum Beispiel eine Berichterstattung über den Krieg, sobald es kritisch ist, als Diskreditieren der Armee aufgenommen wird. Das sind dann Straftaten bzw. die Leute werden strafrechtlich verfolgt und können Geldstrafen bis hin zu Freiheitsstrafen bekommen.

"Den Krieg in der Ukraine als Krieg zu nennen kann Haftstrafen bis zu 15 Jahren nach sich ziehen."

Allein den Krieg in der Ukraine als Krieg zu nennen, egal ob man Journalist ist oder ein Blogger oder das bei Social Media schreibt, kann Haftstrafen bis zu 15 Jahren nach sich ziehen.

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SWR Aktuell: Gibt es überhaupt noch irgendwo freie Presse in Russland? Oder ist das alles weg?

Moskovic: Die gibt es schon noch. Vor allem im Internet. Da gibt es sehr viele "Telegram-Kanäle", die versuchen, ausgewogen oder auch kritisch zu berichten. Das sind dann einzelne Journalisten, Medienschaffende, die von der Regierung aber auch immer diskreditiert werden. Allerdings müssen die Menschen die Kanäle dann auch aktiv suchen.

Besser und zugänglicher dafür ist YouTube. Da gibt es viele Inhalte auf Russisch, meistens von Journalisten, die mittlerweile im Ausland leben. Aber eben über Themen berichten, die Russland betreffen. Dort gibt es auch viele kritische Inhalte, die nicht zensiert werden oder nicht gesperrt werden, da Russland im Moment - das ist so meine Hypothese - sich das einfach nicht leisten kann.

YouTube ist eben auch ein sehr großes Unterhaltungsmedium für die Menschen. Das zu sperren, würde sicherlich zu Unruhen führen.

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SWR Aktuell: Vermissen die Menschen in Russland eine freie Presse?

Moskovic: Es ist schwer, etwas zu vermissen, was man lange nicht hatte. Die Entwicklungen der letzten Jahre sind sukzessive immer mehr dahin gegangen, dass die freie Presse immer kleiner, die Arbeitsbedingungen immer schwieriger wurden.

Ich denke, für viele Menschen ist das nicht so ersichtlich, weil sie das einfach nicht gewohnt sind und weil das auch so abstrakt ist. Sie haben sich damit abgefunden, dass man zu Hause am Küchentisch vielleicht die politische Lage diskutiert, aber öffentlich nichts dazu sagen und nichts dazu lesen kann. Die Menschen sind sicherlich auch sehr unpolitisch gemacht worden von den Regierungen der letzten 20 Jahre. Sodass die Menschen das Gefühl haben, von ihnen hängt sowieso nichts ab, sie haben keinen Einfluss.

Und viele machen nichts dagegen, weil sie eben harte Restriktionen wie den Verlust der Arbeit oder das Gefängnis fürchten müssen.

SWR Aktuell: Eva Lamby-Schmitt, wie ist das in China? Vermissen die Menschen dort eine freie Presse?

Eva Lamby-Schmitt: Die Medien und das Internet in China sind so stark zensiert, dass viele Menschen gar nicht wissen, dass es außerhalb dessen noch eine andere Welt gibt. Wer noch nie freie Presse erlebt hat, wird sie auch nicht vermissen. In modernen Millionenmetropolen wie zum Beispiel Shanghai haben die Menschen vermehrt Kontakt zu Ausländern. Manche Chinesinnen und Chinesen haben zudem im Ausland studiert. Doch das ist auf die gesamte Bevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen in China eine Minderheit.

Wir haben bei den Protesten in mehreren Städten Chinas im November 2022 gesehen, dass es noch eine Zivilgesellschaft gibt. Tausende Menschen sind auf die Straßen gegangen und haben dort unter anderem auch Presse- und Internetfreiheit gefordert.

Die Proteste wurden allerdings schnell von Chinas Staats- und Überwachungsapparat beendet. Es gab zahlreiche Festnahmen. Außerdem hat die Polizei in den Tagen danach stichprobenweise Smartphones von Passanten kontrolliert.

SWR Aktuell: Hat sich die Situation in der Amtszeit von Staatschef Xi Jinping verschärft?

Lamby-Schmitt: Seitdem Staats- und Parteichef Xi Jinping an die Macht kam, ist die Kontrolle über die Medien und das Internet immer weiter ausgebaut worden. Vor allem im vergangenen Jahr waren die Restriktionen besonders deutlich zu spüren - verstärkt durch die strikten Covid-Maßnahmen, die oft als Vorwand genutzt wurden, um die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten weiter einzuschränken. Das spiegelt auch der im März erschienene Bericht des Clubs der Auslandskorrespondenten in China wider, bei dem 102 Journalistinnen und Journalisten aus 30 Ländern befragt wurden.

"Journalisten werden überwacht und kontrolliert und teilweise auch von ihrer Arbeit abgehalten."

Reisen im Land waren im Jahr 2022 kaum möglich. Durch das Ende der Null-Covid-Politik in China im Dezember sind zumindest wieder Recherchereisen möglich. Aber unter den Bedingungen, dass Journalisten dabei überwacht und kontrolliert werden und teilweise auch von ihrer Arbeit abgehalten werden.

SWR Aktuell: Alexander Moskovic, wir haben jetzt über Russland und China gesprochen. Schauen wir auf die Pressefreiheit in Deutschland. Hat sich da Ihrer Meinung nach in den vergangenen Jahren etwas verändert?

Alexander Moskovic: Ja, ich finde schon. Es ist auch ein Jammern auf einem hohen Niveau, aber ich finde, es hat sich schon etwas verändert. Vor allem das Image der Journalisten. Es gibt immer wieder Berichte darüber, dass Journalisten angefeindet werden auf Demos zum Beispiel, dass ihre Rolle vielen Menschen nicht so ganz klar ist. Dass Journalisten so gesehen werden, als stehen sie auf der Seite der Regierung, dass sie in einen Topf geworfen werden mit irgendwelchen Eliten, die vermeintlich irgendwelche Strippen ziehen.

Ich finde schon, dass das auch ein Teil von Pressefreiheit ist, wie die Gesellschaft Journalisten wahrnimmt, ihre Rolle einschätzt oder auch wertschätzt. Und ich finde, dass wir um dieses Vertrauen immer wieder kämpfen müssen, weil eben Fehler da nur schwer verziehen werden und die schnell und direkt auf ein ganzes Berufsfeld projiziert werden.

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