Ein Gasversorger aus Baden-Württemberg, die Deutsche Industriegas GmbH, hat sich bereit erklärt, die Gerolsteiner Siedlung "Am Rasbach" ab dem 12. Januar mit Gas zu versorgen. Das sagte Gerolsteins Verbandsgemeindebürgermeister Hans-Peter Böffgen am Vormittag dem SWR.
Denn die Verbandsgemeinde hatte seit Ende Dezember zwischen der Eigentümerin der 165 Wohnungen in der Siedlung, der Saad Immo aus Nordrhein-Westfalen, dem Grundversorger evm und dem neuen Versorger vermittelt. Hinzu kommen Gaspreisdeckel und Dezemberhilfe, sodass die Gaspreise für die Mieter auch jetzt nicht explodieren sollten.
- Einigung nach Vermittlung der Verbandsgemeinde
- Wie es zur Hängepartie kam
- Bangen im Dezember
- Verbandsgemeinde und Eigentümerin der Siedlung im Austausch
- Verbandsgemeinde: Unprofessionelle Arbeit der Hausverwaltung
- Heizkostenvorauszahlungen werden steigen
- Verbandsgemeinde zuversichtlich
Einigung nach Vermittlung der Verbandsgemeinde
Ziel sei es jetzt, dass die Saad Immo als Eigentümerin die Gasrechnungen des neuen Versorgers zuverlässig bezahlt, damit die Lösung nicht nur eine kurzfristige ist. In einem zweiten Schritt müssten dann noch offene Rechnungen beim Grundversorger evm beglichen werden. Die evm habe sich - durch die Vermittlung der Verbandsgemeinde - dazu bereit erklärt, noch etwas länger darauf zu warten.
Wie es zur Hängepartie kam
Denn schon Ende September waren die Mieterinnen und Mieter bei Außentemperaturen um die fünf Grad über mehrere Wochen ohne Heizung, weil die Saad Immo als Eigentümerin und Hausverwalterin offenbar ausstehende Gasrechnungen nicht gezahlt hatte. Damals gab es kostenlose Heizkörper von einem wohltätigen Verein für die Mieter und der Grundversorger evm war mit Gaslieferungen eingesprungen - aber zunächst nur bis Dezember.
Zuletzt hatten die Mieter dann in der Woche vor Weihnachten bangen müssen: Nach Auskunft des Grundversorgers evm hatte Anis Saad von der Immobiliengesellschaft auch dort die Gasrechnungen nicht bezahlt. Es ging um rund 100.000 Euro - und das, obwohl die Mieter nach eigener Aussage ihre Nebenkosten bezahlt hatten.
Bangen im Dezember
Die evm setzte eine letzte Frist. Aber auch bis dahin hatte der Vermieter laut evm nur Teilbeträge gezahlt, die bei Weitem nicht ausreichten. In letzter Minute wurde eine Lösung mit der regionalen Politik gefunden, über die beide Seiten Stillschweigen vereinbart hatten.
Dadurch war zumindest die Notversorgung mit Gas bis zum 11. Januar dieses Jahres gesichert. Den Mietern sollte so ein unbeschwertes Weihnachten ermöglicht werden: "Unbeschwert nicht wirklich, weil man es nicht aus dem Kopf bekommt: Wie geht es weiter? Klappt alles?", sagte Mieterin Ute Kraft jetzt dem SWR. Denn über den 11. Januar hinaus durfte die evm ohne neuen Vertrag nicht liefern.
Verbandsgemeinde und Eigentümerin der Siedlung im Austausch
Jetzt ist also eine Lösung mit einem neuen Gaslieferanten gefunden worden. Wie aber kann die Verbandsgemeinde davon ausgehen, dass Anis Saad nach allem, was bisher vorgefallen ist, die Rechnungen beim neuen Versorger bezahlen wird?
"Wir können ihn natürlich nicht zwingen. Aber wir haben in den vielen Gesprächen, die wir seit dem 20. Dezember mit ihm geführt haben, den Eindruck, dass er ein großes Interesse daran hat, dass die Angelegenheiten geregelt werden", sagt Böffgen. Saad und seine Mitarbeiter seien seit Dezember für die Verbandsgemeinde immer erreichbar und für Gespräche bereit gewesen.
Verbandsgemeinde: Unprofessionelle Arbeit der Hausverwaltung
Ein großer Teil des Problems ist, sagt Böffgen, dass die Hausverwaltung bisher sehr unprofessionell gearbeitet habe: Auf die Meldung von Mietmängeln habe man einfach nicht reagiert. Obwohl es nicht mit einem persönlichen Risiko verbunden gewesen wäre, einen Wasserschaden zu beseitigen oder einen Heizkörper einzubauen. Das gehöre schließlich zu den Aufgaben als Hausverwaltung.
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Während die Immobilienpreise Experten zufolge um bis zu zehn Prozent sinken könnten, dürften die Mieten 2023 zulegen. Grund sind unter anderem höhere Material- und Finanzierungskosten.
Auch die Mieter sagen, dass die Probleme seit Herbst nicht die ersten mit dem Vermieter sind: Seit der die Siedlung 2019 von einer anderen Firma übernommen hat, habe es nie eine Nebenkostenabrechnung gegeben. Laut Verbandsgemeinde würden die jetzt nachgeholt, aber auch darin befänden sich Rechenfehler. Man habe den Eindruck, dass die Hausverwaltung den Überblick verloren habe.
Die Verbandsgemeinde will nun dabei unterstützen, dass die Saad Immo ihre Aufgaben wahrnimmt und für die Mieter ansprechbar ist. Eine Lösung für die Siedlung ohne die Immobiliengesellschaft sei schon allein deshalb nicht möglich, weil die Saad Immo deren Besitzerin ist.
Auch ein Insolvenzverfahren steht zurzeit nicht zur Debatte, sagt Böffgen: "Eine Insolvenzverwaltung würde aus unserer Sicht keine Verbesserung der Situation für die Mieter geben. Wenn es dann irgendwann zu einer Zwangsversteigerung käme, wüsste man ja auch nicht, wie die Zusammenarbeit mit dem neuen Besitzer läuft."
Heizkostenvorauszahlungen werden steigen
Die Mieter müssen sich jetzt so oder so auf höhere Kosten einstellen, so die Verbandsgemeinde. Denn angesichts der überall steigenden Energiepreise könne der zuletzt 2019 festgesetzte Heizkostenabschlag nicht gehalten werden.
"Wir leben ja nicht auf einem fremden Stern. Natürlich wissen wir, dass die Gaspreise explodiert sind", sagt Godehard Lützeler dazu. Sein Haus in der Siedlung ist zwar sein Eigentum, er ist aber trotzdem von der Saad Immo abhängig.
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Denn das in den 1970er Jahren installierte Nahwärmenetz versorgt alle Häuser in der Siedlung mit Gas und wird von der Saad Immo verwaltet. Deshalb wären auch Verträge einzelner Mieter mit einem Gasversorger nicht möglich. Lützeler sagt, die Menschen in der Siedlung seien ja bereit, ihre Gaskosten zu zahlen, das Problem habe bisher bei der Immobiliengesellschaft gelegen.
Verbandsgemeinde zuversichtlich
Deshalb sehen die Menschen in der Siedlung es nicht ein, warum sie ihre Wohnungen aufgeben sollten. Denn auch das wäre eine Möglichkeit in der unsicheren Situation. "Ich möchte gerne hier wohnen bleiben. Es ist mein Zuhause. Und neuen Wohnraum finden, muss auch bezahlbar sein. Und erst mal was finden in der näheren Umgebung", sagt Mieterin Ute Kraft.
Zumindest für den Moment ist aber eine Lösung für die Gerolsteiner Siedlung gefunden und die Verbandsgemeinde scheint zuversichtlich zu sein, dass es jetzt klappen wird. Sollten am Ende doch Rechnungen im Bereich von mehreren tausend Euro offen bleiben, könnte die Verbandsgemeinde einspringen: Dann sei man zumindest gesprächsbereit, die Rechnungen - etwa mit Sponsorengeldern - zu begleichen.