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Ländlicher Raum im Nachteil

Bleialfer Schreinerwerkstätten suchen händeringend Auszubildende

Stand
Autor/in
Silja Friedrich

Der Beruf des Tischlers gehört zu den beliebtesten im Handwerk. Dennoch findet ein Tischler in Bleialf in der Eifel keine Auszubildenden. Warum?

Die frischgebackene Gesellin Jasmin Schultz ist glücklich in ihrem Beruf. Vergangene Woche hat sie ihre Prüfungen bestanden. Damit hat der Betrieb nur noch einen Lehrling, drei weitere Stellen sind unbesetzt. Jasmin ist übernommen worden, darüber freut sie sich. "Hier im Betrieb ist es einfach familiär", sagt sie. Es fühle sich an wie ein Zuhause, das sei ihr wichtig. Außerdem habe sie durch die unterschiedlichen Aufträge immer abwechslungsreiche Arbeit.

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Sie fühlt sich am Arbeitsplatz genauso wohl wie zu Hause.

Obwohl der Beruf extrem beliebt ist, suchen viele Betriebe gerade im ländlichen Gebiet händeringend Auszubildende. Warum der Betrieb in Bleialf keine neuen Lehrlinge findet, dafür sieht sie mehrere Gründe:

"Wenn man gar nicht praktisch gearbeitet hat und dann Möbel plant, das passt nicht."

Immer mehr Jugendliche würden lieber studieren, um größere Chancen zu haben. "Viele sehen einfach nicht, dass man sich auch als Geselle oder Gesellin weiterbilden kann", erklärt sie. Man könne den Meister oder den Techniker machen, es gebe so viele Chancen.  Zudem findet sie eine Lehre als Grundbaustein von Vorteil. "Wenn man gar nicht praktisch gearbeitet hat und dann Möbel plant, das passt nicht."

Tischlerberuf immer noch eine Männerdomäne

Jasmin war in ihrer Klasse das einzige Mädchen. Immer noch sind es meist Männer, die den Beruf erlernen. Jasmin wünscht sich, dass mehr Frauen die Ausbildung angehen. Viele, vermutet sie, hätten Angst, die Arbeit sei für sie körperlich zu anstrengend. Dies sei aber gar nicht so schlimm, da es heutzutage Hilfsmittel gebe. Auch die männlichen Kollegen, so ist ihre Erfahrung, würden helfen. Sie würde wie eine kleine Schwester umsorgt werden.

"Wenn die Kunden glücklich sind, dann freut man sich halt direkt mit."

Die Industrie ist ein starker Konkurrent

Die Industrieunternehmen in der Umgebung sieht sie immer mehr als starken Mitbewerber. "Der bessere Lohn und mehr Urlaub und hier und da weniger Stunden am Tag arbeiten, ist natürlich auch verlockend." Das sei mit Sicherheit ein Punkt, den Jugendliche zuerst einmal sehen würden. Für sie käme ein Wechsel aber nicht infrage. Sie ist stolz auf die eigene Arbeit. "Wenn die Kunden glücklich sind, dann freut man sich halt direkt mit."

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Jasmin Schultz ist stolz auf ihre Arbeit.

"Aber Tesla, Streif oder Prüm Türenwerke machen ein Riesentamtam, dagegen kommen wir gar nicht an."

Stefan Michels ist der technische Leiter des Betriebes. Er sieht gleich mehrere Ursachen für die offenen Lehrstellen. Zwar habe man immer wieder Auszubildende bekommen, aber nicht in der gewünschten Zahl. Auch er sieht die Industrieunternehmen in der Nähe als große Konkurrenten. "Wir sind zwar auf verschiedenen Ausbildungsmessen vertreten. Aber Tesla, Streif oder Prüm Türenwerke machen ein Riesentamtam, dagegen kommen wir gar nicht an", erklärt er.

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Die Schreinerei liegt am Ortsrand von Bleialf. Bild in Detailansicht öffnen
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Viele Arbeiten werden noch in Handarbeit erledigt. Bild in Detailansicht öffnen
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Das Betriebsklima ist familiär, die Stimmung gelöst. Bild in Detailansicht öffnen
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Im Betrieb arbeiten insgesamt 38 Mitarbeiter. Bild in Detailansicht öffnen
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Bei der Arbeit ist Präzision gefragt. Bild in Detailansicht öffnen
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Momentan ist er der einzige Lehrling im Betrieb. Bild in Detailansicht öffnen

Außerdem glaubt er , dass auch die Lage der Schreinerei an der der belgischen Grenze Jugendliche abschrecken könnte. Bisher seien alle Auszubildenden aus der näheren Umgebung gekommen. Längere Anfahrtswege oder wegen der Ausbildungsstelle sogar umziehen zu müssen, das sei eher unattraktiv.

Die Insolvenz ist vom Tisch

Dieses Jahr kam ein weiteres Problem hinzu. Trotz guter Auftragslage rutschte die Firma im Frühjahr in die Insolvenz. Die Produktion lief durchgehend weiter, die Angestellten sind alle geblieben. Für potenzielle Bewerber schien dies aber dennoch zu unsicher.  Keine einzige Bewerbung trudelte ein. Stefan Michels glaubt, dass einige Eltern ihren Kindern von einer Bewerbung abgeraten hätten. Eine Ausbildung in einer insolventen Firma sei offenbar zu risikoreich.

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Wenn Not am Mann ist, hilft Stefan Michels auch in der Produktion aus.

Stefan Michels versteht das, ist aber trotzdem gefrustet. Denn der Betrieb habe trotz Insolvenz nie vor dem Aus gestanden. Deswegen habe auch keiner der Angestellten seine Kündigung eingereicht. Inzwischen ist die Insolvenz vom Tisch. Ein ehemaliger Kunde hat den Betrieb direkt übernommen und führt ihn weiter. Stefan Michels erzählt, warum Raoul Pöhler die Firma gerettet habe: "Es sei eine Schande, wenn ein Unternehmen mit dieser Qualität und Tradition vom Markt verschwinden würde."

Weniger Auszubildende in ländlicher Gegend

Die  Handwerkskammer Trier bestätigt auf Anfrage, dass der ländliche Raum bei der Suche  nach Auszubildenden stärkere Probleme habe. In Trier könnten viele Stellen mehrfach besetzt werden. Auf dem Land hingegen seien noch viele Plätze frei. Petra Kollmann, Beraterin bei der HWK, hat mit vielen jungen Menschen gesprochen. Die Jugendlichen würden hauptsächlich durch die langen Anfahrtswege abgeschreckt oder seien einfach nicht mobil genug.

Auch jetzt kann man noch in die Ausbildung einsteigen

Die Bleialfer Schreinerwerkstätten suchen weiter. Selbst in diesem Jahr können Interessierte noch beginnen. "Von daher bin ich gerne gewillt, noch Kurzentschlossene, in die Ausbildung mit aufzunehmen", bestätigt Stefan Michels.

"Ich bin dafür, den Leuten die Perspektive zu geben, im Anschluss auch weiter im Betrieb zu bleiben."

Wenn alles passt, übernimmt der Betrieb den Auszubildenden. "Ich bin dafür, den Leuten die Perspektive zu geben, im Anschluss auch weiter im Betrieb zu bleiben" ,sagt Michels. Er möchte den Nachwuchs für sich selbst heranziehen. "Die kennen dann die ganzen Abläufe", sagt er. Zudem schaffe das auch eine starke Betriebszugehörigkeit.

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Silja Friedrich