Viele bürokratische Hürden

Ergotherapeutin aus der Eifel sucht verzweifelt Fachkräfte

Stand

Eine Ergotherapeutin aus Waxweiler in der Eifel hat ihre eigenen Erfahrungen mit der deutschen Bürokratie gemacht. Die Einstellung ausländischer Fachkräfte wird zum Kraftakt.

Andrea Knoche betreibt seit 19 Jahren eine Praxis für Ergotherapie in Waxweiler. Auch sie leidet unter dem Fachkräftemangel. Lange hat sie auf herkömmlichem Weg nach neuen Mitarbeitern gesucht: Online, per Anzeige und über das Arbeitsamt. Zusammen mit einer türkischen Freundin hatte sie dann die Idee, in der Türkei nach Arbeitskräften zu suchen.

Sie schaltete eine Anzeige in der Türkei. Innerhalb von zwei Tagen meldeten sich zwölf Interessenten, weitere in den Tagen danach. Andrea Knoche sichtete die Unterlagen. Dabei überzeugten Gülin Gürsel und Özgecan Işik zum einen durch ihren sympathischen Eindruck. Zum anderen hatten beide Frauen freiwillig zusätzliche Fortbildungen absolviert und verfügten über gute Deutschkenntnisse.

Wir sind dann sehr blauäugig an die Sache herangegangen.

Im Februar 2022 startete Andrea Knoche ihre Suche, im April standen die ausgewählten Bewerberinnen fest. Jetzt sollte es zügig weitergehen, schließlich wirbt die Bundesregierung mit dem beschleunigten Fachkräfteverfahren. Andrea Knoche hatte bereits vor Jahren eine Ergotherapeutin aus Belgien eingestellt. Das Anerkennungsverfahren hatte damals vier Monate gedauert. Diesmal sollte es schneller gehen.

"Wir sind dann sehr blauäugig an die Sache herangegangen" meint Andrea Knoche heute. Sie nahm Kontakt mit der Behörde auf, die für das Zuwanderungsverfahren zuständig ist. Sie bekam eine Liste, welche Unterlagen von ihr und aus der Türkei benötigt würden.

Andrea Knoche hat zuerst in Deutschland nach Fachkräften gesucht.
Andrea Knoche hat zuerst in Deutschland nach Fachkräften gesucht.

Andrea Knoche bemängelt, dass so viele unterschiedliche Anforderungen gestellt würden: Manche Unterlagen durften gemailt werden, andere mussten in Papierform geschickt werden. Alles musste übersetzt und notariell beglaubigt werden, andere Dokumente sollten original sein.

Die verschiedenen Behörden in Deutschland und der Türkei verlangten ähnliche oder gleiche Formulare. Andrea Knoche hatte das Gefühl, Unterlagen doppelt und dreifach auszufüllen. Sie wünscht sich eine digitale Lösung und "dass einfach die Zusammenarbeit zwischen den Behörden besser funktionieren würde."

Ständig wurden Unterlagen hin- und hergeschickt

Einige Monate später waren alle Unterlagen vollständig. Nun wurde das Anerkennungsverfahren eingeleitet, um die türkische Ausbildung mit der deutschen zu vergleichen. Alles bei unterschiedlichen Behörden. Dabei gingen immer wieder Informationen und Unterlagen unter und mussten mehrfach geschickt werden.

Andrea Knoche erinnert sich an diese Monate. "Es hat von August bis Oktober gedauert zu überprüfen, ob alle Unterlagen vollständig sind. Zwei Monate später kam dann der Defizitbescheid." Darin schrieb das Amt, welche Ausbildungsinhalte noch fehlen würden. Diese könne sich Gülin Gürsel durch ein halbes Jahr Anerkennungslehrgang erarbeiten, Özgecan Işik müsse ein ganzes Jahr nachlernen.

Gülin Gürsel und Özgecan Işik haben einen Bachelor im Studienfach Ergotherapie.
Gülin Gürsel und Özgecan Işik haben einen Bachelor im Studienfach Ergotherapie.

Selbst wenn man nicht so hohe Ansprüche hat, aber von nix kann man nicht leben.

Gülin Gürsel bekommt ein Visum, um für die Anerkennung in Deutschland einreisen zu dürfen. Wieder vergehen Monate, bis sie im April 2023 endlich einreisen kann. 14 Monate sind bereits vergangen. Andrea Knoche hat immer noch keine neuen Arbeitskräfte.

Dabei hat Andrea Knoche jetzt einige Kosten zu stemmen: Sie kümmert sich um eine Wohnung, organisiert ein Auto und finanziert die Nachschulung. "Selbst wenn man nicht so hohe Ansprüche hat, aber von nix kann man nicht leben," sagt sie. Andrea Knoche und Gülin Gürsel erhalten keine staatliche Hilfen.

Behördliche Bescheide lassen auf sich warten

Doch die Mühe scheint sich zu lohnen. Bereits im August, also zwei Monate schneller als geplant, hat Gülin Gürsel sich alle erforderlichen Kenntnisse angeeignet. Sie erhält ihre Urkunde. Jetzt dürfte sie eigentlich als Ergotherapeutin in Deutschland arbeiten. Aber noch nicht ganz, denn ihr bisheriges Visum für das Anerkennungsjahr muss in einen Aufenthaltstitel umgeschrieben werden.

Andrea Knoche schickt alle Unterlagen an die zuständige Behörde. Diese braucht wiederum die Zustimmung von der Bundesagentur für Arbeit. Wieder muss Andrea Knoche den gleichen Fragebogen ausfüllen. Damit geprüft werden kann, ob bei ihr ein Bedarf an ausländischen Fachkräften vorliege, erzählt die Ergotherapeutin.

Es weiß doch jeder, dass Fachkräfte fehlen.

Jetzt kommt auch Özgecan Işik nach Deutschland. Bei ihren Unterlagen gibt es ebenfalls Probleme. Unterlagen und Formulare müssen mehrmals geändert werden, bis sie akzeptiert werden. Eine weitere Geduldsprobe für die angespannten Nerven von Andrea Knoche.

"Es weiß doch jeder, dass Fachkräfte fehlen," schimpft Andrea Knoche. Sie versteht nicht, warum der Aufenthaltstitel nicht ausgestellt wird. Warum diese Bedarfsprüfung jetzt noch einmal von der Bundesagentur für Arbeit vorgenommen werden muss. Nachdem alle viel Geld und Zeit investiert haben, hängt man jetzt wieder in der Luft, sagt sie.

Zu viele verschiedene Behörden sind zuständig

Laut Industrie- und Handelskammer Trier und Handwerkskammer Trier liegt das Problem nicht an dem Anerkennungsverfahren. Das werde meist in wenigen Monaten durchlaufen. Die IHK und die HWK haben bisher keine derart langen Verfahren beobachten können, teilten sie auf eine SWR-Anfrage mit. Im Fall von Andrea Knoche sei das eigentliche Anerkennungsverfahren mit knapp vier Monaten Dauer noch als normal anzusehen. Schwierig sei anscheinend eher der Kontakt mit den verschiedenen Behörden oder den Botschaften. Auch dort herrsche Personalmangel. Dabei ginge schnell einmal Zeit verloren, so die beiden Kammern.

Mit dieser Urkunde ist Gülin Gürsel in Deutschland als Ergotherapeutin anerkannt.
Mit dieser Urkunde ist Gülin Gürsel in Deutschland als Ergotherapeutin anerkannt.

Das jetzt noch mal geprüft werden muss und noch mal geklärt werden muss, ob Bedarf besteht. Das war uns nicht klar.

Nachdem alle Auflagen erfüllt wurden, wartet Gülin Gürsel inzwischen zwei Monate auf die Anpassung ihres Visums. Zeit, in der sie nicht selbständig arbeiten kann. Gülin Gürsel und Andrea Knoche sind frustriert: "Das jetzt noch mal geprüft werden muss und noch mal geklärt werden muss, ob Bedarf besteht. Das war uns nicht klar." Sie hoffen darauf, dass es bei Özgecan Işik etwas einfacher wird.

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SWR