Schon auf dem blauen Autobahnschild auf der A1, dass auf die Abfahrt Wittlich-Mitte aufmerksam macht, ist das kleine Symbol deutlich zu erkennen: eine Autobahnkirche. Kurz nach der Abfahrt kommt noch ein Kreisel. Und nur wenige hundert Meter weiter, auf einer kleinen Anhöhe zwischen der Ortslage Wittlich und dem Stadtteil Wengerohr, unweit vom Maare-Mosel-Radweg, liegt die Autobahn- und Radwegekirche St. Paul.
Gebaut wurde sie 1969, ursprünglich als Klosterkirche des ehemaligen benachbarten Klosters der Steyler Missionare, in dem heute ein Seniorenheim zu finden ist. Vor Ort fällt einem sofort das zeltförmige Dach auf, wodurch das Innere der Kirche mehr Raum bekommt und größer wirkt als erwartet. Im Zentrum steht der Altar, umringt von Bänken, auf denen etwa 250 Menschen Platz haben. Wandgemälde mit Szenen aus dem Leben des Apostels Paulus und dem Kreuzweg, gemalt vom Trierer Künstler Werner Persy, zieren die Wände.
Seit nunmehr drei Jahren steht die Kirche unter Denkmalschutz, worüber sich vor allem der Förderverein Autobahnkirche St. Paul Wittlich freut. Da die Kirche nicht von einer Landeskirche, einer Diözese oder einer Gemeinde betreut wird, kümmern sich die Mitglieder des Vereins um den Erhalt der Kirche. Einer von ihnen ist Dieter Burgard.
Kirche bekommt einen neuen Zweck
Nach der Schließung des Klosters kam die Frage auf, was mit der leerstehenden Kirche passieren soll. Praktisch, dass sie nur rund einen Kilometer von der Autobahnausfahrt Wittlich-Mitte entfernt liegt. Ein Kriterium, das eine Autobahnkirche erfüllen muss. Auch der Mindestabstand von 80 Kilometern zu den zwei weiteren Kirchen an der A1, an den Raststätten Dammer Berge und Roxel, ist gegeben. So wurde St. Paul im Juni 2010 zu einer der Autobahnkirchen in Deutschland erklärt. Gleichzeitig gründete sich der Verein, um sich zukünftig zu kümmern. Heute besteht der Kreis aus rund 50 Ehrenamtlern, die die anstehenden Aufgaben, wie Abschließ- und Küster- sowie Blumendienste unter sich aufteilen.
Die Arbeit im Team funktioniere gut, so Dietmar Burgard. So könne man auch dafür sorgen, dass die Kirche aktuell täglich zwischen 8 und 20 Uhr offen steht, was ein weiteres Kriterium für eine Autobahnkirche ist. Die Besucher nutzten das Angebot und kommen über das ganze Jahr, sagt Dieter Burgard. Und damit meint er nicht nur die etwa 120 Besucher des wöchentlichen Sonntagsgottesdienstes oder die Besucher der anderen ökumenischen Gottesdienste. "Es ist ja wichtig für Radfahrer und Autofahrer, die hier vorbeikommen, dass die Kirche auch über den Tag geöffnet ist. Das ist ein Manko in vielen Gemeinden."
Bis an die 7.000 Besucher jährlich
Reisende, die auf der Durchreise für einen kurzen Moment zur Ruhe kommen wollen, Fahrradfahrer, die auf ihrer Tour an der Kirche vorbeikommen, Stammgäste und Menschen, die nach einem traumatischen Erlebnis auf der Autobahn einen Ort zum Innehalten suchen sowie Rettungs- und Einsatzkräfte. Die Liste der Besucher und ihrer Beweggründe zur Autobahn- und Radwegekirche St. Paul zu kommen, ist lang. Vor allem für Reisende sei die Kirche ein Ort für Rast und Seele, so Dieter Burgard, den man bewusst aufsuche, um losgelöst vom Alltagslärm und dem Stress auf den Autobahnen für einen kurzen Moment runterzukommen, abzuschalten und auf sich zu schauen. Oftmals habe er auch den Eindruck, dass sich viele der Gäste nach dem Besuch entspannter zurück ins Auto oder auf das Fahrrad setzten.
Wenn es seine Zeit zulässt kommt Dieter Burgard gerne mit den Besuchern ins Gespräch. Wie mit den beiden Radfahrern, die ihre Tour auf dem nicht weit entfernten Maare-Mosel-Radweg für ein kurzes Gebet unterbrechen. Für die beiden aus Wittlich ist der Zwischenstopp in der Autobahn- und Radwegekirche St. Paul schon eine schöne Tradition.
Dass das Angebot der Kirche St. Paul dankbar genutzt wird, sieht Dieter Burgard nicht nur an den Besuchern. Er kann es auch in dem Anliegenbuch lesen, indem die Besucher sich öffnen und ihre Sorgen, Wünsche und Hoffnungen festhalten. Das Buch liege am Eingang der Kirche aus und werde sehr gut genutzt.
Einsatzkräfte nutzen die Kirchen nach Unfällen
Eine Einschätzung, die auch Hubertus Kesselheim, Polizeiseelsorger des Bistums Trier, teilt. Seiner Ansicht nach seien viele auf der Suche nach einer Möglichkeit, sich mitzuteilen. Und das gelingt durch das Gebet oder durch die Bücher. Und damit meint er nicht nur Menschen, die auf der Durchreise sind.
Als Seelsorger habe er schon des Öfteren erlebt, dass viele Einsatz- und Rettungskräfte nach größeren Unfällen in Autobahnkirchen wie St. Paul zum gemeinsamen Gedenken und Austausch zusammenkommen. Das sei auch für den Verarbeitungsprozess wichtig. "Als Seelsorger, Omnibusfahrer, Motorradfahrer und ganz normaler Mensch: Autobahnkirchen sind Orte des Innehaltens."
Insgesamt 44 Autobahnkirchen in Deutschland
Hubertus Kesselheim kennt auch viele der anderen Autobahnkirchen in Deutschland, wie die St. Christophoruskirche auf dem Rasthof Baden-Baden an der A5. Diese Kirche sei so gut besucht, dass sogar Führungen für Besucher angeboten werden. So habe jede Kirche ihre eigene Besonderheit und Geschichte.
Im Fall von St. Paul ist es, neben der zeltförmigen Bauweise, das einmalige Mahnmal vor dem Eingang der Kirche, das an die Zwangsarbeiter beim Autobahnbau erinnert. Entlang der Strecke arbeiteten neben freien Arbeitern auch Zwangsarbeiter aus Einrichtungen wie dem KZ Hinzert.
Für die Zukunft hofft Dieter Burgard, dass die Autobahn- und Radwegekirche St. Paul erhalten bleibt. So wolle sich der Verein auch weiterhin bemühen, die Zusammenarbeit mit den katholischen und evangelischen Kirchengemeinden im Raum Wittlich und mit den Steyler Missionaren aufrecht zu erhalten. So soll die Kirche auch in Zukunft für kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte zur Verfügung stehen und ein Ort der Begegnung sein.