Wohin steuert der Immobilienmarkt? Der Chefredakteur des Online-Ratgebers Finanztip, Hermann-Josef Tenhagen, rät Kaufwilligen dazu, lieber noch zu warten.
SWR Aktuell: Herr Tenhagen, die Zinsen sind gestiegen, die Preise aber bisher noch nicht wirklich gesunken. Man hat so ein bisschen den Eindruck, Käufer und Verkäufer belauern sich und warten darauf, wer als erstes zuckt. Wie würden Sie die Lage auf dem Immobilienmarkt aktuell einordnen?
Hermann-Josef Tenhagen: Also es ist einfach so: Die Zinsen sind deutlich stärker gestiegen, als das die meisten Leute verkraften können. Und die Preise sind noch nicht gefallen, respektive die Leute verdienen noch nicht wesentlich mehr. Also ich würde im Augenblick, wenn ich nicht ein wirkliches Schnäppchen finde, abwarten und würde denken, dass die Preise entweder sogar zurückgehen oder wenigstens stabil bleiben und wenn man in zwei Jahren oder drei Jahren jedes Jahr fünf Prozent mehr verdient hat, wenigstens nominal, ist das mit der Finanzierung wieder einfacher zu machen.
SWR Aktuell: Was tritt ihrer Meinung nach eher ein - sinken die Zinsen wieder oder sinken die Preise?
Tenhagen: Ich vermute, dass die Zinsen nicht viel weiter steigen und die Preise in der Tendenz vielleicht ein bisschen sinken. Also jedenfalls für Privatnutzer, die ein Eigenheim kaufen wollen. Im Gewerbeimmobilienbereich sind die Preise schon deutlich gefallen an einzelnen Stellen. Aber das hilft mir ja nicht, wenn ich ein eigenes Haus oder eine Wohnung für die Familie kaufen will.
Tenhagens Rat: Preisentwicklung abwarten
SWR Aktuell: Was würden sie aktuell Käufern und Verkäufern raten?
Tenhagen: Also ich würde tatsächlich, wenn ich Käufer wäre, sagen, wenn ich nicht ein Schnäppchen angeboten kriege, was ich nicht ablehnen kann oder den Balkon meiner Träume und ich kann das sowieso bezahlen, dann würde ich eher auf der Bremse stehen und vorsichtig sein und gucken, wie die Preisentwicklung ist. Ich glaube, die Preise werden in der Tendenz eher runtergehen oder mein Einkommen wird jedenfalls eher dann steigen.
Wenn ich jetzt Verkäufer bin, dann würde ich mir überlegen, warum verkaufe ich? Wenn ich jetzt verkaufe und das Geld auf den Tisch bekomme, die 300.000, 400.000 Euro bei acht Prozent, neun Prozent Inflation werden die ja auch jedes Jahr weniger wert. Da muss ich eine Idee haben, was ich damit mache. Im Augenblick würde ich auch vorsichtig sein und eigentlich würde ich genau das machen, was der Markt jetzt macht, nämlich weniger. Das ist für diejenigen, die jetzt dringend ein Haus oder eine Wohnung suchen, natürlich keine gute Botschaft.
Anschlussfinanzierung: Es kommt darauf an
SWR Aktuell: Wie sieht es denn für die aus, die schon gekauft haben und abbezahlen: Müssen die sich nach Ende der Laufzeit Sorgen machen, Stichwort: Anschlussfinanzierung?
Tenhagen: Das kommt darauf an. Wenn man jetzt 2013 oder 2014 finanziert hat, dann hat man zum Teil drei Prozent, zum Teil vier Prozent, manchmal sogar mehr als vier Prozent bezahlt. Das heißt, vermutlich werden die im nächsten Jahr bei einer weiteren Finanzierungsrunde, wenn sie neu finanzieren müssen gar nicht mehr Zinsen zahlen und sind da eigentlich auf der sicheren Seite. Sie werden aber nicht davon profitieren, wie zum Beispiel 2020, dass die Zinsen irre niedrig waren und das man deswegen viel schneller abbezahlen konnte.
Schwierig wird das erst in einigen Jahren. Also wenn das jetzt mit dem Zinsniveau so bleibt bei den drei oder vier Prozent und man hat zum Beispiel 2018 oder 2020 angefangen, das heißt man hat jetzt noch sechs, sieben, acht Jahre Zeit, dann würden da die Zinsen deutlich steigen und man kann nur hoffen, dass die Menschen wirklich genug Tilgung gemacht haben. Weil wer viel getilgt hat, der muss sich um höhere Zinsen auch deutlich weniger Sorgen machen.
Das Interview führte Sandra Hochhuth.