Schriftzug der Partei "Die Linke", im Vordergrund ein Mikrofon

Analyse zum Rekordverlust bei Mitgliedern

Linke RLP: Streit um Wagenknecht mitverantwortlich für Parteiaustritte

Stand
Autor/in
Mathias Zahn

Rekordverlust bei den Mitgliedern und viel Frust. Die Linke Rheinland-Pfalz steckt in einer tiefen Krise. Die Gründung einer Wagenknecht-Partei könnte die Linke im Land endgültig zerreißen.

Der Vorsitzende der rheinland-pfälzischen Linken, Stefan Glander aus Kaiserslautern, will nichts beschönigen. Die derzeitige Stimmung ist angespannt. Es sind schwierige Zeiten für die Linke, sagt Glander dem SWR.

Im vergangenen Jahr musste die Partei in Rheinland-Pfalz den bisher größten Mitgliederverlust hinnehmen. Man liege damit leider im Bundestrend, bedauert Glander. Er führt den bedenklichen Mitgliederschwund auf den Dauerstreit auch um Sahra Wagenknecht im Bund zurück und beklagt eine permanente Selbstbeschäftigung.

Viel Ratlosigkeit und fehlende Motivation

Wer sich in der rheinland-pfälzischen Linken umhört, trifft auf viel Frust, fehlende Motivation und Ratlosigkeit. Auf dem Landesparteitag im Juni in Ludwigshafen-Oggersheim fanden sich nicht genug Kandidatinnen. Eine Co-Vorsitzende konnte deshalb nicht gewählt werden.

Auch zwei weitere Posten für Frauen im Landesvorstand blieben unbesetzt. Es fehlt an Personal und finanziellen Mitteln - knapp ein Jahr vor der Kommunalwahl in Rheinland-Pfalz. Vier kleinere Kreisverbände sind laut Parteichef Glander derzeit nicht arbeitsfähig.

In den Städten und großen Kreisverbänden sei man aber handlungsfähig, betont Glander. Einen Lichtblick gab es zuletzt im mitgliederstärksten Kreisverband Mainz/Mainz-Bingen. Bei der Oberbürgermeister-Wahl in Mainz holte der Linken-Kandidat Martin Malcherek im ersten Wahlgang 7,1 Prozent der Stimmen.

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Welche Rolle spielt Sahra Wagenknecht?

Dass die Partei im Land wie gelähmt wirkt, liegt maßgeblich auch an Sahra Wagenknecht. Die Linken-Ikone hat sich mit der Parteispitze im Bund überworfen und denkt laut darüber nach, eine eigene Partei zu gründen.

Wagenknecht kritisiert schon lange den Kurs ihrer Partei. "Lifestyle"-Linke kümmerten sich um Minderheitenthemen wie das Gendern und hätten die sozialen Probleme der großen Masse aus dem Blick verloren. Wagenknecht sieht "eine riesige Leerstelle im politischen System" und will bis Jahresende über eine Parteigründung entscheiden.

Ein problematischer Schwebezustand für die sowieso schwer angeschlagene Linke. Im Bund wäre die Partei ohne die gewonnenen Direktmandate bei der vergangenen Bundestagswahl aus dem Parlament geflogen. Jetzt die Spaltungsspekulationen.

Unter den Mitgliedern geht es seit Monaten vor allem um eine Frage: Bist Du für oder bist Du gegen Sahra? Ein Mitglied aus Rheinland-Pfalz sagt, die Partei sei zweifach gelähmt. Die Wagenknecht-Anhänger warteten nur darauf, in die neue Partei zu wechseln. Viele der übrigen Mitglieder zögerten sich zu engagieren, weil niemand wisse, ob sich das noch lohne.

Ein deutlicher Riss geht durch die Partei

In Rheinland-Pfalz geht der Riss besonders deutlich durch die Linke. Der Landesverband trägt die Forderung der Parteispitze im Bund uneingeschränkt mit, Sahra Wagenknecht solle ihr Bundestagsmandat abgeben. Der einzig verbliebene Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich aus dem pfälzischen Reichenbach-Steegen ist dagegen Wagenknecht-Anhänger. Ulrich kritisiert das Vorgehen der Bundesspitze scharf. Dem SWR sagte er: "Dieser Beschluss bedeutet auch das Signal, dass man diesen ganzen Flügel - und damit auch mich - nicht mehr in der Partei haben will."

Viele Menschen würden in der Linken keine politische Interessensvertretung mehr sehen, wie Arbeitnehmer, Rentner oder auch die Friedensbewegung. Er könne sehr gut nachvollziehen, dass "Sahra" sich überlege, diesen Menschen wieder ein Angebot zu machen.

Ulrich beteuert, an Vorbereitungen für eine neue Partei sei er nicht beteiligt. Dass der Gewerkschafter aber als einer der Ersten in eine Wagenknecht-Partei wechseln würde, bezweifelt praktisch niemand in der Linken. Ulrich sieht seine Landespartei "im Niedergang" und bescheinigt ihr einen "beängstigenden Zustand".

Das Gefährliche für die Linke in Rheinland-Pfalz: Mit Alexander Ulrich könnten viele weitere die Partei verlassen. Der Pfälzer ist Gründungsmitglied. Auch wenn er sich aus der Parteiarbeit zurückgezogen hat, Ulrich gilt nach wie vor als gut vernetzt. Er beschäftigt als Bundestagsabgeordneter drei rheinland-pfälzische Parteifreunde, die auch Kreisvorsitzende sind. Sie arbeiten ihm zu. Geld erzeugt Loyalität.

Landeslinken-Chef Stefan Glander sind derzeit nach eigenen Angaben keine Abwerbeversuche von Wagenknecht-Anhängern in Rheinland-Pfalz bekannt. Unklar ist, was im Verborgenen passiert. Aus dem Umfeld Wagenknechts heißt es, in allen Bundesländern liefen Vorbereitungen für die neue Partei. Viele Linke, die zu ihrer Partei stehen, sehnen sich einfach nur noch nach einer Entscheidung. Niemand habe mehr Lust auf das ewige Wagenknecht-Drama, sagt ein rheinland-pfälzisches Parteimitglied im Gespräch mit dem SWR entnervt.

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