Eine aktuelle Studie zum Thema haben die Unfallforscher der Versicherer im Oktober herausgebracht. Demnach gab es im vergangenen Jahr bei Unfällen zwischen Radfahrern und Fußgängern in ganz Deutschland 720 schwerverletzte Personen. 13 Menschen starben infolge eines solchen Zusammenstoßes.
"Manchmal ist man regelrecht von Radfahrern umzingelt", sagt Sonja Agerer aus Trier, als sie auf dem Bürgersteig der Ostallee zu Fuß unterwegs ist. Immer wieder kommen Radfahrer von vorne, von hinten. Sie hält diese Straße für eine der gefährlichsten von Trier. Obwohl sie bei manchen Radfahrern mangelnde Rücksicht gegenüber Fußgängern kritisiert, sagt sie auch: "Ganz ehrlich: Ich würde mich als Radfahrer nicht unbedingt auf die Straße raustrauen."
Was für die Fußgänger sehr gefährlich ist, machen die Radfahrer aber in Trier an der Ostallee offenbar nicht ohne Grund. Hier ist sehr viel Verkehr unterwegs, die erlaubte Geschwindigkeit: 50 Stundenkilometer.
Radweg, Bürgersteig, Fußgängerzone - wo kracht es am häufigsten?
In ihrer Analyse haben die Unfallforscher auch danach geschaut, wo es häufig Zusammenstöße zwischen Radfahrern und Fußgängern gibt. Das passiert demzufolge besonders oft:
- auf Radwegen (54 Prozent)
- auf Radwegen in Fußgängerzonen (22 Prozent)
- auf Gehwegen (16 Prozent)
- auf gemeinsamen Flächen (8 Prozent)
Die Gehwege fallen als Unfallort also durchaus ins Gewicht, mehr noch aber die Radwege. Die Analyse zeigt, dass es häufig dann zu Problemen kommt, wenn Fußgänger überraschend auf die für den Radverkehr vorgesehenen Flächen treten. Unfallschwerpunkte sind dabei laut Unfallstudie Fußgängerzonen und Haltestellenbereiche. Und auffallend sei: Je schmaler der Radweg, umso größer die Unfallwahrscheinlichkeit.
Die Infrastruktur ist bislang nicht auf Radfahrer ausgerichtet
Radfahrer auf Bürgersteigen, Fußgänger auf Radwegen - das spricht für eine schlechte Organisation des Verkehrs in unseren Städten. "Man muss ein attraktives Angebot an Radwegen machen, auf denen sich Radfahrer sicher fühlen, gerne fahren und sich nicht von Autofahrern bedrängt fühlen", sagt Robert Wöhler, Geschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) in Rheinland-Pfalz, dem SWR. Denn dort, wo sich Radfahrer gefährdet fühlen - wie eben auf der Ostallee in Trier - weichen Radfahrer aus und kommen dann möglicherweise Fußgängern in die Quere.
Der ADFC hat nach eigenen Angaben bei Untersuchungen herausgefunden, dass Radfahrer insbesondere deshalb die Straße meiden, weil der vorgeschriebene Sicherheitsabstand beim Überholen von 1,5 Metern selten von den Autofahrern eingehalten werde. "Das führt dazu, dass sich die Leute unsicher fühlen, gerade wenn sie vielleicht noch mit Kindern unterwegs sind", sagt Wöhler.
Immer mehr Radfahrer brauchen Platz
Die schiere Zahl an Radfahrern trägt nach Aussage von Wöhler dazu bei, dass die Konflikte zunehmen. Immer mehr Menschen schwingen sich aufs Rad - aber die Verkehrsinfrastruktur ist noch nicht für sie organisiert. Die Ostallee in Trier steht exemplarisch für viele kritische Straßen im Land.
Die Stadt Trier hat bereits ein paar Gänge hochgeschaltet, was das Radnetz angeht. Aber es gibt einfach Hürden, die sich nicht so schnell beseitigen lassen: Die Ostallee ist ein schwieriger Bereich, das weiß auch Thilo Becker, Bau- und Verkehrsdezernent von Trier: "Die Idealform wäre natürlich, den Innenbereich vom Alleenring für eine Radverkehrsführung zu nutzen. Da haben wir allerdings nicht Zugriff auf alle Grundstücke", erklärt Becker.
Eine andere Option wäre eine Umverteilung des vorhandenen Platzes in der Stadt. Das hat Trier in einer anderen Straße gemacht, der Südallee. Dort wurde eine Umweltspur eingerichtet - eine Fahrspur exklusiv für Räder und Busse. Doch in der Ostallee gäbe es dafür zu viele Autos, um Spuren für die Autos zu reduzieren, sagt Becker. Und damit bleibt es erstmal weiterhin gefährlich für die Fußgänger auf dem Gehweg.
Klare Trennung zwischen den Verkehrsarten
Für den Baudezernenten ist aber klar: "Wir brauchen eine deutlich bessere Trennung zwischen den Verkehrsarten. Nämlich zwischen Radfahrenden und Kfz und zwischen Radverkehr und den besonders Schutz bedürftigen Fußgängern." Wichtig sei, gute Alternativen zu schaffen, damit überhaupt gar kein Bedarf besteht, zum Beispiel durch die Fußgängerzone zu fahren.
Auch der ADFC sieht in der Infrastruktur ein großes Problem, die Straßen seien auf den wachsenden Radverkehr überhaupt nicht eingestellt. "Gute Radwege fehlen überall. Was wir vorfinden, ist ein verwirrendes und teils gefährliches Flickwerk an Lösungen. Oft sind Radwege viel zu schmal, zugeparkt und gefährlich", sagte ADFC-Sprecherin Stephanie Krone nach Veröffentlichung der Studie der Unfallforscher - und forderte geschützten Raum für den Radverkehr.
Sie ergänzte: "Zahlreiche Unfälle passieren auch dadurch, dass Fußgänger Radwege oder Fahrbahnen betreten, ohne sich umzuschauen." Sie warb dabei für den Schulterblick. "Autos kann man schon am herannahenden Lärm erkennen, Radfahrende hingegen sind leise unterwegs."
Sonja Agerer und ihre Freundin Barbara Wissen aus Trier sagen klar und deutlich: "Es muss sich was ändern, so kann es nicht bleiben!" Bis aber überall der Verkehr sicher für alle organisiert ist - für Fußgänger und Radfahrer - wird es noch dauern. Bis dahin gilt umso mehr: Vorsicht und Rücksicht von und für alle Seiten.