Am Wochenende waren in einem Wohnheim der Kreuznacher Diakonie so wenig Mitarbeitende da, dass die Eltern gebeten worden sind, ihre beeinträchtigten erwachsenen Kinder nach Hause zu holen.

Wegen Personalmangels

Kreuznacher Diakonie schickt beeinträchtigte Menschen nach Hause

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Autor/in
Vanessa Siemers
SWR-Redakteurin Vanessa Siemers

Am Wochenende waren in einem Wohnheim der Kreuznacher Diakonie so wenig Mitarbeitende da, dass die Eltern gebeten worden sind, ihre beeinträchtigten erwachsenen Kinder nach Hause zu holen. Darüber hat sich eine Mutter öffentlich beschwert. Jetzt hat sich die Diakonie zum ersten Mal zu den Vorwürfen geäußert.

Nach Angaben der Sprecherin Andrea Djifroudi hatten sich Ende vergangener Woche kurzfristig mehrere Mitarbeitende eines Wohnheims für beeinträchtige Menschen krank gemeldet. Deswegen hatte die Diakonie die Angehörigen gebeten, sich übers Wochenende um die beeinträchtigten Bewohner zu kümmern. Damit bestätigt die Diakonie einen Bericht des Öffentlichen Anzeigers.

In dem betroffenen Wohnheim leben 24 Bewohnerinnen und Bewohner. Wie Djifroudi auf SWR-Anfrage mitteilt, war die Personalsituation durch die Krankheitsfälle derart eng, dass die Angehörigen gefragt worden sind, ob sie die Bewohner übers Wochenenende zu sich holen könnten. Da nicht alle Wohnheim-Bewohner zu Hause betreut werden konnten, seien einige auch im Wohnheim geblieben.

Wegen Personalnot mussten die Bewohner ihr Wohnheim verlassen

Zu dem Schritt, die Angehörigen um Unterstützung zu bitten, habe man sich erst sehr spät entschieden, sagt Djifroudi. Zuerst habe man beispielsweise versucht, über einen externen Dienstleister an zusätzliche Betreuer zu kommen. Als dies nicht gelungen sei, habe man sich an die Eltern gewandt.

Verschiedene Eltern haben ihre Kinder nach Hause geholt, dafür waren wir auch sehr dankbar.

Wie die Sprecherin weiter mitteilt, ist die Behindertenhilfe der Kreuznacher Diakonie grundsätzlich personell solide aufgestellt. "Natürlich haben auch wir mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen", so Djifroudi. An sich seien aber immer genügend Betreuer da, die sich um die beeinträchtigten Menschen kümmern könnten. Das würde allein durch die rechtlichen Vorgaben gewährleistet, an die sich die Diakonie halten müsse.

Betroffene Mutter kritisiert Personalsituation

Margot Fueckel ist eine der betroffenen Angehörigen. Ihr Sohn lebt in einem der Wohnheime der Diakonie. Beim Thema Personalmangel ist sie anderer Meinung als Andrea Djifroudi. Wie sie im Gespräch mit dem SWR erklärt, gebe es immer wieder Tage, an denen Betreuer fehlten.

Sie berichtet beispielsweise von Zeiten, in denen zwei Betreuer für drei Wohnraum-Gruppen verantwortlich waren. "Normalerweise hat jede Gruppe einen Betreuer", sagt sie. "Und drei [Betreuer bei drei Gruppen] ist schon wirklich die Minimalbesetzung. Es gibt kein Ausfallmanagement. Die Personalsituation ist mit heißer Nadel gestrickt."

Medikament sei falsch verabreicht worden

Einmal sei die Personalnot sogar so groß gewesen, dass Mitarbeitende aus anderen Häusern eingesprungen seien, berichtet Fueckel. Dabei sei es ihrer Meinung nach vorgekommen, dass ihrem Sohn zweimal seine Medikamente falsch verabreicht worden seien. "Einmal wurde es vergessen zu geben, einmal wurde es doppelt gegeben", sagt sie.

Da hat man dann ein beängstigtes Gefühl, dass etwas passiert.

Der Vorwurf der falschen Medikamentengabe werde bereits geprüft, sagt Andrea Djifroudi von der Kreuznacher Diakonie. Außerdem betont die Diakonie in einer Stellungnahme: "Die Sorge um das Wohl ihrer Kinder können wir nachvollziehen, versichern aber gleichzeitig, dass wir alles dafür tun, die uns anvertrauten Menschen sicher und gut zu versorgen."

Kreuznacher Diakonie wird bereits von Landesamt überprüft

Die Kreuznacher Diakonie ist bereits Anfang des Jahres in die Kritik geraten. Im März kündigte das Landesamt für Soziales an, eine Finanzprüfung vorzunehmen. Dabei geht es um den Verdacht, dass bei der Kreuznacher Diakonie Geld für beeinträchtigte Menschen teils verwendet wurde, um im defizitären Klinikbereich Finanzlöcher zu stopfen. Dies - so der Rechnungshof - sei verboten. Steuergeld für behinderte Menschen dürfe nicht zweckentfremdet werden.

Bereits damals hatten einige Eltern der beeinträchtigen Bewohner beklagt, dass unter anderem therapeutische Angebote reduziert oder eingestellt worden seien. Auch bei der Hygiene und Körperpflege gebe es Mängel.

Diakonie sucht nach Lösungen für akuten Personalmangel

Die Schuld an der derzeitigen Situation gibt Margot Fueckel nicht der aktuellen Bereichsleitung. Das alles sind ihrer Ansicht nach die Folgen von jahrelangem falschem Management auf Führungsebene.

Zumindest was den aktuellen Personalmangel angeht, ist die Diakonie zuversichtlich, dass bis Ende der Woche eine Lösung gefunden wird. Außerdem sei ein Recruitingteam seit Monaten damit beschäftigt, einzelne offene Stellen in der Behindertenhilfe wieder zu besetzen.

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