Das Bundesverfassungsgericht hat nicht darüber entschieden, ob der zu lebenslanger Haft verurteilte Klaus Bräunig schuldig ist oder nicht. Sondern, dass das Landgericht Koblenz neu prüfen muss, ob die Strafe ausgesetzt wird. Nach so langer Haft habe der grundsätzliche Freiheitsanspruch großes Gewicht, teilte das Bundesverfassungsgericht am Freitag mit.
Mutter und Tochter 1970 ermordet
Der inzwischen fast 80-jährige Häftling war 1970 in Mainz nachts in ein Haus eingestiegen, weil er Geschlechtsverkehr mit einer dort lebenden jungen Frau wollte. Als deren Mutter aufwachte, tötete er sie mit einem Messer und dann auch die Tochter, die ihn abwies und um Hilfe schrie. Nach zwei Jahren in Untersuchungshaft wurde Bräunig 1972 zu lebenslanger Haft wegen zweifachen Mordes verurteilt.
80-Jähriger möchte aus dem Gefängnis
In Karlsruhe ging es jetzt um zwei Anträge, den Rest der lebenslangen Strafe zur Bewährung auszusetzen, die Bräunig zuletzt vergeblich gestellt hatte. Land- und Oberlandesgericht Koblenz erkannten zwar an, dass er sich in jüngster Zeit im offenen Vollzug bewährt habe. Beide Gerichte äußerten aber Bedenken, weil er seine Taten nicht genügend aufgearbeitet habe.
Das Bundesverfassungsgericht entschied nun aber, dass die unteren Gerichte die Gefahr von künftigen Sexual- oder anderen Straftaten nicht gut begründet hätten. Sie hätten sich überhaupt nicht mit dem hohen Lebensalter des inzwischen schwer erkrankten Verurteilten auseinandergesetzt. Außerdem könne das Risiko von neuen Taten durch Bewährungsauflagen und Kontrollen gesenkt werden.
Verurteilter hat Geständnis später widerrufen
Bräunig war von 1991 an für längere Zeit im offenen Vollzug, wurde aber mehrmals zurückverlegt, weil man bei ihm unter anderem massenhaft Pornohefte und -videos, Damenunterwäsche, Klebeband, Kabelbinder und aus Zeitschriften ausgeschnittene Frauenköpfe fand. Im offenen Vollzug sollen Häftlinge schrittweise an das Leben außerhalb der Justizvollzugsanstalt (JVA) gewöhnt werden und haben mehr Freiheiten. So dürfen sie zum Beispiel einer Arbeit nachgehen.
Das Urteil gegen Klaus Bräunig war von Anfang an umstritten. Ein anfängliches Geständnis hatte Bräunig widerrufen. Immer wieder bemühten sich Anwälte den mittlerweile fast 80-Jährigen frei zu bekommen, der nun über 50 Jahre im Gefängnis sitzt. Eine ARD-Doku widmet sich dem Fall.