Konkret geht es um den Vorwurf der Misshandlung Schutzbefohlener. Anne-Sophie Wagner berichtete dem SWR, dass sie ihren an Demenz erkrankten Vater, Jürgen Wagner, auf Anraten des Hausarztes am 29. Oktober in die Median Klinik Sonnenwende in Bad Dürkheim begleitet hatte.
Der Grund: Er musste sich ständig räuspern und die Klinik sollte abklären, ob das eine psychosomatische Ursache hat. Körperlich sei er ansonsten noch sehr fit gewesen und viel herumgelaufen.
Jürgen Wagner blieb zwei Wochen lang in der Gerontopsychiatrie der Klinik. Zunächst gab es zehn Tage lang wegen Coronagefahr ein Besuchsverbot. Am 13.11. wurde Jürgen Wagner aus der Klinik entlassen. Seine Tochter erzählt schockiert: Ihr Vater habe neun Kilogramm abgenommen, Gesicht und Körper seien voller Blutergüsse gewesen und er habe nicht mehr laufen können.
Anne-Sophie Wagner: "Papa war nur noch Haut und Knochen"
Vor der Entlassung durfte die Familie nach mehr als einer Woche Jürgen Wagner am Wochenende erstmals in der Klinik besuchen. Der erste Eindruck war schockierend, sagt Anne-Sophie Wagner.
Ihr Vater sei total in sich zusammengefallen gewesen mit bläulicher, angeschwollener Nase. Dabei wirkte er völlig apathisch, so Anne-Sophie. "Ein Brillenglas fehlte. Er war nur noch Haut und Knochen, er hatte blaue Augenringe und seine Haut war gelblich verfärbt."
Und ihr Bruder Philipp Wagner fährt fort: "Als wir Papa gesehen haben, da war die Angst so groß, dass wir gedacht haben, wenn wir da heute etwas sagen und er nicht direkt raus kann, dass ihm da noch mehr geschieht."
Alarmierender Anruf aus dem Altenheim
Dienstags wurde Jürgen Wagner dann aus der Klinik entlassen und ins Caritas-Altenzentrum nach Deidesheim (Kreis Bad Dürkheim) gebracht, in dem er seit einigen Monaten wohnte. Kurz darauf habe sie einen Anruf von einer Pflegerin erhalten, so die Tochter. Diese habe mit stockender Stimme gesagt: "Ihr Vater ist angekommen, ohne Hose, in T-Shirt und Windeln, bei sechs Grad, im Rollstuhl. Wir haben ihren Vater nicht mehr wiedererkannt."
Die Pflegerin sei schockiert gewesen, so die Tochter weiter. Sie wollte ihn gleich besuchen. Doch kurz darauf erhielt sie einen weiteren Anruf, dass Jürgen Wagner in ein Krankenhaus nach Neustadt an der Weinstraße gebracht werden müsse. Denn Pflegerinnen hatten entdeckt, dass der 81-Jährige einen gewaltigen und bedrohlich aussehenden Bluterguss hatte.
Vater hatte Hämatom vom Gesäß bis zum Rücken
Das ganze Gesäß ihres Vaters bis zum Rücken hinauf sei dunkelblau gewesen, sagt Anne-Sophie Wagner. Deshalb befürchtete man, dass etwas gebrochen sein könnte. Sie habe daraufhin beschlossen, Anzeige zu erstatten. Sie fotografierte die Verletzungen ihres Vaters und dokumentierte seinen Zustand ganz genau.
Zwar konnte bei Jürgen Wagner kein Bruch festgestellt werden. Sein Gesundheitszustand sei aber sehr besorgniserregend gewesen: völlig geschwächt und ausgetrocknet, so die 37-Jährige. Deshalb habe man ihn von Neustadt aus ins Klinikum Ludwigshafen verlegt. Dort habe Jürgen Wagner fünf Tage lang Infusionen und Nährstofflösungen bekommen, berichtet die Tochter. Danach sei er wieder in der Lage gewesen, zu sprechen, habe seine Familie wieder erkannt und konnte auch wieder laufen.
Anzeige wegen Misshandlung Schutzbefohlener
Anne-Sophie Wagner ging zur Polizei und erstattete Anzeige wegen Misshandlung Schutzbefohlener. Inzwischen ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Frankenthal in dem Fall.
Anne-Sophie Wagner ist mit dem Fall an die Öffentlichkeit gegangen und die Tageszeitung "Die Rheinpfalz" berichtete darüber. Seitdem hätten sich mehrere Angehörige bei ihr gemeldet, die über schlimme Zustände in der Sonnenwende berichteten, sagt die Pfälzerin.
Über die Ursache des ständigen Räusperns, das ja der Grund war, warum ihr Vater in die Sonnenwende kam, habe es im Arztbrief keinen Befund gegeben. Anne-Sophie Wagner wünscht sich, dass die Behörden den Vorwürfe um ihren Vater nachgehen und sie aufklären. Auch weil sie inzwischen befürchtet, dass das kein Einzelfall ist.
Was sagt der Median-Klinikkonzern zu den Vorwürfen?
Anne-Sophie Wagner hatte die Median Kliniken von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden, damit diese zu den Vorwürfen Stellung nehmen können. Zunächst hatte ein Anwalt der Klinik auch eine Stellungnahme angekündigt. Doch am Ende hieß es auf SWR-Anfrage, dass sich die Median Kliniken gegenüber den Medien nicht zu den Vorwürfen äußern werde.