Bei der Realschule plus in Kandel nehmen alle siebten und achten Klassen am Projekt "Zero Tolerance: Kein Raum für Online-Missbrauch" teil. Viele werden bald 14 und damit strafmündig, einige sind es schon. Der SWR ist einer achten Klasse mit dabei: 20 Jugendliche sitzen in einem Stuhlkreis. Mit dabei: eine Sozialarbeiterin, eine Staatsanwältin und ein Kriminalpolizist:
Wie werden die Schüler erreicht?
Sozialpädagogin Rebecca Jauker erzählt den Schülerinnen und Schülern die Geschichte von Lena und Max. Lena, 13 Jahre alt, hat freiwillig ein Nacktfoto von sich gemacht und es ihrem 14-jährigen Freund Max geschickt. Nach ein paar Wochen zerstreiten sich die beiden. Aus Wut postet Max das Nacktfoto im Klassenchat. Alle aus der Klasse haben es nun auf ihren Handys.
Jauker macht ein Pause und sagt dann: "Was beide nicht wussten: Max hat sich schon vor der Verbreitung des Fotos strafbar gemacht. Und zwar wegen dem Besitz und dann der Verbreitung von kinderpornografischen Inhalten." Der Grund: Lena ist erst 13 Jahre alt, Max schon 14.
Wie reagieren die Schüler?
Die 20 Mädchen und Jungen schauen erstaunt. Einige flüstern miteinander. Das wussten sie nicht. Die Sozialpädagogin bittet einige, sich in die Lage von Max, Lena und deren Freunden hineinzuversetzen.
Am Ende soll jeder im Stuhlkreis sagen, was er gelernt hat: "sowas nicht weiterschicken, am besten löschen und erst gar nicht solche Fotos von sich machen".
Reicht es, intime Fotos von anderen einfach zu löschen?
Nein, sagen Kriminialpolizist und Staatsanwältin, die nun an der Reihe sind. Besser ist es: Wer ein solches Nacktbild bekommt, soll direkt schreiben, dass er das nicht haben möchte. Dann den Chat verlassen und auf jeden Fall zur Polizei gehen.
Der Gang zur nächsten Polizeiwache sollte schnell passieren: "Da geht ihr hin und sagt, ich möchte dieses Foto nicht haben. Dann habt ihr auch keinen Besitzwillen und dann liegt auch keine Strafbarkeit vor." Auf keinen Fall sollten die Fotos an Eltern oder Lehrkräfte weitergeleitet werden.
Sieht die Polizei jedes Nacktbild?
Die 20 Achtklässler schauen ungläubig: echt, wegen so einem Bild direkt zur Polizei - aber es weiß doch niemand, dass wir dieses Bild auf unseren Smartphones haben?
Dann redet Tobias Bergdoll, er arbeitet bei der Kripo in Landau in der Ermittlungsgruppe "Kinderpornografie". "Alles, was ihr über eure Apps schickt, das wird alles über Server verschickt, die meisten stehen in den USA. Dort gibt es eine halbstaatliche Organisation, die mit Hilfe von Programmen und Algorithmen prüft, ob bei dem, was verschickt wird in dem Land, aus dem das kommt, eine Strafbarkeit vorliegen könnte."
Bergdoll erklärt mit ruhiger Stimme weiter: "Falls ja, wird das dem Bundeskriminalamt gemeldet, das gibt es dann weiter an das Landeskriminalamt und dann landet es bei den einzelnen Polizeidienststellen." Seine Sätze wirken: die 13- und 14-Jährigen im Raum hören gebannt zu.
Warum haben die Ermittlungsbehörden ein Problem?
Bei den Ermittlern häufen sich die Fälle von Kinder- und Jugendpornografie. Zu Kinderpornografie zählt die Landauer Staatsanwältin Selina Schmitz "sexualiserte Gewalt an Kindern und sexualisiertes Posing durch Nacktfotografie oder leicht bekleidete Kinder". Bundesweit konsumierten Jugendliche extrem viele Kurzvideos und Bilder und darunter "mischt sich auch ganz oft Kinder- und Jugendpornografie", erklärt Schmitz.
Kinder und Smartphones Handy-Verbot für Grundschüler - Was ist der richtige Zeitpunkt fürs erste Handy?
Ab welchem Alter sollten Kinder ein Smartphone bekommen? Diese Frage drängt sich aktuell stärker auf denn je. Im Kreis Sigmaringen gehen einige Eltern nun einen ganz eigenen Weg.
Welches Ziel hat das Aufklärungs-Projekt?
Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt und wird gefördert durch die "SWR-Herzenssache". Die Jugendlichen sollen sensibilisiert werden: "Auch ihr habt eine Verantwortung für die Medien, mit denen ihr umgeht", appelliert Staatsanwältin Schmitz. Die Ermittlungsbehörden erhoffen sich durch ihre Präventionsarbeit weniger Verfahren wegen Kinderpornografie - wenn die Jugendlichen lernen, besser mit den genutzten Medien umzugehen.