Das gelte sowohl für Familien in Städten als auch für Familien, die in ländlicheren Regionen lebten. Albrecht Bähr, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Pfalz ist auch Sprecher in der sogenannten Landesarmutskonferenz und Vorsitzender der Landesjugendhilfekonferenz. Er sagt: Immer mehr Familien kommen in die Beratungsstellen der evangelischen Kirche der Pfalz, weil sie in die Armut rutschen.
Was Bähr vor allem Sorge bereitet ist, dass es sich bei den Hilfesuchenden zunehmend auch um Familien aus der unteren Mittelschicht handelt, die kein Harz IV beziehen, aber deren Einkommen nicht reicht, um ihren Kindern etwa neue Schulsachen und warme Kleidung für den Winter zu kaufen.
In Rheinland-Pfalz mehr als jedes fünfte Kind von Armut betroffen
Corona, Jobverlust und nun auch noch Inflation und Energiekrise - all das hätte dazu geführt, das nun auch mehr Familien bei der Schuldnerberatung der Diakonie landen, so Bähr. Der Landesdiakoniepfarrer schätzt, dass in Rheinland-Pfalz mehr als 20 Prozent der Kinder von Armut betroffen sind, also Hunderttausende von Kindern.
Brennpunkte seien zwar Städte wie Ludwigshafen, Pirmasens und Kaiserslautern. Aber auch in ländlichen Regionen gebe es sehr viel Kinderarmut, weil die Familien die hohen Mietpreise nicht mehr bezahlen könnten und deshalb aufs Land zögen.
Armut bedeutet für Kinder Scham und Ausgrenzung
Für die betroffenen Kinder bedeute Armut, mit Gleichaltrigen nicht mithalten zu können, keine neuen Turnschuhe, keine Markenkleidung und kein tolles Geburtstagsgeschenk und auch kein Handy zu haben. Die Kinder schämten sich oft, arm zu sein und würden auch von Gleichaltrigen ausgegrenzt, manchmal sogar verspottet, so die Erfahrung aus den Beratungsstellen der Diakonie.
Das führe oft dazu, dass sie sich zurückzögen und auch unter psychischen Problemen litten. Arme Kinder seien zudem häufiger krank, wohl auch wegen schlechterer Ernährung und hätten weniger Zugang zu digitaler Bildung.
2022 bereits 280 Familien durch Kinderhilfsfonds unterstützt
Sehr häufig sind es alleinerziehende Mütter, die sich verzweifelt an die Diakonie der Pfalz wenden, weil sie ihren Kindern beispielsweise keine neuen Schulsachen oder keine warme Kleidung kaufen können, sagt Ingo Martin. Er ist für den sogenannten Kinderhilfsfonds der evangelischen Kirche der Pfalz mitverantwortlich. Mit dem Geld aus dem Fonds hilft die Kirche Familien, die in eine akute Notlage geraten sind. Die Nachfrage um diese unbürokratische Nothilfe ist laut Martin in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen.
Und die Kinderarmut wird weiter steigen, da ist sich Martin sicher. Denn die Strom- und Gasabrechnungen kommen ja erst Ende des Jahres. Eine große Sorge bereitet dem Pfälzer Diakonie-Vorsitzenden Bähr dabei, dass es in der Pfalz aber auch landesweit viel zu wenige bezahlbare Wohnungen gibt.
Energiekrise: Mehr Jugendliche von Obdachlosigkeit bedroht
Familien mit geringem Einkommen hätten ohnehin schon kaum eine Chance eine bezahlbare Wohnung zu finden. Wenn diese Familien jetzt ihre Strom- und Gasrechnungen nicht mehr bezahlen könnten, drohe ihnen die Wohnungslosigkeit, fürchtet Bähr. Und damit steige auch die Gefahr, dass noch mehr Jugendliche, die ihr Zuhause wegen Problemen verlassen, obdachlos werden.
Eine weitere große Sorge seien die fatalen Folgen der Armut auf die psychische Entwicklung der Kinder. Es sei die größte Herausforderung, diese Kinder und Jugendlichen zu unterstützen und auch psychologisch zu begleiten
Diakonie Pfalz: Appell an Politik
Hier sei die Politik gefragt. Sie müsse schnellstens dafür sorgen, dass die von Armut betroffenen Kinder nicht verloren gehen, indem sie die Familien gezielt finanziell unterstützt. Außerdem solle die Politik sicherstellen, dass die Familien wegen der Energiekrise ihre Wohnungen nicht verlieren. Es müsse offene Ganztagsschulen und Kitas geben, mit einem warmen Mittagessen und Zwischenmahlzeiten, kostenlose Tickets im Nahverkehr und auch genug psychologische Hilfen, fordert Diakoniepfarrer Bähr.
Und auch die Diakonie Deutschland appelliert zum Weltkindertag am 20. September an Bund und Länder, jetzt zügig ein Entlastungspaket für Kinder umzusetzen.