Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung

Ludwigshafen: Sind Erzieherinnen an Kitas in ärmeren Stadtteilen besonders überlastet?

Stand
Autor/in
Leon Vucemilovic
Portrait Leon Vucemilovic

Eine Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung kommt zu dem Ergebnis: Erzieherinnen von Kitas sind besonders belastet, wenn viele Kinder aus ärmeren Familien kommen oder weniger soziale Kontakte haben. Wir haben in einer Ludwigshafener Kita nachgefragt.

"Die Kinder hören nicht mehr auf Erwachsene. Der Respekt fehlt", sagt Heike Schlicker. Sie arbeitet in der evangelischen Kita im Ludwigshafener Stadtteil Hemshof. "Das kommt sehr viel vom Elternhaus. Und das wird tendenziell mehr."

Aber es spiele dabei keine Rolle, ob die Kinder aus gut situierten oder ärmeren Elternhäusern stammten.

Studie: Kinder gut zu fördern ist großer Aufwand

Laut einer Studie des Instituts für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit sind es vor allem Kinder aus ärmeren Familien und Kinder mit kleinem sozialen Umfeld, die den Betreuerinnen und Betreuern Mehrarbeit bereiten. Solche Kinder angemessen zu fördern, sei ein erheblicher Aufwand. Oft würden dafür die Ressourcen fehlen. Das ist das Ergebnis der Studie.

Ludwigshafen

Deutscher Kita-Preis 2023 Kita Regenbogen aus Ludwigshafen unter den 10 besten Deutschlands

Die Kita Regenbogen hat eine weitere Hürde auf dem Weg zum Kita-Preis 2023 genommen. Sie wurden zu den zehn besten Deutschlands gekürt. Den besten fünf winkt ein Preisgeld zwischen 10.000 und 25.000 Euro.

Am Nachmittag SWR4 Rheinland-Pfalz

"Ungezogene" Kinder kommen aus allen Schichten

Anstrengend ist die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher auch in der Kita im Hemshof oft: "Wir haben Kinder, die uns mit Sachen bewerfen und bespucken", berichtet auch Anke Tissberger-Weise, Leiterin der Kita im Hemshof. Dabei spiele der soziale und finanzielle Hintergrund der Kinder keine Rolle.

Kinder mit auffälligem Verhalten kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten

Oft stammten Kinder mit auffälligem Verhalten sogar eher aus einem reichen Elternhaus, sagt Tissberger-Weise. "Das sind die Kinder der Gebildeten und der Doktoren. Gleichzeitig haben wir liebevolle Eltern, die nicht lesen und schreiben können, aber bemüht sind um ihre Kinder."

Die Kita im Ludwigshafener Stadtteil Hemshof hat einen besonders hohen Anteil an Kindern aus sozioökonomisch schwachen Familien.
In der evangelischen Kita im Ludwigshafener Stadtteil Hemshof kommen Kinder mit verschiedensten Hintergründen zusammen.

Auch dass die Erzieherinnen und Erzieher Kindern aus armen Verhältnissen mehr beibringen müssen, stimmt laut der Kita-Leiterin so pauschal nicht. "Wir haben auch Fälle, da darf ein fünfjähriges Kind auf Wunsch der Eltern nicht mit uns Mittagessen. Und der Grund ist, dass es zuhause noch gefüttert wird. Mit fünf Jahren!", erzählt sie. "Andere Kinder sollen nur essen, wenn ein Handy vor ihnen liegt." Das seien oft Kinder aus sogenannten guten Verhältnissen.

Ludwigshafen

Portrait einer Wiederholerin Warum sich Kinder an der Gräfenauschule Ludwigshafen so schwer tun

Auch in diesem Schuljahr werden etwa 40 Kinder an der Gräfenauschule die 1. Klasse nicht schaffen. Wir haben eine Schülerin getroffen, die gerade die 1. Klasse dort wiederholt.

SWR4 am Nachmittag SWR4

In solchen Situationen sei der Austausch mit den Eltern wichtig. "Manche Eltern wollen nicht wahrhaben, dass ihre Kinder bestimmte Auffälligkeiten haben", sagt Erzieherin Heike Schlicker. Solche Diskussionen mit den Eltern würden teilweise viel Zeit kosten.

Das System ist dermaßen auf Kante genäht.

Kitas in Ludwigshafen: Personalmangel riesiges Problem

In der Kita im Hemshof haben sie extra für die Zusammenarbeit mit Familien eine Teilzeit-Stelle geschaffen. Denn gerade das fehlende Personal ist in vielen Kitas ein Problem. "Das System ist dermaßen auf Kante genäht, schon ohne zusätzlichen Förderbedarf haben viele Kitas zu wenig Personal", kritisiert Claudia Theobald vom Kita-Fachkräfte-Verband Rheinland-Pfalz.

"Wenn das so weitergeht, müssen wir uns fragen: Welche Angebote für die Kinder sind unverzichtbar und welche nicht so wichtig?"

Neustadt

Zehn Jahre Rechtsanspruch auf Kita-Platz Interview mit Kita-Expertin: "Die Kinder bekommen nicht das, was sie brauchen"

Seit genau zehn Jahren gibt es für Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Die Realität: Tausende Kita-Plätze fehlen - auch in der Vorder-und Südfalz. Welche Bilanz zieht eine Kita-Expertin?

Am Morgen SWR4 Rheinland-Pfalz

Kita-Fachkraft-Verband fordert besseren Personalschlüssel

Theobald fordert, Kitas, die Kinder mit besonders hohem Förderbedarf haben, mehr zu unterstützen. Auch Kita-Leiterin Anke Tissberger-Weise wünscht sich ein Umdenken. Der aktuelle Personalschlüssel sei nicht vernünftig. Besser seien mehr kleinere Kitas mit weniger Kindern. "Es wird ja oft mehr Personal gefordert. Das bedeutet für mich immer: Mehr Urlaub, mehr Krankheit. Habe ich weniger Kinder, kann ich das eher auffangen."

Mehr zu Kitas in der Pfalz:

Weisenheim am Sand

Start in neuer Unterkunft Nach Rattenbefall: Kindergarten in Weisenheim am Sand öffnet in alter Gaststätte

Nachdem der katholische Kindergarten in Weisenheim am Sand (Kreis Bad Dürkheim) wegen Rattenbefalls umziehen musste, macht er heute in einer ehemaligen Gaststätte wieder auf.

Minfeld

Mit Kindern vor dem Krieg geflohen Minfeld: Ukrainerin arbeitet seit über einem Jahr in Kita

Der Krieg in der Ukraine dauert nun ein Jahr und acht Monaten. Der SWR hat von Anfang an Menschen begleitet, die aus diesem Krieg geflohen sind. Eine davon: Halyna Ovsiannikova, die in Minfeld (Kreis Germersheim) als Kindergärtnerin arbeitet.

Guten Morgen RLP SWR1 Rheinland-Pfalz

Ludwigshafen

Dramatische Lage bei den Kitas In Ludwigshafen fehlen mehr als 3.000 Kita-Plätze

In Ludwigshafen fehlen in diesem Kita-Jahr laut Stadtverwaltung rund 3.100 Kita-Plätze. Die Stadt hat dem Jugendhilfeausschuss dazu Zahlen vorgelegt. Im Kita-Jahr 2023/24 könnte sich die Lage noch verschärfen.

SWR4 RP am Morgen SWR4 Rheinland-Pfalz