Andrea Loechelt-Göksu betreibt eine Kinderarztpraxis im Hemshof, einem Wohnviertel in der Ludwigshafener Innenstadt. Sie berichtet dem SWR, dass 2.500 Kinder und Jugendliche in Ludwigshafen nicht versorgt werden können, weil es zu wenige Kinderärzte gebe.
Kinderärztin in Hemshof: rund 1.000 Patienten pro Quartal
Die Ärztin erzählt, dass sie etwa 1.000 kleine Patienten pro Quartal behandele. Sie könne die große Nachfrage einfach nicht mehr alleine stemmen und habe einen Aufnahmestopp verhängen müssen, so Loechelt-Göksu. Sie mache aber eine Ausnahme bei Geschwisterkindern.
Sie müsse sogar Familien mit Neugeborenen und schwer kranken Kindern zu Kinderärzten schicken, die außerhalb von Ludwigshafen sind, klagt die auf Neu- und Frühgeburten spezialisierte Ärztin.
Kinderärztin: "Keiner will in die Stadt Ludwigshafen"
Die Ärztin hatte Eigeninitiative ergriffen: Über ein Portal der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz hatte sie von Oktober bis Ende März per Anzeige einen Kinderarzt für Ludwigshafen gesucht. Vergeblich!
"Keiner will in die Stadt", sagt Loechelt-Göksu und fürchtet, dass der Kinderarztmangel bald noch schlimmer wird. Sie kenne mindestens fünf Kollegen, die auch schon Mitte 60 sind und bald in Rente gingen.
Ärztin: Stadt Ludwigshafen soll handeln
Ein wesentliches Problem sei, dass es viel zu wenige Teilzeitstellen in der Kinderheilkunden gebe, vor allem im ambulanten Bereich. Das sei aber wichtig, weil es immer mehr Medizinerinnen gebe, die Familie und Beruf unter einen Hut bringen wollen.
"Da muss sich die Stadt Ludwigshafen einbringen", sagt die Kinderärztin, etwa indem sie Räume zur Verfügung stellt oder auch finanzielle Anreize bietet, damit mehr Ärzte nach Ludwigshafen kommen.
KV bestätigt Kinderärztemangel in Ludwigshafen
Die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz bestätigte dem SWR, dass in Ludwigshafen aktuell Kinderärzte fehlen. Demnach sind "zweieinhalb Arztsitze in der kinder- und jugendärztlichen Versorgung" nicht besetzt. Wie viele Kinderärzte insgesamt für Ludwigshafen eingeplant sind, konnte die KV aktuell noch nicht mitteilen.
Die KV bemängelt, dass schon die Planung, wie viel Kinderärzte sich in einer Stadt niederlassen dürfen, am tatsächlichen Bedarf vorbeigehe, so eine Sprecherin. Bei dieser sogenannten Bedarfsplanung würden alle Handlungsspielräume des Gesetzgebers ausgeschöpft, heißt es weiter. Und auch andere politische Entscheidungen hätten die Lage weiter verschärft.
Die KV bezeichnet die kinderärztliche vertragsärztliche Versorgung in ganz Rheinland-Pfalz als prekär, teilte die Sprecherin zudem mit. Darauf mache die KV schon lange aufmerksam. Immer mehr Kinderärzte gingen in den Ruhestand und "viele Arztpraxen arbeiten bereits an ihrer Belastungsgrenze."
Gesundheitsministerium sieht KV in der Pflicht
Aus dem rheinland-pfälzischen Gesundheitsministerium heißt es unterdessen, die KV sei dafür zuständig, dass es in allen Landesteilen ausreichend Ärzte gebe und diese ihren Versorgungsauftrag erfüllen.
Das Land habe aber die Anzahl der Studienplätze für Humanmedizin in den vergangenen Jahren (2016 bis 2021) auf 450 pro Jahr erhöht - das seien 15 Prozent mehr als zuvor. Damit sichere Mainz als landesweit drittgrößte Universitätsmedizin den ärztlichen Nachwuchs in Deutschland.