Sommerflaute auf dem Arbeitsmarkt in der Pfalz. Rund 16.500 Menschen sind laut der Arbeitsagentur Ludwigshafen, die auch für Speyer, Frankenthal und den Rhein-Pfalz Kreis zuständig ist, aktuell arbeitslos gemeldet. Eine leichte Zunahme im Vergleich zum Vormonat. Aber wie kommt das? Heißt es nicht immer, es herrsche ein akuter Mangel an Fachkräften? Ist auch so - und wird in den kommenden Jahren auch immer dramatischer, sagt der Chef der Ludwigshafener Arbeitsagentur Daniel Lips.
"Im Jahr 2035 werden deutschlandweit sieben Millionen Beschäftigte fehlen", prognostiziert Lips. In Ludwigshafen sind aktuell 3.400 Stellen unbesetzt. Gerade im Bereich Altenpflege, Kinderbetreuung, Gastronomie aber selbst im Kfz-Gewerbe werden händeringend Leute gebraucht. Wie gehen denn diese beiden Entwicklungen zusammen - hohe Arbeitslosenzahlen und Fachkräftemangel?
Unternehmen in der Pfalz wollen wegen wirtschaftlicher Lage kaum einstellen
"Die Unternehmen haben wegen der aktuellen wirtschaftlichen Situation Angst, Leute einzustellen. Unter anderem die hohen Energiekosten als Folge des Ukraine-Kriegs, machen den Betrieben zu schaffen. Da trauen sie sich nicht, neue Leute einzustellen", sagt Daniel Lips. Er kennt die Bedenken der Unternehmer in der Region. Aber diese Zurückhaltung werde den Betrieben bald auf die Füße fallen, so der Chef der Ludwigshafener Arbeitsagentur. Denn so richtig deutlich werde der Fachkräftemangel erst in den kommenden Jahren, nämlich dann, wenn die sogenannten "Babyboomer" in Rente gingen. Dann würden tausende und abertausende Stellen unbesetzt bleiben - auch in der Pfalz.
Arbeitsagentur-Chef: Jetzt dem Fachkräftemangel entgegenwirken
"Jetzt ist der Fachkräftemangel für die Unternehmen noch nicht so deutlich spürbar. Aber er wird mit voller Wucht zuschlagen. Die Betriebe müssten jetzt Leute akquirieren. Und gering Qualifizierte weiterbilden. Tun sie aber nicht. Wir haben dieses Jahr mit Mitteln der Arbeitsagentur Ludwigshafen gerade mal 100 Leute weitergebildet. Eine lächerlich geringe Zahl", sagt Daniel Lips enttäuscht.
Unternehmer würden immer ähnlich argumentieren: Man brauche die Leute im Betrieb und könne sie daher nicht in Weiterbildungsmaßnahmen stecken. Oder sie befürchteten, dass besser qualifizierte Mitarbeiter sich nach einer Weiterbildung eine bessere Stelle suchen. Eine gefährliche Haltung, findet der Chef der Ludwigshafener Arbeitsagentur.
Forderung: Ausländische Fachkräfte müssen schnell einen Job bekommen
Eigentlich müssten wir jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, um dem Fachkräftemangel entgegen zu treten", so Lips. Dabei müssten gleich mehrere Maßnahmen rasch ergriffen werden. Zum einen müsse man deutlich mehr Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen: 400.000 jedes Jahr bundesweit - nur so könne man einem Ausbluten der Unternehmen vorbeugen.
Zum anderen müsse man die ausländischen Arbeitskräfte, die schon im Land sind, dringend in Lohn und Brot bringen. "Wir sind da so unpragmatisch. Wir können es uns nicht leisten, zu warten, bis eine ausländische Arbeitskraft etliche Sprachkurse absolviert hat. Wir müssen sie schneller in den Arbeitsmarkt kriegen", sagt Lips.
Arbeitsagentur Ludwigshafen: Kommunikation im Job geht auch auf Englisch
Dazu erklärt der Chef der Ludwigshafener Arbeitsagentur: "Unter den Arbeitslosen in Ludwigshafen sind sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund - ein wertvolles Potential für den Arbeitsmarkt." Im Ausland, in den Niederlanden oder in den skandinavischen Ländern sei es üblich, mit Fachkräften aus dem Ausland Englisch zu sprechen. In Deutschland sei das nicht üblich. Aber man stünde eben im Wettbewerb mit vielen anderen Ländern um Arbeitskräfte, das dürfe man bei all der Bürokratie nicht vergessen, so Lips.
Gegen Fachkräftemangel hilft: "Mehr und länger arbeiten"
Es gäbe viele Hebel, die man ansetzen könnte, um mehr Menschen in Lohn und Brot zu bringen: Eine ordentliche Kinderbetreuung aufbauen, damit mehr Frauen von Teil- auf Vollzeit umstellen. Aber man müsse auch die Lebensarbeitszeit verlängern: Die Rente mit 63 sei nicht so eine gute Idee gewesen. Interessanterweise würden selten Menschen mit körperlich anspruchsvollen Berufen, wie Fliesenleger oder Dachdecker früh in Rente gehen - sondern eher jene, die am Schreibtisch sitzen und ihren Job auch gut und gerne noch mit 70 machen könnten, verrät der Arbeitsmarkt-Experte.
"Wir dürfen nicht vergessen: Von den Arbeitskräften hängt unser Wohlstand ab. Wir brauchen viel weniger ideologische Diskussionen, dafür eine positive Willkommenskultur ausländischen Arbeitskräften gegenüber." Es könne nicht sein, dass Menschen jahrelang zwischen den Welten hängen und nicht arbeiten gehen dürften, sagt Lips. "Integration muss durch Arbeit erfolgen. Damit wäre allen gedient."