Mai 2018. Melina Maier aus Speyer ist 20 Jahre alt. Sie macht eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin am Uniklinikum Heidelberg. Sie ist ehrenamtlich bei der Johanniter-Unfallhilfe tätig.
Das Ereignis, das für sie alles verändert, geschieht bei einem Event der Unfallhilfe. Beim gemeinsamen Frühstück mit ihren Kolleginnen und Kollegen bricht sie zusammen.
"Auf einmal hat sich um mich herum so eine Art Wolke gebildet. Die Leute, die mit mir erzählt haben, sagten mir später, dass ich total abwesend gewesen sei", erzählt Melina heute. Kurz darauf scheint sie umgekippt zu sein, aber ihre Erinnerungen sind schwammig. Ein epileptischer Anfall folgte.
Rettungsdienst reagierte sofort auf Schlaganfall
Ihr Glück im Unglück: Um sie herum war jede Menge Rettungsdienst-Personal der Johanniter-Unfallhilfe, das den Ernst der Lage erkannt und sie sofort in die Neurologie des Klinikums Ludwigshafen gebracht hat.
Als Melina im Krankenhaus aufwacht, ist ihre rechte Körperhälfte gelähmt, ihr Sehvermögen eingeschränkt und ihr Sprachzentrum beeinträchtigt. Zuallererst blickt sie in die Augen ihres besten Freundes.
"Er hat meinen Kopf gehalten und ich habe ihn gefragt: "Julian, was ist denn gerade passiert, ich fühle mich ganz komisch?", erinnert sich die inzwischen 26-Jährige. Die Ärztinnen und Ärzte diagnostizieren bei ihr ein Blutgerinnsel im Gehirn.
30.000 junge Menschen pro Jahr erleiden Schlaganfall
Nach Angaben der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe erleben in Deutschland jährlich etwa 30.000 Menschen unter 55 Jahren einen Schlaganfall.
Wolfgang Ruescher ist Neurologe im Pfalzklinikum in Klingenmünster und sagt, dass es mehrere mögliche Ursachen für Schlaganfälle bei jungen Menschen gibt.
Schlaganfälle können ihm zufolge spontan auftreten, es gebe genetische Dispositionen, ganz häufig komme so etwas nach Infekten vor. Es gebe angeborene Herzfehler, die Blutgerinnsel verursachen können, die sich dann aus dem Herzen losreißen und ebenfalls Gefäße verstopfen können.
Migräne spiele eine große Rolle und Drogenkonsum könne auch Schlaganfälle verursachen.
Ein Sprecher der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe sagt, dass es auch Lebensstil-bedingte Schlaganfälle gibt. Diese können zum Beispiel in Folge von Übergewicht und zu wenig Bewegung entstehen.
Weil sich unser Lebensstil aber verändere, etwa hin zu mehr sitzenden Tätigkeiten und mehr Fast Food, ist die Vermutung der Neurologen, dass dadurch auch der "klassische Schlaganfall" immer jünger wird.
"Ich laufe den Jakobsweg - egal wie!"
Doch anstatt sich von der Diagnose und deren Folgen unterkriegen zu lassen, entwickelte Melina Kampfgeist. Die vielen Monate Reha, die folgten, meisterte sie mit einem großen Ziel vor Augen: "Ich laufe den Jakobsweg - egal wie!".
Und tatsächlich: Im Mai 2023, fünf Jahre und viele Trainingsstunden später, setzt sie in Porto die ersten Schritte auf den Jakobsweg Richtung Santiago de Compostela.
"Ich bin losgelaufen und habe mir gesagt: Ich versuch's, aber wenn mein Körper mir signalisiert, dass er eine Pause braucht, dann scheue ich mich nicht, vielleicht mal ein Stück mit dem Taxi oder Bus zu fahren - auch wenn es Überwindung kostet."
Umso stolzer war Melina, als sie nach 17 Tagen und 313 Kilometern an ihrem Ziel ankommt - der Kathedrale in Santiago de Compostela - und jeden Schritt zu Fuß gegangen ist.
Motivationspreis für Betroffene, Ehrenamtliche oder Fachleute
Alle zwei Jahre zeichnet die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe mit ihrem Motivationspreis Menschen aus, die sich als Betroffene, Ehrenamtliche oder Fachleute in herausragender Weise für das Thema Schlaganfall engagieren und durch ihr Vorbild andere motivieren. Die Preisverleihung in diesem Jahr findet am 15. November statt.
Melina hat sich sehr über die Nominierung gefreut, denn: "Mein Ziel ist es, Menschen - gerade junge Menschen in meinem Alter -, die wie ich aus dem Leben gerissen wurden, zu motivieren und ihnen zu sagen: Egal, was kommt, man muss das Beste draus machen."
Es würde die junge, starke Frau sehr freuen, könnte sie mit ihrer Geschichte anderen Betroffenen und Angehörigen etwas Mut und Energie mit auf den Weg geben.