Die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Thüringen haben in den vergangenen Jahrzehnten eine enge Beziehung zueinander aufgebaut. Als nach der deutschen Wiedervereinigung fünf neue Bundesländer im Osten entstanden, leistete Rheinland-Pfalz tatkräftig Unterstützung - vor allem personell. Zahlreiche Landesbedienstete waren in Thüringen im Einsatz und auch sehr viele Privatpersonen.
Es entstanden kommunale Partnerschaften, etwa zwischen dem Eifelkreis Bitburg-Prüm und dem Kreis Sonneberg. Es wurden aber auch viele Beziehungen auf privater Ebene geknüpft.
Bernhard Vogel - Ministerpräsident in zwei Ländern
Zum Zusammenhalt der beiden Bundesländer trug natürlich auch bei, dass der frühere Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Bernhard Vogel, 1992 zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt wurde - und dieses Amt bis 2003 innehatte. Der CDU-Politiker nahm nicht nur jede Menge Erfahrung aus dem Westen mit in den Osten, sondern auch viel Personal.
Die engen Bindungen führten auch dazu, dass sich die politischen Parteien der beiden Bundesländer unterstützen - vor allem auch in den Wahlkämpfen.
Keine Polit-Promis aus RLP im Einsatz
Auch vor der diesjährigen Landtagswahl in Thüringen gab es Unterstütung von Politikerinnen und Politikern aus Rheinland-Pfalz. Nach SWR-Recherchen haben außer der FDP alle Parteien versucht, ihre thüringischen Kollegen im Wahlkampf personell zu unterstützen.
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So waren etwa die Jungsozialisten (Jusos) in der SPD ein Wochenende im Osten unterwegs - mit bleibenden Eindrücken: "Für mich die prägendste Erfahrung war, aus meinem Safe-Space in Westdeutschland einmal rauszukommen und hier die politische Realität einfach auch im Alltag zu sehen", sagt die rheinland-pfälzische Juso-Chefin Beatrice Wiesner dem SWR. Wie viele AfD-Anhänger "dort ihre Gesinnung sehr, sehr offen an der Kleidung und am Körper getragen haben. Das war für mich schon schockierend. Ich ziehe mich da nicht zurück. Aber ich habe mich schon verunsichert gefühlt."
Aber ob CDU, Grüne oder SPD: Die großen Namen fehlten bei der Wahlkampf-Unterstützung der Landesverbände in Thüringen.
Politikwissenschaftler Jun: Rheinland-Pfälzer in Thüringen unbekannt
Das sei aber nicht weiter verwunderlich, sagt der Politikwissenschaftler Uwe Jun von der Universitat Trier. Viele Thüringer könnten mit Politikerinnen und Politikern aus Rheinland-Pfalz nicht viel anfangen - weil sie die schlichtweg kaum kennen würden. "Selbst der Ministerpräsident, Herr Schweitzer, dürfte in Thüringen weitgehend unbekannt sein", so Jun.
Damit wären die Politikgrößen aus Rheinland-Pfalz beim ostdeutschen Partner auch keine große Unterstützung im Wahlkampf.
Sonderfall Kemmerich
Bei der FDP komme die Sondersituation dazu, dass der Spitzenkandidat der FDP in Thüringen, Thomas Kemmerich, innerhalb seiner eigenen Partei von vielen anderen kritisch gesehen werde, sagt Jun.
Kemmerich war im Februar 2020 - unter anderem mit den Stimmen der AfD - zum Ministerpräsidenten gewählt worden und hatte eine Regierungskrise in Thüringen ausgelöst. Bereits am Folgetag trat er für eine vorgezogene Neuwahl des Landtages ein und kündigte seinen Rückzug an.
Kein "Besserwessi" sein
Ein weiteres Problem von Westdeutschen im Osten: Wenn zu viel von außen hineingeredet werde, rufe das bei vielen Ostdeutschen das Trauma der Bevormundung durch "Besserwessis wach", betont Jun. "Es gibt da keine allgemeinen Grundsätze, wie man in diesem Spannungsverhältnis zwischen Bevormundung und Hilfestellung den geeigneten Weg findet."
Deshalb müssten westdeutsche Politikerinnen und Politiker abwägen, wo und wie sie im Osten auftreten. Es müsse ein Gefühl dafür geben, dass man die Eigenständigkeit des jeweiligen Bundeslandes respektiere, sagt Jun. "Einen goldenen Weg gibt es nicht."