Menschen feiern im Club bei Electric City 2024 in Koblenz

Sinkende Besucherzahlen in Clubs

Wie sich das Nachtleben in Koblenz verändert hat

Stand
Autor/in
Christina Nover
Autorin Christina Nover

Tanzen bis zum Morgengrauen - in Koblenz passiert das deutlich seltener als früher. Trotzdem machen viele Clubs weiter. Auch die letzte Großraumdisco der Stadt mit neuem Betreiber.

"Aus und vorbei" heißt es am Samstagabend in der Großraumdisco "Agostea". Seit Wochen wird dort eine "Abriss"-Party nach der nächsten gefeiert - dabei schließt die Disco gar nicht wirklich. Dank eines neuen Betreibers geht es am 5. Juli nahtlos weiter. Allerdings mit neuem Konzept und unter dem Namen "Nachtarena Koblenz", wie der SWR erfahren hat.

Agostea gibt es seit 19 Jahren

"Wir hätten es einfach schade gefunden, wenn eine Institution wie das 'Ago', beziehungsweise die großartigen Räumlichkeiten im Zentrum der Stadt, nicht mehr zum Koblenzer Nachtleben gehören würden", erklärt der Sprecher des neuen Betreiber-Teams, Joachim (Jo) Böning gegenüber dem SWR. Er kennt den Club seit 19 Jahren und will an den Erfolg alter Zeiten anknüpfen.

Eingang der Großraumdisco Agostea Nachtarena Koblenz
Die Großraumdisco Agostea in der Koblenzer Innenstadt lädt seit 19 Jahren zum Tanzen ein.


Böning ist sich bewusst darüber, dass das "Agostea" zuletzt einen gewissen Ruf hatte. Das neue Team will dem gezielt entgegenwirken - unter anderem mit einer neuen Einlasspolitik und einem Verhaltenskodex, an den sich Gäste wie Mitarbeiter halten müssen. Das Eintrittsalter soll in der Regel bei 21 Jahren liegen, bis auf einige spezielle Veranstaltungen. Auch sollen die Tore früher öffnen, nämlich um 21 Uhr.

Clubsterben in Koblenz?

Dass das "Agostea" doch nicht zumacht, wie viele dachten, ist alles andere als selbstverständlich. Schließlich ist seit Jahren die Rede von einem "Clubsterben" in Koblenz. Die Kultdisco "Extra" im Koblenzer Gewerbegebiet gibt es schon seit 2003 nicht mehr, als 2016 dann die Rock-Disco "Dreams" geschlossen wurde, begann der Abgesang auf das Koblenzer Nachtleben.

Früher ist man in die Disco gegangen, um Leute kennenzulernen. Heute gibt es Dating-Apps.

Ein Blick hinter die Kulissen zeigt, wie sehr die verbliebenen Clubs zu kämpfen haben. Der scheidende Betriebsleiter des "Agostea" Koblenz, Daniel Schug, spricht von einer bundesweiten Entwicklung - die Besucherzahlen in Großraumdiskotheken seien seit einigen Jahren überall rückläufig. "Das Ausgehverhalten hat sich komplett verändert", sagt Schug. Früher seien junge Menschen fünf Tage die Woche feiern gegangen, heutzutage sei ein Tag schon viel.

Große Auswahl an Freizeitangeboten: Discos haben es schwer

Schug sieht zum einen finanzielle Gründe, aber auch eine viel größere Auswahl an Freizeitangeboten. "Früher ist man in die Disco gegangen, um Leute kennenzulernen. Heute gibt es Dating-Apps", nennt er als Beispiel. Auch der Zugang zu Musik sei heutzutage ein ganz anderer. Niemand müsse in einen Club gehen, um neue Musik zu hören, alles sei sofort online verfügbar.

Baden-Württemberg

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Erst Corona, dann die Inflation - die Clubszene in Baden-Württemberg hat es seit Jahren nicht leicht. Eine Theorie: Vor allem junge Menschen gehen seltener in Clubs.

Nach der Corona-Pandemie sei die Veränderung im Ausgeh-Verhalten der jungen Menschen besonders spürbar geworden. "Bei der ersten Wiedereröffnung 2021 war der Laden noch voll. Nach dem zweiten Lockdown gab es schon keinen Run mehr", so Schug. Ähnliche Erfahrungen hat Ralf Prestenbach vom "Circus Maximus" gemacht: "Wir haben immer noch wesentlich weniger Besucher als vor Corona." Im Schnitt seien es rund 20 Prozent weniger.

Clubbesitzer fordern Abschaffung der Vergnügungssteuer in Koblenz

Prestenbach kritisiert, dass die Stadt Koblenz die Vergnügungssteuer für Tanzveranstaltungen nicht gesenkt oder gar abgeschafft hat - wie beispielsweise andere Städte es getan haben. Ein entsprechender Antrag zur Vergnügungssteuer im vergangenen Jahr sei abgelehnt worden. "Es gibt da ein paar Stadtratsmitglieder, die den Knall nicht gehört haben. Wenn die Stadt so weitermacht, gibt es bald kein Nachtleben mehr", betont er.

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Gäste erwarten mehr Entertainment

Den "Circus Maximus" gebe es nur deshalb noch, weil man das Betriebsfeld erweitert habe. Seit einigen Jahren bieten Prestenbach und sein Team Escape-Room-Events und die sogenannte "Schnäpschenjagd" - eine Schnitzeljagd für Erwachsene - an. "Ich hätte nie gedacht, dass ich mal sage, dass uns Junggesellenabschiede retten", meint Prestenbach zu seinem zweiten Standbein.

"Einfach nur Musik spielen, ist nicht mehr. Die Leute wollen unterhalten werden."

Auch der Betreiber der "Nachtwache", Dirk Kurtenbach, bestätigt: "Einfach nur Musik spielen, ist nicht mehr. Die Leute wollen unterhalten werden." Kurtenbach hat sich mit der Nachtwache auf Gäste ab 25 Jahren konzentriert und ist damit relativ zufrieden. Die Tanzfläche im Keller ist relativ klein, was für normale Abende jedoch vollkommen ausreichend sei.

Erfolgsformate wie Electric City

An manchen Tagen sind die Clubs in Koblenz dann aber doch auch mal wieder voll. Bei Karnevalspartys etwa oder zu Electric City, einem Event, an dem sich in diesem Jahr acht Clubs beteiligten. So auch das "Zenit". Dessen Betreiber, Arne Kurth, meint: "Es gibt Tage, da läuft es super. Aber es fehlt das Grundrauschen." Es brauche Events und besondere Acts, um Leute anzulocken.

Dj legt bei Elctric City 2024 in Koblenz auf
Bei Veranstaltungen wie "Electric City" sind die Clubs der Stadt Koblenz voll mit feiernden Menschen.

Dabei sei die Stadt Koblenz mit ihren Großveranstaltungen wie der Bierbörse oder Electronic Wine keine Hilfe: "Die Leute geben das Geld nur einmal aus", so Kurth. Er würde sich wünschen, dass die Stadt mit den Clubs kooperiert. Damit stößt er bei der neuen Koblenzer Nachtkulturbeauftragten, Adissa Ibrahim, offene Türen auf. Sie sagt: "Es kann nicht sein, dass ein Event dafür sorgt, dass der Rest der Stadt wie leergefegt ist."

Junge Generation geht weniger Tanzen

Auch Adissa Ibrahim sieht die Tendenz zum Clubsterben in Koblenz. Als Gründe für die schlechte Lage bei den Clubs führt sie neben dem Einfluss der Corona-Pandemie an, dass die junge Generation (GenZ) achtsamer sei und sparsamer mit ihren Ressourcen umgehe. "Es kann sein, dass da dann lieber ein Rave an einem geheimen Ort besucht wird, als in den Club zu gehen."

Adissa Ibrahim, die neue Koblenzer Nachtkulturbeauftragte bei einer Veranstaltung
Adissa Ibrahim (links) hat als die neue Koblenzer Nachtkulturbeauftragte den Finger am Puls des Nachtlebens.

Aus Sicht von Ibrahim ist das Koblenzer Nachtleben trotzdem gut aufgestellt: "Nachtkultur besteht nicht nur aus Clubs. Wir haben in Koblenz viele Bars und Kneipen, die sehr gut besucht sind." Für jeden sei etwas geboten - wenn auch nicht gerade an jedem Wochenende. In einer Stadt wie Koblenz könnten auch nicht alle Nischen bedient werden.

Neues Konzept für "Nachtarena Koblenz"

Dass es in der "Nachtarena Koblenz" weitergehen soll, freut die Nachtkulturbeauftragte. Das Betreiber-Team hat sich vorgenommen, Formate und Veranstaltungen für alle Alters- und Zielgruppen zu schaffen, wie Jo Böning gegenüber dem SWR erklärt: "Gerade auch für Gäste jenseits der 30, für die es in Koblenz wenig Möglichkeiten gibt, ungezwungen zu feiern und tanzen zu gehen."

Die Änderungen werden jedoch erst nach und nach eingeführt, wie Böning erklärt. Man will den Übergang fließend gestalten. Auch optisch soll sich einiges im Club verändern - ab August bis Januar 2025 soll der Club umgestaltet werden. "Das erste, das rausgeflogen ist, ist der Box-Automat", meint Böning lachend.

Viele Veränderungen im "Agostea"

Statt mehrerer Tanzflächen mit unterschiedlichen Musikrichtungen müssen die zukünftigen Gäste in der Regel mit einer großen Tanzfläche auskommen. Der "Rittersaal" wird zur "Living Club Lounge" und das "Stadl" kann für private oder geschäftliche Feiern und Veranstaltungen gemietet werden. Zum Jahreswechsel soll in der "Nachtarena" auch eine Bühne eingebaut werden, auf der Konzerte stattfinden können.

Der Betreiberwechsel und das neue Konzept für den Discobetrieb, um die lange ein Geheimnis gemacht wurde, werden in der Koblenzer Nachtclub-Szene mit großem Interesse verfolgt. Prestenbach vom "Circus Maximus" erklärt im SWR-Gespräch: "Ich hab nichts davon, wenn Kollegen zumachen. Ganz im Gegenteil." Auch "Zenit"-Betreiber Arne Kurth betont: "Ich hoffe, dass die Pläne aufgehen. Mehr Vielfalt ist besser."

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